Bobby Pinson galt lange Zeit als 'Nashville's best gehütetes Geheimnis'. Denn trotz höchster musikalischer und auch kompositorischer Begabung erwies sich sein Gang nach Music City zunächst als großer Flop. Statt Musik machen war lange Zeit nach Beendigung seines Militärdienstes hartes Arbeiten in diversen Gelegenheitsjobs angesagt, bis eines Tages zumindest die Labels Sony/ATV Music und Stage Three Music sich seiner Dienste als Songwriter annahmen, und ihn jeweils für einige Zeit verpflichteten (Ergebnis u. a. : Stücke wie "Takin' Up Space" für Van Zant, für "Everywhere But Hollywood" Tracy Lawrence, Blake Shelton, Trent Willmon oder LeAnn Rimes).
Aber wer ist dieser Bobby Pinson überhaupt? Aufgewachsen im texanischen Niemandsland schnappte er sich schon als junger Bursche mangels anderer Gelegenheiten die Gitarre seines Vaters und begeisterte sich nebenbei auch noch für prosaische Werke des Dichters Shel Silverstein. Erste Auftrittserfahrungen sammelte er bei Geschichtenerzählwettbewerben. Seine musikalischen Neigungen erstreckten sich von Bruce Sprinsteen, Steve Earle bis zu Countryikonen wie Willie Nelson oder Johnny Cash.
Die große Wende in seinem Leben leitete wohl Produzent Joe Scaife ein, der auch sein Debütalbum "Man Like Me" mitbetreute. Dieser hatte kurz zuvor mit Gretchen Wilson einen unerwarteten Riesen-Coup gelandet, und das Label RCA bat um weitere Geistesblitze dieser Art. Scaife hatte Bobby mehrfach live gesehen und witterte hier weiteres unentdecktes Potential. Wie recht er hatte, wenn es bisher auch nicht ganz so durchschlagend klappte wie bei der vorangehend erwähnten Interpretin. Immerhin knackten das Album und auch die erste Single "Don't Ask Me How I Know" für einige Zeit die Billboard-Top-Twenty.
Die CD bewegt sich zwischen New-Country ("Man Like Me", vielleicht die Antwort auf Tim McGraw's Hit "Live Like You Were Dying") der eher trockeneren Sorte mit dezentem Southern-Feeling (I'm Fine Either Way", tolle Mundorgel, klasse Double Leads), trotzdem knackig und klar produziert, und einer gehörigen Portion Roots-Rock ("One More Believer", "Way Down") mit jede Menge Heartland-Flair ("Nothin' Happened In This Town", ähnelt eine wenig "Small Town", "Ford Fairlane" und "Shadows Of The Heartland"), wie er für John Mellencamp typisch ist. Für den Spaß-Faktor sorgt der flotte, rhythmische Gute-Laune-Song "Started A Band" im Stile von Dr. Hook auf Countrypfaden.
Das Resultat lebt natürlich auch von Bobbies unglaublich erwärmender Kratzstimme, die aber sehr variabel eingesetzt wird. Vieles erinnert an Steve Earle, John Mellencamp, Tom Waits und, wenn der Gute das Reibeisen mal in die Ecke geworfen hat, an Johnny Van Zant, Eddie Montgomery ( Montgomery Gentry) oder auch Tim McGraw, gerade, wenn sich die Stücke in emotionaler Richtung bewegen. Ich würde einiges darauf verwetten, dass letztgenannter Herr McGraw sich in Zukunft auch mal eines Pinson-Songs bedienen wird. Grandios natürlich auch die beteiligten Klasse-Instrumentalisten, wobei Bill Panda (Akustikgitarre und Mandoline), sowie die exzellenten E-Gitarristen Troy Lancaster und David Grissom (Ex-Mellencamp, Storyville) unaufdringliche Glanzarbeit leisten. Toll wie bei einigen Balladen, statt wie sooft verwendeter schmalziger Violinen und bombastischer Keyboards, hier ein dumpf klingendes Cello ( John Catchings) eingebracht wurde, und einem Stück wie "Time Well Spent" bei seinem dramatischen E-Gitarren-Finale noch weitere Tiefe vermittelt.
Die Botschaften in Pinsons Texten sind ähnlich wie bei Johnny Van Zant's Songwriting nicht gerade spektakulär (don't quit your High School football team halfway through the season, don't drink the water in Mexico...), zum Teil religiös (Jesus loves me - Hidden Track) und autobiographisch (nothin' happens in this town) geprägt, aber teilweise auch mit hintergründigem Humor versehen (makin' plans that didn't make sense, wastin' time, wastin' time well spent).
Insgesamt eine ansprechende Dreiviertelstunde, die ich persönlich nur jedem empfehlen kann.
Bobby Pinson erscheint mir als gerade entdeckter hochtalentierter Künstler mit einer phantastischen Stimme, den es gilt, einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Man darf sich schon jetzt auf seine nächsten Ideen, Lieder oder Alben freuen. Wie bereits anfangs erwähnt, gut dass manche Geheimnisse auch schon mal gelüftet werden...
Spielzeit: 46:29, Medium: CD, RCA Records BMG Music, 2005
1:I'm Fine Either Way 2:Nothin' Happens In This Town 3:One More Believer 4:Don't Ask Me How I Know 5:Man Like Me 6:Started A Band 7:Ford Fairlane 8:Shadows Of The Heartland 9:Way Down 10:I Thought That's Who I Was 11:Time Well Spent 12: Hidden Track Jesus Loves Me
Daniel Daus, 21.08.2005
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