Florian Poser gilt als einer der besten Vibrafonisten Deutschlands. Bekannt wurde er unter anderem in der Duobesetzung mit dem Pianisten Klaus Ignatzek, aber auch in anderen Formationen war und ist er unterwegs, so seit Jahren auch mit diesem brasilianischen Projekt, der Brazilian Experience. Und mit dieser internationalen Besetzung war er nun auf Einladung des Jazzclubs Wilhelmshaven-Friesland e.V. zu Gast im Pumpwerk. Nach und nach scheint der Jazz wieder in diesem altehrwürdigen Gemäuer Einzug zu halten, dass sicher viele Geschichten von renommierten Stars erzählen könnte. 'Brazilian Experience', ein Begriff, der in Verbindung mit Pressemitteilungen darauf hindeuten könnte, dass hier ein musikalisches Feuer Braziliens abgeliefert werden sollte.
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Doch wer reichlich Samba, Antonio Carlos Jobim, Astrud Gilberto und ähnliches erwartet hatte, wird wohl nicht auf seine Kosten gekommen sein. Wer sich aber auf Spitzenjazz einstellte, der dürfte nicht enttäuscht worden sein. Spitzenjazz, vorwiegend in Form von Kompositionen des Bandleaders vorgetragen, denen zu Eigen war, dass lateinamerikanische Elemente Einzug hielten und auch wenn es kein Samba-Feuer war, gab es jedenfalls eine rhythmische Komponente, die eindeutig in jene Richtung zielte. Diesen Verdienst konnte die mittlerweile vierundsiebzigjährige Schlagzeug-Legende Portinho für sich verbuchen. Denn der Brasilianer trommelte, was es immer zu trommeln gab, seien es vertrackte Rhythmen, sei es sanft wiegender Tangorhythmus oder beinharter Funk. Der Meister der Rhythmik brachte selbst in komplizierteste Takte immer wieder Breaks unter, Zwischenschläge, ohne dass der Fluss unterbrochen wurde - das hat mich wirklich mitgerissen.
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Überhaupt war Südamerika nicht nur durch ihn, sondern auch durch den Bassisten aus Brasilien und den argentinischen Trompeter vertreten. Sie alle bereicherten durch ihren speziellen Stil die musikalische Melange, die sogar Elemente der Klassik enthielt, in dem Kompositionen von Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart verwendet wurden. Beide Komponisten wurden von Poser augenzwinkernd als bekannte brasilianische Komponisten vorgestellt. Man merkte, dass auch jene Musik in diesem neuen Konzept 'swingte', angereichert durch Jazz und lateinamerikanische Rhythmen.
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Aber auch langsame Tempi wussten in sensibel arrangierten Stücken das leider nicht zahlreich erschienene Publikum zu begeistern. In diesem Zusammenhang fiel mir der Titel "Road To Nowhere", sehr lasziv vorgetragen, positiv auf und ich hatte den Eindruck, jeden Augenblick könnte dann doch noch Astrud Gilberto aus dem Hintergrund auf die Bühne schreiten. Poser versprühte viel Feeling, da waren viele Blue Notes und viel Blues auf dem Vibrafon. Aber auch "Alone" war von ähnlichem Kaliber. Der ansonsten kraftvoll zupackende Trompeter Bergalli (waren das noch Anklänge an seine Zeit mit Gato Barbieri?) legte mit gänsehautmäßigem, gefühlvollem Einsatz einen Hauch von Romantik über die Musik. Einmal spielte er mit dem Chef im Duo, man intonierte den
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Klassiker "Misty" in einem gefühlvollem Zwiegespräch. Und dann gab es auch immer wieder zwischendurch kräftig Mitreissendes, so der Titel "Summersalt" - laut Poser der englische Begriff für Purzelbaum - und solche schien man auch zu vernehmen. Auch energiegeladener Funk mit viel Drive wurde vorgetragen - ein Titel, der an den Jazz Rock und die Fusionbewegung der Siebziger Jahre erinnerte. Inmitten des Stücks wurde durch den Pianisten unterbrochen, der ein unbegleitetes Solo vortrug, das für meinen Geschmack ruhig noch länger hätte ausfallen können. Klaus Müller glänzte mit seinen Einfällen, sehr perkussiv, sehr wirbelnd, sehr intensiv!
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Nicht ganz so emotional mitreißen konnte mich hingegender Bassist. Im Vergleich zum hohen Emotionslevel der anderen Musiker erschien mir sein Vortrag weniger engagiert, halt emotionsloser, gleichwohl es technisch und musikalisch gesehen nichts zu bemängeln gab. Er unterstützte die Musik im Fluss, seine kurzen Soli waren einwandfrei, doch wenn ich vergleichend Bassisten wie zum Beispiel Ron Carter heranziehe, bemerke ich, dass mir etwas fehlte.
Nach zwei Sets von etwa einer Stunde und einer Zugabe entließ Poser das Publikum mit einem Solovortrag auf dem Vibrafon nach Hause. Eine schöne Version von "My Funny Valentine" war ein schöner, romantischer Abschluss eines kurzweiligen und abwechslungsreichen Jazzabends.
Mein Dank geht an dieser Stelle an Michael Reckers vom Pumpwerk-Club für die Akkreditierung und den Jazzclub Wilhelmshaven-Friesland e.V. für die Mühe, den Jazz auch in dieser Stadt am Leben zu erhalten.
Line-up:
Florian Poser ((vibraphone)
Gustavo Bergalli (trumpet, flugelhorn)
Klaus Müller (piano)
Itaiguara (bass)
Portinho (drums)
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