Octopus
An Ocean Of Rocks & Rubber Angel
An Ocean Of Rocks & Rubber Angel Spielzeit: 41:06 (An Ocean Of Rocks), 33:10 (Rubber Angel)
Medium: CD
Label: Sireena Records, 2011 (Sky Records, 1978, 1980)
Stil: Prog'n'Kraut


Review vom 24.02.2011


Ulli Heiser
»Kaum jemand im Bekanntenkreis kennt diese Band. Das muss so 1978 gewesen sein, als Octopus vor der Rockdisco, in der ich damals arbeitete, ein Open Air Konzert gab. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich weiß noch, dass ich die Sängerin Jenny nach der After Show-Party ins Hotel gefahren habe. Und dass sich die LP "The Boat Of Thoughts" seit dem Konzert in meinem Besitz befindet. Sie lief früher auch sehr oft und so war es eine große Freude für mich, als der Redecker Tom, seines Zeichens Bewahrer alter deutscher Rockperlen, über sein Label Sireena Records dieses Album neu aufgelegt hat.«
[ich selbst, Anno Domini 2009]
Tom Redeckers Sireena-Label hat nachgelegt und neben dem Debüt The Boat Of Thoughts nun auch "An Ocean Of Rocks" (1978) sowie "Rubber Angel (1980) im Portfolio. "An Ocean Of Rocks" knüpft musikalisch ziemlich eng an den Vorgänger an und handelt von mystischen Meeresgeschichten. Das letzte bei Sky erschiene Album, "Rubber Angel", verlässt die progressiven Kraut-Pfade in Richtung kommerziellerer Gewässer, ohne aber jemals den Gedanken aufkommen zu lassen, bei dem Gehörten würde es sich nicht um Octopus handeln. Eines der Hauptmarkenzeichen, Jennifers Röhre, ist immer präsent.
Großes Lob und ein dickes Kaufargument sind bei beiden Platten die hervorragenden Liner Notes von Zeitzeuge Detlef Kinsler. Endlich erfährt man etwas über diese Band, denn schrieb ich bei "The Boat Of Thoughts" noch, dass fast nichts im Netz zu finden ist, so kann man nun doch einiges erfahren. Zum Beispiel, dass Jenny nach der Ehe mit dem Gründungs-Gitarristen Pit Hensel dessen Nachfolger Winfried Kowalik heiratete und bis heute mit ihm zusammen Film- und TV-Spots produziert. Das erklärt nun, wieso "Rubber Angel" diese Spur kommerzieller ist, als die Vorgänger mit Pit Hensel an den Sechssaitigen.

An Ocean Of Rock»Come on friends start the music
let us have a real good time.«

So startet der erste Track auf "An Ocean Of Rocks" mit fetter ELP-Orgel und Pit soliert sich schon mal warm. Das ruhigere "On My Mind" fräst sich unaufhaltsam und Gänsehaut-erzeugend in den Kopf. Jennifers glasklare Stimme, Pits dezentes Solo, die wabernden Keyboardsequenzen, der plötzliche Break zu einem forcierten Ritt durch siebziger Proglandschaften ... das sind Octopus, wie ich sie liebe. Die Reise durch die Unterwasserwelt zeigt eine Sängerin, die mal folkig verspielt, mal stark an Janis Joplin erinnernd, immer tonangebend im Zentrum der Kompositionen steht. Auch wenn sie schweigt und den Instrumentalisten das Feld überlässt, denn egal ob Tastenklänge, oder wilde Saitengewitter die Minuten zieren ... man wartet förmlich darauf, dass diese Stimme dazustößt.
"The Shifting Of Space And Time" trifft das Unterwassermärchen am besten. Zwar hätte ich mir anstelle des Keyboard-Piepser, die doch stark an einen Synthesizer erinnern, volle Orgel-Klänge gewünscht (auch das Mellotron, wie auf der Debütscheibe fehlt mir etwas), aber man kann durchaus das Kopfkino anschalten. "Octopus The Survivor Of Atlantis" zeigt die Sängerin auf ungewohntem Terrain. Fast chansonartig startet sie die Nummer, wechselt aber im weiteren Verlauf wieder zu gewohnten Röhre. So wie sich der anfangs etwas zurückgenommene Song zur siebenminütigen Progreise entwickelt. Mein Fav ist aber der treibende Titeltrack. Prog at it's best. Bei Minute 1:58 schafft es Pit gar, für 'ne Sekunde eine southernmäßige Double-Lead-Schlacht zu simulieren.
"An Ocean Of Rock" ist ein feines Album einer deutschen Prog-Truppe, welches lohnt, im heimischen Regal zu stehen. Auch wenn es, wie ich das sehe, nicht am Meisterstück "The Boat Of Thoughts" kratzen kann.
Rubber AngelKommerzieller also nun. Neuer Gitarrist auch. Totproduziert liest man in den Liner Notes und die Band war anscheinend gar nicht so zufrieden. Erst mal hat der Eröffnungssong enorm Power. Eingängiger, ok, das ist er. Auch ein funkiger Moment lässt sich finden. Wie auch zu Beginn von "Stampede". Typischer Funkbass. Das ist nicht übel und ich höre das ansonsten gerne. Bei Octopus ist das ungewohnt. Oder besser, wenn man die Vorgängeralben kennt, ist man überrascht. Da steckt 'ne ganze Menge Funk und Rhythmus drin. Zeitgeist?
Steely Dan, Lake kommen mir bei "Plastic Dream" in den Sinn. Die Rhythmusgitarre hat diesen Dance-Touch. Zwar und dank Jennifer kommt aber auch das 'alte Octopus-Feeling durch. Aber das ist schon 'etwas andere' Musik. "Outside, So Far Away" ist fast eine Vokalnummer, bei der die gute Inga Patin gestanden haben könnte. Zu 'modern' jedoch "Crossed Eye Cat" und "Black Points". Octopus mit ihrer Affinität zu Wasser- bzw. Unterwasser-Themen sind hier aufgetaucht und schippern schwer in Richtung poppigem Rock. Zwar sind progressive Passagen zu finden, sie wirken im Gesamtbild aber eher wie Eskapaden. Allerdings schöne, wie das Gitarrenteil in "City Life" zeigt.
"The Roly-Poly Bumble-Bee" versöhnt mit lässigen, schwebenden Melodien zu stimmlichen Höhenflügen. Versöhnt ist jetzt bitte nicht so zu verstehen, dass die Platte Grund dazu gäbe. "Rubber Angel" ist ein gutes Album. Man darf es nur nicht mit "The Boat Of Thoughts" vergleichen. Wäre "Rubber Angel" das einzige Werk einer deutschen Band aus vergangenen Tagen, es sollte in keiner Sammlung fehlen. Da nun drei der insgesamt vier Octopus-Werke auf digitalem Tonträger vorliegen, spricht natürlich nichts dagegen, alle drei im Regal zu haben. Man kann die musikalische Entwicklung der Band beobachten und schont außerdem das alte, wertvolle Vinyl.
Line-up:
Pit Hensel (guitars) [An Ocean Of Rocks]
Winfried Kowalik (guitars) [Rubber Angel]
Werner Littau (keyboards)
Jennifer Hensel (vocals)
Sepp Niemeyer (drums, percussion)
Claus D. Kniemeyer (bass)
Tracklist
An Ocean Of Rocks:
01:Start The Music (3:59)
02:On My Mind (5:40)
03:Son Of Sorrow (6:30)
04:The Delayable Rise Of Glib Part 2 (3:42)
05:The Entrance (2:24)
06:The Shifting Of Space And Time (5:35)
07:Octopus The Survivor Of Atlantis (7:13)
08:An Ocean Of Rocks (6:00)
Rubber Angel:
01:Too Hard To Love You (3:55)
02:Stampede (3:23)
03:Plastic Dreams (4:30)
04:Outside, So Far Away (4:21)
05:Crossed Eye Cat (3:26)
06:Black Points (3:36)
07:City Life (3:55)
08:The Roly-Poly Bumble-Bee (5:50)
Externe Links: