Gleich vorweg: Ich will ja ganz ehrlich sein, so richtig 'scharf' war ich bezüglich der Veröffentlichung dieser Platte eigentlich wegen James Carter, den ich, nebenbei bemerkt, für den besten Saxofonisten halte, der seit nun gut 15 Jahren in der 'Szene' ist.
Ich will Odean Pope beileibe nicht herabwürdigen oder ihm Unrecht zuteil werden lassen, die eine oder andere Platte von ihm schmückt auch die Regale, nur bin ich halt ein Carter-Fan. Aber nun zu Mr. Pope!
Am 24.10.1938 geboren, zählt er nun auch nicht gerade zu den Newcomern im Geschäft, doch ist er erst relativ spät in breiterem Rahmen bekannt geworden. In frühen Jahren spielte er als Backgroundmusiker für Künstler wie Marvin Gaye, Aretha Franklin, die Temptations oder Stevie Wonder, bis er sich später dem Max Roach Quartett anschloss, und dort eine durchaus gewichtige Rolle spielen konnte.
Unter dem Einfluss anderer Musiker in Philadelphia, wo er aufwuchs, wie John Coltrane, Benny Golson, Archie Shepp, Clifford Brown und einigen mehr, war ihm Coltrane wohl der nächste, was man seinem Spiel teilweise noch anhören kann.
Aber schon bald entwickelte er einen eigenen Stil, mit sehr hoch ausgeprägtem rhythmischen Ansatz, vielleicht auch durch die lange Zusammenarbeit mit dem Drummer Roach bedingt, und zeichnete sich dann auch als Komponist vieler Stücke mit komplexen Rhythmen in Taktschemen von 5/4, 7/4 oder 9/4 aus.
Sehr kraftvoll ist sein Spiel noch heute, Zirkularatmung ist ein Bestandteil, der ihn zu ausufernden Soli verhalf. Und davon gibt es auf dieser Platte, es müsste so ungefähr seine 20. seit 1980 sein, auch einige zu hören.
Nach einer kurzen, knapp zweiminütigen Einleitung geht es mit "To The Roach" rasant weiter und mit einem energiegeladenen Solo des Drummers Jeff 'Tain' Watts gibt es schon gleich einen Höhepunkt der Platte. Aber bei diesem bleibt es nicht. "Phrygian Love Theme" beginnt mit einem hervorragend agilen und guten Basssolo von Lee Smith, bevor ein Thema einsetzt, dass inklusive des Rhythmus leicht spanisch klingende Tönung hat. Und der nächste Solist ist dann auch schon James Carter, der dem Baritonsaxofon orientalische Töne entlockt, und auch auf diesem Instrument alle Skalen auslotet. Er überbläst wieder typisch, hält sich jedoch noch sehr dezent zurück, um dem Trompeter für sein Solo Platz zu machen.
Track vier, ein nur vom Bass getragenes Duett mit Odean Pope - hier zeigt der Saxofonist sein Können auf sehr harmonische und energische Weise. Gleichzeitig fast zart und romantisch spielt er sanfte Töne, um dann plötzlich Coltranes berühmten 'sheets of sound' seine Referenz zu erweisen, ganz schnell treibt er die Töne voran, bis er plötzlich verstummt und dem Bassisten Raum für ein sehr einfallsreiches und ausgefülltes Bass-Solo gibt!
Vom Arrangement her auch vorzüglich gelungen ist "Little Miss Lady", dessen Thema gut für eine Big Band zu gebrauchen wäre. Odean lässt hier ein Solo aus und überlässt den Saxofonpart wieder James Carter, der sein Horn, erneut ein Baritonsaxofon, aufschreien lässt.
Erst auf "Blues For Eight" kann sich der 'Chef' selbst auslassen und gibt eine Kostprobe seines hervorragenden solistischen Könnens. Hier erfährt man dann auch, wie sehr er sich von Vorbildern gelöst hat. Ich vermag jedoch stets einen Hauch von Archie Shepp in den 'dreckigen' Anteilen seines Spiels zu vernehmen. Einen direkten Vergleich zur doch sehr unterschiedlichen Spielweise Carters bietet dann der nächste Titel, "Collections", bei dem dieser nun eine Vorstellung auf dem Tenorsaxofon gibt, wieder mit fast berstender Intensität, für mich mit viel mehr Energie als Pope, und genau das ist es, was Kritiker Carter auch schon vorgeworfen haben: mit Showeffekten zu kokettieren. Doch ich sehe das nicht so, für mich ist er ein Bindeglied zwischen Ben Webster, dessen fast hauchende Zurückhaltung er beherrscht, und John Coltranes Ausbrüchen in dessen Endphase. Und das verknüpft er mühelos und bringt noch eine Menge mehr Eigenes hinein.
Aber hier geht es ja um Pope, nicht wahr. Man sehe mir die Abschweifung nach, aber gerade dieser Vergleich stellt hier klar dar, dass Saxofonist nicht gleich Saxofonist ist.
Nun will ich den Dritten im Bunde natürlich auch nicht unterschlagen, ist mit Walter Blanding doch noch einer an Bord. Sein einziges Solo hat dieser auf "To The Roach". Bekannt wurde er durch die Mitarbeit in Wynton Marsalis' Lincoln Center Jazz Orchestra, und er stellt ein solides und teilweise sehr packendes Solo dar. Ich halte seinen Ton dem von Pope relativ ähnlich, er spielt aber mehr in der Tradition des frühen Hard Bops. Spontan fiele mir der Kollege Hank Mobley ein, solide und vielversprechend sein Auftritt, man sollte seinen Werdegang verfolgen.
Seine Bandbreite kann Odean dann wieder auf dem Titelstück vorstellen, wo nach kurzer Einleitung mit voller Band alsbald ein Zwiegespräch mit dem Drummer Watts, allerdings gelegentlich dezent untermalt durch den Bassisten, seinen brillanten Lauf nimmt. Die beiden spornen sich an und man fühlt sich zu den berühmten Duetten zwischen Archie Shepp und Max Roach versetzt, hier lotet der Saxofonist dann auch seine Virtuosität aus, aber auf seine eigene Art und Weise, und das ist auch gut so.
Insgesamt eine sehr gute neue Veröffentlichung des 'heimlichen Saxofonstars', der, wie es scheint, stets eher im Hintergrund blieb. Allen, die gutes Saxofonspiel zu schätzen wissen, dürfte Pope eh' nicht verborgen geblieben zu sein.
Und die Arrangements sind insofern noch zu erwähnen, als dass man hier den Eindruck hat, eine kleine Big Band wäre am Werk. Nicht zu viel, nicht zu wenig.
Line-up:
Odean Pope (tenor sax)
James Carter (tenor sax, bariton sax)
Walter Blanding (tenor sax)
David Weiss (trumpet)
Terell Stafford (trumpet)
George Burton (piano)
Lee Smith (bass)
Jeff 'Tain' Watts (drums)
Tracklist |
01:Minor Infractions (1:59)
02:To The Roach (6:57)
03:Phrygian Love Theme (9:31)
04:Say It Over And Over Again (10:08)
05:Little Miss Lady (4:57)
06:Blues For Eight (8:04)
07:Collections (7:19)
08:Odean's List (6:05)
09:You And Me (4:03)
10:Cis (4:57)
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