Kevin Barnes: Ein experimentierfreudiger Musiker, der seine Band und seine Stilrichtung mit jeder neuen Platte nach dem heiteren Bäumchen-wechsele-dich-Spiel austauscht wie normale Menschen ihre Unterwäsche. Verrückt, aber irgendwie auch schon wieder sympathisch. Was das bunte Cover (wie immer entworfen von Barnes' Bruder David) der vorliegenden Scheibe verspricht, wird mit der darauf befindlichen Musik auch gehalten: Eine Zeitreise zurück in die magische Sixties-Seventies-Pop-Hippiezeit, mit allen Höhen und Tiefen.
"Lousy With Sylvianbriar" ist das mittlerweile zwölfte Studioalbum des dem Elephant-6-Kollektiv zugehörigen Ensembles um Songwriter Kevin Barnes, der Of Montreal 1996 als eine Art Soloprojekt in Anlehnung an eine gescheiterte Beziehung mit einem Mädchen 'of Montreal' gründete und seitdem in nimmermüder Ausdauer fast jährlich eine neue CD auswirft. Vielleicht möchte er ja die Verflossene mit seinem Abwechslungsreichtum betören.
Für das aktuelle Werk suchte Barnes zunächst Inspiration in San Francisco, wo er tagelang den Spirit der Umgebung aufsog und in sein Songwriting einfließen ließ. Nach dieser schöpferischen Zeit kehrte er nach Athens, Georgia zurück und holte sich für die anschließenden Aufnahmen Rebecca Cash, Clayton Rychlik, Jojo Glidewell, Bob Parins und Bennet Lewis ins hauseigene Studio. Ohne High-Tech-Brimborium und nur mit einem 24-Track-Mehrspurrekorder bewaffnet entstand im Eiltempo von nur zwei Wochen ein wahrlich hippie-eskes Werk.
Barnes wollte das Album wie in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren aufnehmen: »I wanted to work fast and to maintain a high level of spontaneity and immediacy. […] Definitely more G Parsons than K Penderecki this time around. I was influenced by the poetry of Sylvia Plath (hence the reference in the title), plus artists like the Grateful Dead, Neil Young, Flying Burrito Brothers.« Und so groovt und schwirrt Of Montreal auf "Lousy With Sylvianbriar" in lässiger Pop-Psychedelic-Rock-Manier von Stück zu Stück. Angefangen bei der fulminanten Flowerpower-Lok "Fugitive Air" - mit Slide Guitar und Bob Dylan auf LSD im Schlepptau - bis hin zum zwischen Hoffnung und Unentschlossenheit schwankenden Abschluss "Imbecile Rages" - Velvet Underground und Lou Reed lassen grüßen.
Während des traumtänzelnden Säuselnarkotikums "Obsidian Currents" habe ich dank der weichen Klänge à la Marvin Gaye die Vision, schlaftrunken durch meterdicke Obsidiangläser zu blinzeln. "Belle Glade Missionaries" weckt mich wieder auf und reitet mit mir auf feinsten Gitarrenlicks durch sonnenverwöhntes Blues-Country-Land - ein Highlight dieser Platte.
Die nach südamerikanischer Folklore klingende Ballade "Sirens Of Your Toxic Spirit" mit seinen Mandolinen- und Streicherklängen ist eine weitere Perle auf dem Album. "Colossus" dagegen kommt einer Lüge gleich, denn was der großspurige Name verspricht, entpuppt sich allenfalls als kolossales Siechtum. An dieser Stelle verliert die Scheibe deutlich an Drive und Substanz, als hätten alle Bandmitglieder Beruhigungspillen gefrühstückt und schwirrten nun orientierungslos durch den Äther. Zu Beginn von "Triumph Of Disintegration" wird der Zuhörer mit den einer schallenden Backpfeife gleichenden Eingangsworten »The last 10 days have been a motherfucker« wieder wach geklatscht, bevor der Beat einsetzt. Dieser Track wartet mit Elementen aus Disco und Psychedelic Rock sowie einem noch wilderen Rhythmuswechsel auf. Achtung: Jenen Song sollte man nicht beim Joggen hören, denn es besteht die Gefahr, dass man durch ihn ins Stolpern gerät und sich dann garantiert auf die Schnauze packt.
In "Amphibian Days" wird noch einmal ein gähnendes Easy Listening-Soufflé serviert, das mit seinem gedankenverlorenen "Ah-Oh-Ah"-Gesäusel stark an die Super Furry Animals erinnert. Daraufhin geht es - hinsichtlich der Qaulität - doch noch einmal für mehr als nur ein Lied bergauf: Das Intro von "She Ain't Speakin' Now" baut eine Wilder-Westen-Kulisse auf, während die butterweichen Strophen im Nirgendwo zwischen Athens und San Francisco versumpfen und der Rest des Songs sich nach Supergrass sehnt. "Hegira Émigré" eskaliert vom ersten Moment an als schizophrener Folk Rock-Klampfer auf Speed. Rebecca Cash singt zärtlich und mit fragiler Stimme die melancholische Ballade "Raindrop In My Skull".
Mit "Lousy With Sylvianbriar" macht Barnes das Dutzend an facettenreichen Alben voll. Hierauf wechseln sich hochklassige und selig ins Ohr schmeichelnde Popmomente mit porösem und schwer verdaulichem Klangmaterial ab. Ein farbiger Silberling, sowohl innen als auch außen, dessen bunte Stücke hier und da doch etwas arg verschwimmen oder gleich vor Trägheit ganz untergehen. Manche Stücke wie "Colossus" und "Amphibian Days" sind wahrhaftig 'lousy', weil sie unaufgeregt, ja geradezu einschläfernd herumdudeln und in mir das Gefühl erwecken, dass die Combo gelangweilt ist von dem, was sie tut - und das schlägt sich auch auf mein Hörvergnügen nieder. Der Rest ist hip.
Line-up:
Kevin Barnes (vocals, guitar, bass)
Rebecca Cash (vocals)
Clayton Rychlik (drums, percussion, vocals)
Jojo Glidewell (piano, keys)
Bennet Lewis (guitar, mandolin, vocals)
Bob Parins (bass, guitar, pedal steel, upright bass)
Kishi Bashi (strings - #9)
Laura Lutzke (strings - #10)
Marie Davon (strings - #4)
Tracklist |
01:Fugitive Air
02:Obsidian Currents
03:Belle Glade Missionaries
04:Sirens Of Your Toxic Spirit
05:Collosus
06:Triumph Of Disintegration
07:Amphibian Days
08:She Ain't Speakin' Now
09:Hegira Émigré
10:Raindrop In My Skull
11:Imbecile Rages
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