Ohrenfeindt / Auf die Fresse ist umsonst
Auf die Fresse ist umsonst Spielzeit: 49:00
Medium: CD
Label: AFM Records, 2013
Stil: Deutschrock, Hard Rock

Review vom 30.08.2013


Holger Schwendemann
Schon lange steht der 30.08.2013 in meinem Kalender. Denn an diesem Tag erscheint die neue Ohrenfeindt-Scheibe mit dem Titel: "Auf die Fresse ist umsonst".
Sehnlichst warte ich auf das Pressekit und nun endlich kann ich reinhören in das neue Machwerk der Band.
Dennis Henning (Gitarre) und Flash Ostrock (Schlagzeug) haben mittlerweile die Band verlassen, so dass Chris Laut auf alte Freunde zurückgreifen musste. Mit dabei sind Schlagzeuger Stefan Lehmann (Torfrock), der vor Jahren schon Mitglied bei Ohrenfeindt war, und die Gitarristen Micky Wolf (Van Wolfen), Henny Wolter (Nitrogods, Ex-Thunderhead, Ex- Primal Fear) und Jörg Sander (Panik-Orchester).
Da bin ich doch gespannt, wie sich die neue Platte anhört.
"Auf die Fresse ist umsonst":
Los geht es mit einem Riff à la AC/DC. Es folgt der typische kratzende Gesang von Chris und eine fette Rock'n'Roll-Nummer: Seit dem Lied sehe ich Chris als Türsteher einer Bar vor mir, der der neunmalklugen Kundschaft, die immer nur schmarotzen will, die Meinung sagt: »Auf die Fresse ist umsonst, den Rest musst du bezahlen…«. Was gibt es dem noch hinzuzufügen. Klare Worte, klares Statement, Rock'n'Roll. Ein toller Opener, voll auf der bisherigen Linie von Ohrenfeindt. So kann es weitergehen.
"Alles oder nichts":
AC/DC-like geht es weiter. Satter Sound, treibende Gitarren und ein tolles Fundament aus Schlagzeug und Bass treiben dieses Lied voran. Kein Geld in der Börse, aber ein Cabrio gekauft und mit dem Wagen geht es auf Tour. »Auf und davon. Den Teufel auf dem Rücksitz und kein Blick zurück«. Auch hier kann man den Übersetzer ausschalten. Was Chris in seinen Texten immer wieder schafft und wofür ich ihn bewundere, sind die klaren Worte und die klaren Aussagen. Einfach zuhören und abrocken. Ein Lied für Rebellen, oder die, die es werden wollen.
"Jetzt oder nie":
Eine Hammernummer mit einem tollen, stampfenden Rhythmus. Ich weiß, dass Chris sehr sozial engagiert ist. Hier fühle ich sein Herzblut, mit dem er sich für behinderte, kranke, oder sozial benachteiligte Menschen einsetzt: »Wenn nichts mehr geht und sie am Boden liegt sagt sie: Glaub an Dich selbst Du bist noch lang nicht besiegt«. Eine, wie ich finde, sehr schöne Textstelle in einem Lied, das aufrüttelt und auch nachdenklich macht. Chris lenkt den Blick auf das Leben um uns herum, das nicht für jeden schön und einfach ist. Seine Botschaft: Jetzt oder nie. Die Gesellschaft - jeder von uns - ist gefordert. Und Recht hat er!
"Rock'n'Roll Sexgöttin":
Mit einer Bluesgitarre geht es los, dann das volle Brett. Typisch Ohrenfeindt. Und schon sind wir bei der zweiten Leidenschaft von Chris: St.Pauli. Als treuer Besucher des Millerntor muss er natürlich immer wieder Werbung für seinen Verein machen. Ob mit "Rock'n'Roll Sexgöttin" St. Pauli gemeint ist, muss er mir mal beim Interview erzählen.
Die Textstelle: »Doch ich geh zu St.Pauli und Du zum HSV. Wir lassen Fußball Fußball sein und sind schlicht Mann und Frau…« finde ich persönlich genial.
"Königin der Nacht":
Eine richtig hartes, knackiges Lied, das im ersten Moment nicht ins Konzept zu passen scheint, doch mit jeder Sekunde finde dieses immer besser. Die Gitarren klingen rau und beinhart.
Erst im Solo findet man wieder typische Blues Rock-Elemente. Aber genau das macht das Lied so abwechslungsreich. Letztendlich sehr interessant. Gut gemacht!
"Prinzessin":
ist ein sehr schönes, gefühlvolles Instrumental. Alle Instrumente kommen sehr gut zur Geltung und sind toll abgemischt. Es ist zwar immer wieder gefährlich, ein Instrumental zu veröffentlichen. Aber dieses Stück passt echt gut in den Ablauf der CD.
"Egal":
Genug ausgeruht, Chris bekommt Frauenbesuch. So beschreibt er es zumindest in der ersten Strophe. Was lernen wir? Chris mag High Heels. Mehr muss eine Frau anscheinend nicht tragen. »Egal. Heute Nacht bleibst du hier. Du kommst und gehst wie du willst... « Und die Dame bleibt bestimmt nicht zum Kaffeetrinken. Das habe ich kapiert.
Klar. Zum Rock'n'Roll gehört eben mal der Sex. Erneut ein toller Song, den man von Ohrenfeindt einfach erwartet. Allein der Einsteig (Schlagzeug und Gitarre) ist klasse. Der Chor im Hintergrund des Refrains ist auch sehr passend!
"Prokrastinations-Blues":
Was zum Henker heißt 'Prokrastination'? Als alter Lateiner hätte ich das wissen müssen. 'Prokrastination' heißt eigentlich 'Aufschieben'. Unangenehm empfundene Arbeiten werden immer wieder verschoben, anstatt sie zu erledigen. Soweit zur Übersetzung.
Was 'Blues' bedeutet, muss man jetzt nicht erklären, oder?
Das Lied ist auch eine typische Blues-Nummer. Natürlich auch mit einem Harp-Teil, der nicht fehlen darf. Was will uns Ohrenfeindt sagen ? Immer gemach, mal abwarten und schauen, was die anderen machen.
Auch das ist ein Lebensgefühl. Und die Band kann dieses Wort richtig gut erklären.
Mein Tipp: Ein Bier einschenken, auf die Terrasse setzen und einfach mal zuschauen, was die anderen machen.
"Durch die Nacht":
Erneut eine schöner, ruhiger Song. Ein Taxifahrer fährt eine Fremde ohne Ziel durch die Nacht. Ein Lied, bei dem man sich zurücklehnen kann. Einfach die Augen schließen und dem Erzähler folgen. Man kann sich die Situation echt gut vorstellen. Live kommt dieses Stück bestimmt gut.
"Rock'n'Roll Show":
Eine typische Ohrenfeindt-Nummer. Und natürlich dreht es sich wieder um eine Frau, die »der Star auf meiner Rock'n'Roll Show« ist. Der Fuss wippt die ganze Zeit mit und spätestens jetzt freue ich mich, die neuen Lieder live zu sehen.
"Ruf mich nicht mehr an":
Aha! Das hört sich jetzt aber doch etwas anders an. Tolle Gitarren-Fills ergänzen diese ruhige Komposition. Manchmal erinnern mich diese Fills an Santana. Dies ist aber als Kompliment gemeint. Worum geht es? Das sagt Euch schon der Titel. Den Rest müßt ihr schon selbst hören, ihr sollt ja die CD kaufen.
"Strom":
Fett und mit Strom für die E-Gitarre geht es weiter. Und so klingen diese auch. Eine 'schrubbt' und die andere klingt etwas düster. Im Solo, nach drei Minuten, plötzlich ein unerwarteter Wechsel. Das Lied steigert sich und ich bin total begeistert. Ein wahrer Nackenbrecher. Wer hier live nicht mitbangt, dem ist nicht zu helfen. Mir sind sogar die Kopfhörer runtergefallen, weil ich doch etwas zu arg mitgegangen bin.
"Heim":
Zum Abschluss wieder eine Blues-Nummer mit dem passenden Titel "Heim": »Wenn der letzte Mann verbunden ist und keine Bombe mehr fällt. Und das letzte Lied gesungen ist und die Toten sind gezählt. Dann geh ich heim..... «
Ein nachdenklicher und schöner Abschluss der neuen Ohrenfeindt-Platte.
Mein Fazit: Ohrenfeindt ist trotz des Personalwechsels sich selbst treu geblieben. Die Texte sind konkret und eingängig. Und genau das zeichnet die Band aus. Ehrliche, rockige Nummern, die sowohl zum Lächeln, als auch zum Nachdenken anregen. »Das Leben ist kein Ponyhof «. So steht es in der Presseinfo zur neuen Scheibe. Das ist richtig. Aber Ohrenfeindt lenken mit Ihren Liedern den Blick sowohl auf die guten, wie auch auf die schlechten Zeiten im Leben eines Menschen. Die Botschaft: Nicht die Augen vor der Realität verschließen. Ohrenfeindt kann das. Das macht den Rock'n'Roll aus. Auch einmal unangenehme Sachen ansprechen und Stellung zu wichtigen Themen beziehen.
Musikalisch bewegt sich die Band für mich in Deutschland in der ersten Liga. "Auf die Fresse ist umsonst" ist ein weiterer Meilenstein in deren Bandbiografie. Chris Laut und seine Freunde bringen eine tolle Scheibe auf den Markt. Alle Gäste machen einen hervorragenden Job. Stefan Lehman am Schlagzeug sorgt für den nötigen Schub und die Gitarren von Stefan, Micky, Bastian und Jörg sorgen in Verbindung mit dem Bass von Chris Laut für den typischen Ohrenfeindt-Sound.
An alle Fans des deutschsprachigen Rock'n'Rolls: Hier könnt ihr bedenkenlos zugreifen!
Line-up:
Chris Laut (bass / vocals / harp)

Gäste:
Stefan Lehmann (drums)
Micky Wolf (guitar)
Bastian Wulff (guitar)
Henry Wolter (guitar)
Jörg Sander (guitar)
Tracklist
01:Auf die Fresse ist umsonst (2:28)
02:Alles oder nichts (3:02)
03:Jetzt oder nie (4:06)
04:Rock'n'Roll Sexgöttin (3.24)
05:Königin der Nacht (4:29)
06:Prinzessin (3.26)
07:Egal (3:48)
08:Prokrastinations-Blues (4:37)
09:Durch die Nacht (3.35)
10:Rock'n'Roll Show (4:04)
11:Ruf mich nicht mehr an (4:10)
12:Strom (4:40)
13:Heim (3:43)
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