Ohrenfeindt Musiktheater Rex, Lorsch 09. März 2012 Stil: Deutsch Rock, Hard Rock Konzertbericht Artikel vom 15.03.2012 Holger Schwendemann

Als ich selbst live mit einer meiner Bands spielte, hörte ich vor dem Konzert über die PA etwas, das meine Aufmerksamkeit erregte. Deftiger und dreckiger Rock. Und zwar in einer Art, wie man ihn heute leider nur noch selten hört. Als alter AC/DC- und Airbourne-Fan stand ich sofort beim Mischer und ließ mich aufklären. Ohrenfeindt heißt die Band und kommt aus Hamburg. Sorry: St. Pauli!!!!! Und aus seiner Sicht sei es die beste deutschsprachige Rock'n'Roll Band... äh Roggenrohl Band!!!
OK. Nach längerem Hinhören konnte ich ihm nicht widersprechen. An Konversation war nicht mehr zu denken. Die Mucke ging in die Beine und ins Blut. Zu Hause dann natürlich rumgestöbert und sich mit der Band beschäftigt. Scheiße sind die gut. Kurz darauf in der Wohnung die CDs taktisch klug verteilt, so dass in jedem CD-Spieler eine andere Ohrenfeindt-Scheibe lag. Man musste nur noch auf 'Play' drücken und der Tag war gerettet. So einfach ist das !
Irgendwann bekam ich die Nachricht, dass Ohrenfeindt im Musiktheater Rex in Lorsch spielt. Na also. Die muss ich mir live anhören. Sind ja nur 45 Minuten bis nach Lorsch.

Gleich beim Betreten der Location hörte ich schon den Hamburger- ... äh sorry ... St. Pauli-Dialekt, und Chris Laut (Sänger, Bassist, Mundharmonikaspieler und Kopf der Band) wirbelte durch die Meute am Merchandise-Stand. Jow. So ist das in einer familiären Umgebung.
Um 20:30 Uhr ging es pünktlich los mit einer kurzen Einblendung vom Band, auf der Ohrenfeindt bei einem Banküberfall oder Ähnlichem u. a. folgende Forderungen geltend machen: »Nieder mit dem Gehörschutz, Vollgasrock für alle und drei Punkte für St. Pauli«. Tja, klares Statement!

Der Saal johlte und es ging auch gleich los mit "'N Job in der Bank"... passend zum Intro. Ohne Pause folgten "Zu jung, zu schnell", "Rock'n'Roll Mädchen" und "Nicht die Nerven verlieren". Nach dem klaren verbalen Statement folgte das klare musikalische Statement. Ohrenfeindt rockt ! Und wie sie rocken. Nach einer ganz kleinen 'Einregelphase' stand der Sound wie eine Eins. Klare Gitarrenriffs, Stakkato-Bass und treibendes Schlagzeug. Das ist Rock. Hört sich einfach an. Aber so zu spielen, dass der Körper automatisch mitwippt, DAS ist die Kunst. Und Ohrenfeindt beherrscht es perfekt. Es folgen "Ein allerletztes Mal", "Motormädchen" und "Spiel mit dem Feuer". Zwischen den Liedern schafft es Chris Laut immer wieder, das Publikum sympathisch zu unterhalten. Man nimmt ihm den Rocker einfach ab. Und nicht nur ihm. Auch Dennis Henning (Gitarre) und Flash Ostrock (Schlagzeug) darf man auf keinen Fall vergessen. Die drei ergänzen sich hervorragend und man sieht ihnen den Spaß an.

"Kalter Kaffee", das mit einem Mundharmonika-Intro von Chris beginnt, ist einfach ein geniales Stück. Ohrenfeindt schaffen es, unseren Alltag in tolle Texte zu verpacken. Jeder weiß, was gemeint ist und versteht die Botschaft. Seien es die Jobsuche, eine Scheidung oder andere Wahrheiten, die zu unserem Leben gehören. Hier muss wenig interpretiert werden. So muss Rock'n'Roll sein.
Es folgen "Traurig aber wahr, "Was mir der Doktor verschrieben hat" und dann mein persönliches Highlight: "Sie hat Ihr Herz auf St. Pauli verloren". Ich liebe regionale Bezüge in den Liedern. Und Ohrenfeindt sind wahre Botschafter von St. Pauli. Charmant, ehrlich und sympathisch. Ganz nach dem Motto: Die restlichen Stadtteile von Hamburg sind OK. Sie sind eben da, aber St. Pauli ist eben was besonderes. Und diese Liebe zu St. Pauli spürt man immer wieder in ihren Liedern.

Das Publikum, das sich ebenso wie die Band von Song zu Song steigerte, brüllte den Song mit, als wär es das letzte Mal.
Es folgten "Alles auf Rot" und ein geniales Gitarrensolo von Dennis Henning. Überhaupt, Dennis Henning: Anfangs ernst, dann aber immer lockerer versteht er es in seinem blues-orientiertem Spiel, die Gitarre 'zum Reden zu bringen'. Wenn ich die Augen schließe, kann ich die Geschichte, die er mir mit seinem Gitarrenspiel erzählen will, nicht nur hören, sondern auch sehen. Das klingt zwar etwas romantisch, aber ich denke ihr wisst, was ich meine. Ohrenfeindt beweisen auch das, was viele meiner Mitmusiker behaupten. Man benötigt nicht viele Musiker, um gute Musik zu machen. Drei reichen völlig. Flash Ostrock hinter seinem Ludwig-Kit mit der überdimensionalen Bassdrum sorgt für den Drive, Chris sorgt für die Basis und den Gesang und Dennis setzt mit seiner Gitarre die Sahnehäubchen und rundet das Bild ab. Fertig. Mehr braucht man nicht, um Musik zu machen. Kapiert?

Das Solo von Dennis endet in "Schwarz auf weiss", dem direkt "Es wird Tag auf St.Pauli" und "Parasit" folgen. Dort zeigt Chris seine Künste an der Mundharmonika. Das Solo ist einfach nur geil und Chris spickt es mit einer tollen Mimik und Gestik. Er zieht sich am Bart, drückt seine Brustwarze und greift sich in den Schritt. Alles mit unterschiedlichen Tönen aus der Mundharmonika untermalt. Sehr unterhaltend. Vor allem die Grimassen, die er dabei zieht.
Das letzte Stück des Sets ist "Zum Rocken geboren". Hier geht noch einmal so richtig die Post ab, ehe sich die Band mangels 'Versteckmöglichkeiten' hinter einem Handtuch verborgen hält, bis der Zugabenteil beginnt.

Die letzten drei Nummern donnern durch das Musiktheater Rex in Lorsch. "Rock'n'Roll Sexgott", "Harley-Luja" und natürlich "Ohrenfeindt". »Wir sind laut, wir sind geil, Rock'n'Roll, Reeperbahn Style... Ohrenfeind« … ein besserers Statement zum Abschluss gibt es nicht.
Das Publikum ist zufrieden, die Band ist zufrieden und die drei Rocker werden noch lange bejubelt. Direkt nach dem Gig stehen sie schon wieder am Merch-Stand, unterhalten und blödeln mit den Gästen und geben fleißig Autogramme. Das ist Kundenwerbung an der Basis. Keine Berührungsängste und viel Spaß mit ihren Fans haben. Das ehrt die Band und macht sie noch sympathischer, als sie sowieso schon ist.

Ich habe es nicht bereut, nach Lorsch gefahren zu sein. Es war ein gelungener Abend mit Ohrenfeindt und ich kann euch allen nur empfehlen: Wenn Ohrenfeindt in der Nähe sind, geht hin und schaut sie euch an. Ihr werdet es nicht bereuen!!!

Setlist:
'N Job in der Bank
Zu jung, zu schnell
Rock'n'Roll Mädchen
Nicht die Nerven verlieren
Ein allerletztes Mal
Motormädchen
Spiel mit dem Feuer
Kalter Kaffee
Traurig aber wahr
Was der Doktor mir verschrieben hat
Sie hat ihr Herz auf St. Pauli verloren
Alles auf Rot
Guitar Solo
Schwarz auf Weiss
Es wird Tag auf St. Pauli
Parasit incl. Harp Solo
Zum Rocken geboren
Rock'n'Roll Sexgott
Harley-Luja
Ohrenfeindt

Line-up:
Chris Laut (Bass, Gesang, Mundharmonika)
Dennis Henning (Gitarre)
Flash Ostrock (Schlagzeug)