Old Union
Forgiveness Or Permission
Forgiveness or Permission
Old Union sind eine seit 2001 existierende, fünfköpfige Band aus Nashville. Aber halt!
Bevor die kompromisslosen Rocker sich vorzeitig aus dieser Rezension ausklinken, möchte ich dezent darauf hinweisen, dass nicht alles, was aus der Hitfabrik Cashville kommt, etwas mit Mainstream-Country-Pop-Schmalz zu tun hat. Diese CD ist - wenn man sie überhaupt in eine Schublade stecken kann - nämlich eine moderne Southern-Rock-Platte mit einer ganz speziellen souligen Note, kombiniert mit interessanten Lyrics. Oder wie es griffig auf einem Konzertplakat stand: 'Gritty, Raw, Honest Song-Writing Forged in a Furnace of Blues, Soul & Rock 'n'Roll'.
Capito, liebe RT-Leser?
Die Musikliebhaber mit gutem Geschmack in den USA scheinen es langsam zu verstehen, denn Old Union sind in den letzten vier Jahren inzwischen mehr als zu einem Geheimtipp geworden. Auftritte auf großen überregionalen Festivals (u.a. 'Bonnaroo'), gemeinsame Konzerte mit den North Mississippi All Stars, Gov't Mule, Allmans, Black Crowes und positive CD-Kritiken in den einschlägigen Magazinen (u.a. 'Relix', 'Hittin' The Note') machten die Band in der amerikanischen Jam-Band-Szene bekannt.
Bei Auftritten in Nashville helfen gelegentlich solch illustre Gäste wie Jimmy Hall (ja, der ehemalige Wet Willie-Frontman, nicht sein Namensvetter von den weltberühmten Stillwater) und Mitglieder der Charlie Daniels Band (CDB) aus. Ein paar Country-Elemente sind vorhanden auf der CD, aber die überwiegen nicht. Zu weiteren Gastbeiträgen auf dem Album später mehr, nun zur Band.
Kreativer Kopf von Old Union ist Keyboarder/Sänger Chuck Foster, der die Songtexte zu allen elf Eigenkompositionen schrieb, die Musik hingegen stammt von der gesamten Band. Die beiden Gitarristen Steve Swertfeger und John Zwolensky beglücken uns mit dem, was jeder Southern Rock-Anhänger so gerne mag: zweistimmige Gitarren!
Darüber hinaus spielen sie reichlich Slide, Soli und Fills, die es in sich haben. An den Drums spielt David "Freight Train" Bryndal, der tatsächlich wie ein unaufhaltsam rollernder Güterzug pausenlos, aber auf abwechslungsreiche Weise die Felle bearbeitet. 'Melodie und Rhythmus' könnte auch das Motto des Bassisten Ben Bridges lauten, der den Tieftöner ähnlich wie die legendären Tommy Caldwell, Berry Oakley und Harvey Dalton Arnold oft als Lead-Instrument einsetzt.
Dass diese fünf individuell großartigen Musiker als ein Team wunderbar aufeinander eingespielt sind, verdeutlichen schon die ersten beiden Songs "Stayin'" und "Breakdown Blues", bereichert durch die frisch wirkenden Twin-Gitarren. Frei von altbekannten (Southern-) Rock-Klischees sind auch die Lyrics von Foster, die sich teilweise auf fast schon philosophischen Niveau bewegen und zum Nachdenken anregen. Das sollte aber niemanden abschrecken, denn die Musik ist eingängig. So steht bei "Brother John" die alles vernichtende Slide im Mittelpunkt des Geschehens. Bereits die Songs Nr. 1 und 3 wurden von Selina Robb mit ihren Background Vocals veredelt, betritt für "Last Night's Tomorrow" eine Altbekannte des Soul die Bühne: Bonnie Bramlett!
Jawohl, das ist die Dame, die Ende der Sechziger bis Anfang der Siebziger als Teils des Duos Delaney & Bonnie für Furore gesorgt hatte, um dann ein paar Jahre später bei 'Capricorn Records' 3 Alben aufzunehmen, auf denen beinahe alle Mitglieder der Allmans gastierten. Nun, sie hat es gesangstechnisch immer noch drauf und shoutet bei den Refrains den ansonsten hervorragenden Sänger Chuck Foster in Grund und Boden. Sowas nenne ich Soul! Auch sonst ist die gute Bonnie zur Mentorin der Band geworden, so waren sie 2004 gemeinsam auf Tour. Die beiden Axtschwinger hauen im gleichen Song das nächste geniale Twin-Gitarren-Thema heraus und spielen das beste Dickey Betts-Solo, den der altehrwürdige "Ramblin' Man" so nicht mehr drauf hat. Capito, liebe RT-Leser?
"Far Away" ist ein feiner Country-Rocker, der gut auf "Long Hard Ride" oder "Searchin for A Rainbow" der Marshall Tucker Band gepasst hätte. Der Unterschied ist nur, dass nicht der 1993 verstorbene Toy Caldwell, sondern Steve Swertfeger an der Steel-Gitarre sitzt und anstelle von Paul Hornsby eben Chuck Foster in die Pianotasten haut.
Ach ja, da wäre noch die um Klassen bessere Produktion. Nach dieser kurzen Erholpause holt uns "Steady Hand" auf den Boden der Tanzfläche zurück! Der Song klingt wie der Zwilling zum Dan Baird-Klassiker "Julie + Lucky" mit dem dazugehörigen "chicken pickin'" und Honky-Tonk-Piano. Um es mal in einem Wort leicht verständlich zusammen fassen: Boooooogie!
"Music Row" rechnet boshaft-ironisch mit der Trashville-Szene ab, bei dem die Geschichte über einen alten Mann eingeflochten wird, der in Nashville 1971 einen Hit hatte, dessen einziger Lohn nur noch Weinflaschen sind. Das ganze wird stilistisch passend in einen Country-Song verpackt.
Bei "Where Does It End" kann man verschiedene Saxofone - auch ein wunderschönes Solo - des Gastspielers Chris West hören, um uns dann mit dem Bläser-Quartett seiner Half Brass Band beim Titelstück zu überraschen, dazu gesellen sich noch dieser unglaublichen Groove und die funky Gitarren! New Orleans-Dixieland meets Soul meets Little Feat meets The Radiators.
Zum Schluss gibt es eine kurze Ballade, die nur vom Piano begleitet wird. Wer danach wie ich immer noch nicht genug von diesem wunderbaren Southern-Soul-Rock-Amalgam hat, besucht die Homepage der Band, hört sich die kostenlosen, z.T. jammigen Live-Nummern an oder schaut die Videoclips an. Neben drei Covern (zweimal J.J. Cale und einmal Freddie King) gibt es vier Eigenkompositionen (schon wieder geniale Twin-Gitarren auf "Drifters Prayer"!), die auf der CD nicht enthalten sind und die Erwartungen für die zweite Veröffentlichung der Band eindeutig höher schrauben lassen. Die neue Platte sollte bald kommen, denn die Jungs waren im Herbst wieder im Studio.
Also bitte reinhören, oder noch besser, gleich kaufen! Capito, liebe RT-Leser?


Spielzeit: 55:25, Medium: CD, Stonewall Records, 2003
1:Stayin' 2:Breakdown Blues 3:Brother John 4:Last Night's Tomorrow 5:Far Away 6:Steady Hand 7:Music Row 8:Where Does It End 9:Waitin' 10:Forgiveness Or Permission 11:Granddaddy's Shoes
Janos Wolfart, 18.02.2006