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Oleg Pissarenko / Prii Lapse Ilm : Free Child World
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Ob man die grenzenlosen Weiten des Baltikums, die wie Himmelstränen in die Landschaft getupften Seen, die endlosen Wälder, die von streifen Prisen getriebenen, tief hängenden Stratocumuli oder die einzigartigen, schnurgeraden Alleen gesehen haben muss, um Oleg Pissarenkos Musik zu verstehen? Nicht zwingend, aber es hilft ungemein. Sie strotzt geradezu von der Kraft dieser Stille, vereint und bündelt sich in ihren Weiten, mäandert weich und mächtig zugleich dem alles Vereinenden entgegen...
In seiner estnischen Heimat, im gesamten Baltikum und allen angrenzenden Regionen ist der klassisch geschulte Gitarrist Oleg Pissarenko nicht nur bekannt wie ein bunter Hund, sondern obendrein so etwas wie ein nationales Kulturgut - einer, der das folkloristische Erbe und den mystischen Volksglauben Estlands mit auf Minimalismus reduziertem Jazz und der zerbrechlich-zarten Schönheit der Ambient Music verbindet.
Endlich - mit weit über zehn Jahren Verspätung - nimmt man nun auch in unseren Breiten von dieser einzigartig grenzenlosen, überaus meditativen Musik Notiz, die so einfach und doch so schwer zu beschreiben ist. Oleg Pissarenko wandelt irgendwo zwischen der zeitgenössischen Klassik seines Landsmannes Arvo Pärt und dem atmosphärischen Post- und Alternative Rock der 'Nordmannen' Sigur Rós einher. Mit dem vorliegenden zweiten Werk, das wir besprechen dürfen, muss ich als (hinkenden) Vergleich erneut Pat Metheny bemühen: Auch "Prii Lapse Ilm : Free Child World" bewegt sich wieder zwischen dessen Frühwerken "New Chautauqua" und "As Falls Witchita Falls So Falls Witchita Falls".
"Prii Lapse Ilm : Free Child World" erschien bereits vor fünf Jahren im Baltikum und wird nun erstmals - Sireena Records/Shack Media sei Dank - in Deutschland aufgelegt. Es handelt sich um die Aufzeichnung eines Radiokonzertes vom 12. Mai 2009, das im estnischen Rundfunk ausgestrahlt wurde.
Es ist genau dieselbe Besetzung wie beim aktuellen Album, Kes Sa Oled, zu Gange - eine Quartettformation, die hör- und fühlbar seit vielen Jahren eingespielt ist. Pissarenko selbst greift ausnahmslos zur Akustischen, während Mihkel Mälgand zwischen E- und Kontrabass - mal gezupft, mal gestrichen - pendelt. Erneut zeichnet Raun Juurikas an Piano, Hammond und diversen Synthesizern für die ganz speziellen, die besonders magischen Momente verantwortlich. Die Drums von Ahto Abner kommen nicht in allen Stücken zum Einsatz. Oft setzt er nur dezente perkussive Tupfer. In "Elementaarne", "Nad Elavad", dem Titelsong und "Fundamentaalne" erscheint aber - Dank der etwas rockigeren Ausrichtung - der Einsatz des vollen Schlagzeugs mehr als angebracht. Gerade "Nad Elavad" ist es dann auch, das als einziges der elf Stücke für 'songorientierte' Ohren ausgelegt ist und über straffe Strukturen verfügt. Alle anderen sind - mal länger, mal kürzer - eher offen gestaltet, lassen Emotionen aller Art fließen...
Manchmal scheint es, als ob die Oleg Pissarenko Band mittels Klangfarben ein buntes, endlos weites Gemälde auf eine musikalische Leinwand schichten würde. Die 'Pinselführung' ist eher sanft und erfolgt in großen, weich geschwungenen Bögen. Die 'Farben' fließen ineinander, verschwimmen den Emotionen des 'betrachtenden' Hörers gleich... Die transportierte Energie, die in dieser 'Kraft der Stille' liegt, ist durchgängig positiver, substanzieller Art. Gleichzeitig vermag sie die Sinne zu erfrischen, wie ein eiskalter, klarer Gebirgsbach (man höre das munter plätschernde "Elementaarne"), oder kann bei der Suche nach der inneren Mitte behilflich sein ("Pisar")... Jedes einzelne Stück könnte man jetzt hier wortreich zerreden und damit zerstückeln - "Prii Lapse Ilm : Free Child World" muss man hören! In besinnlich-stillen Stunden... Oleg Pissarenkos hat hier ein weiteres kompositorisches Meisterwerk, ein überaus ambitioniertes obendrein, vorgelegt. Es bleibt zu hoffen, dass die Leute von Sireena auch die anderen älteren Alben dieses großartigen Musikers für uns neu auflegen!
Line-up:
Oleg Pissarenko (acoustic guitar) Raun Juurikas (keyboards) Mihkel Mälgand (bass, double bass) Ahto Abner (drums, percussion)
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