Orcus Chylde / Same
Same Spielzeit: 48:41
Medium: CD
Label: World in Sound, 2012
Stil: Retro Rock / Psychedelic

Review vom 03.11.2012


Jochen v. Arnim
Retro-Sound ist ja in der Tat angesagt. Aus allen Ecken und Enden schießen Bands und Scheiben unterschiedlicher Genres aus dem Boden. Sei es nun Prog, Doom, Psychedelic oder was auch immer, man kommt mittlerweile nicht mehr dran vorbei und wer auf so etwas steht, der hat im Moment viel Gelegenheit zum Geldausgeben. Auch das Sextett Orcus Chylde aus Aschaffenburg hat sich diesem Sound verschrieben und gerade sein Debüt auf den Markt gebracht. Seit dem Herbst 2009 spielt man unter dem äußerst passenden Namen zusammen und ist neben den Aufnahmearbeiten auch noch ganz aktiv auf Tour gewesen. Ihre Einflüsse bezieht die Band nach eigenem Bekunden aus dem Sound der Siebziger, dem Prog Rock, dem Doom und logischerweise auch dem sog. Psychedelic Rock - Witchcraft lassen grüßen. Das alles zusammen macht es schwierig, eine punktgenaue Klassifizierung hinzubekommen, aber der versierte Leser weiß, mit den Angaben der Eckpunkte genügend anzufangen.
Acht Songs auf knapp 50 Minuten, alles im handlichen Digipack mit knappem Booklet, nun ja, Faltblättchen mit Texten, ohne großartige Ausführungen oder haufenweise Fotos - das Anliegen scheint klar: die Musik. Und die hat es wahrlich in sich, das ist keine plätschernde Hintergrundmucke (hat wohl auch keiner erwartet). Da musst du dich richtig reinhören und es erschließen sich dir energiegeladene Sphären ohne Ende. Getragen wird das gesamte Werk von Keyboards und Gitarren, die sich in ellenlangen Läufen ergehen. Zählt man dann noch diesen, auf Jam Rock-Endlosschleife eingestellten Bass dazu, dann haben wir schon die perfekte Basis an Soundteppich. Manch ein Song ist getragener und verhalten im Tempo, andere dagegen rocken schon richtig ab. Dazu gehört unbedingt und ohne Einschränkung der zweite Track des Albums, "Valley Of Thorns". Für mich fast schon das Paradestück der Band, mit dem Freisetzen von Assoziationen in alle möglichen Stilrichtungen, sprich Zeiten, die längst vorbei sind. Das beinhaltet auch den Rhythmus- und Tempowechsel hin zum sehr Sanften, das dann wieder von einer tollen Keyboardeinlage zum Gasgeben animiert wird. Gitarren mit Effektgeräten gehören ebenso dazu wie die wabernde Orgel.
Der Titelsong ist dann so ein Stück, das gut zwei oder drei Durchläufe abverlangt, um seine gesamte kompositorische Vielfalt zu enthüllen. Schlagt mich ruhig, aber ich muss an einigen kurzen Stellen immer wieder mal an die alten Jefferson Airplane zu Zeiten von Alice und dem weißen Hasen denken. Danach geht es auf der Akustischen weiter, Tempo zurückgenommen, leichtes Riff, ein paar Beckenklänge und zwischendurch einige Akkorde von den Kollegen auf der elektrischen Gitarre und an den Tasten. Es folgt für meine Begriffe der nächste Anspieltipp: "Over The Frozen Rivers" wird eingeleitet von Windgeräuschen, die sich durch die Orgel ablösen lassen, bevor dann schnell der Gesang einsetzt. Angezogene Handbremse ist anfangs angesagt, aber das Tempo kommt so sicher wie das Amen in der Kirche und wir bekommen ein berauschendes Finale geliefert. Slawischer (?) Sprechgesang löst beim sechsten Track die ansonsten englischen Texte für ein sehr kurzes Intermezzo ab, bevor man uns im Anschluss wieder recht heavy mit einem Gitarrenintro zu "Quiet Walls" bedenkt. Sobald der Gesang einsetzt, durchzucken erneut kurze Blitze mit dem Konterfei Grace Slicks mein Hirn. Nicht, dass Frontmann Tobias Ritter eine Frauenstimme hätte, aber irgendwo sehe ich ganz subjektive Parallelen.
OK, Debütalbum gelungen. Manch Ecke und Kante darf noch bearbeitet werden, aber ich könnte mir vorstellen, dass Orcus Chylde Potenzial genug haben, sich dem fatalen Treibsand des zweifelsohne entstehenden Retro-Sumpfs zu entziehen vermögen. Die Scheibe hat einige ganz starke Songs (vgl. Anspieltipps!!), bricht aber auch an zwei oder drei Stellen etwas ein, wobei ich das nicht auf komplette Tracks bezogen wissen möchte, es sind eben nur punktuelle Dinge. Der Retro-Sound ist allemal geglückt und man kauft den Jungs ihr Anliegen uneingeschränkt ab.
Line-up:
Tobias Ritter (vocals)
Lukas Kunkel (guitar)
Nico Rausch (guitar)
Dejan Zivkovic (bass)
Felix Gellrich (organ)
David Neuendorf (drums)
Tracklist
01:The Day The Seventh Angel Came
02:Valley Of Thorns
03:Orcus Chylde
04:As Time Will Bury Us All
05:Over The Frozen Rivers
06:U Lme/In The Name Of
07:Quiet Wally
08:Cold Man
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