Spielzeit: 78:38 Medium: CD Label: Essential Jazz Classics, 2013 (1962) Stil: Jazz Review vom 04.05.2013 Wolfgang Giese

Oscar Peterson oder Art Tatum, wer ist hinsichtlich der umwerfenden Technik der bessere Jazzpianist? Darüber mögen sich einige 'Gelehrte' streiten, für mich steht fest: Beide waren einzigartig und hervorragend, aber nicht nur pure Techniker, sondern auch mit einer ganzen Menge Feeling ausgestattet. Dieses stellte Peterson meist im Trioformat zur Schau, dafür ist er grundsätzlich auch eher bekannt. Bei den vorliegenden Aufnahmen hört man ihn allerdings in einem für ihn ungewöhnlichen Umfeld, ist ihm und seinen beiden Mitstreitern an Bass und Schlagzeug doch eine 'fette' Big Band zur Seite gestellt worden. Wo wir gerade beim Bassisten sind: Seinerzeit war das Ray Brown und diese Wiederveröffentlichung von Petersons "Bursting Out" ist gekoppelt mit einer Platte des Bassisten, beide übrigens aus dem Jahr 1962. Eine fast identische Besetzung findet sich bei Brown und seiner All-Star Big Band.

Doch zunächst zum ersten Album. Wie gewohnt in kleinem Rahmen startet Oscar mit "Blues For Big Scotia", bis bei etwa Minute 1:25 die Big Band einsetzt, ganz sanft und dezent erst einmal - dann mit einem plötzlichen Volleinsatz. Die Arrangements sind nie übermäßig aufgeblasen oder aufdringlich, sie umschmeicheln vielmehr das brillante Spiel des Pianisten und seiner Band und lassen seinen Soli reichlich Spielraum, füllen vielmehr Zwischenräume aus. Die Arrangements sind, auf beiden Platten übrigens, hervorragend vom Arrangeur Ernie Wilkins umgesetzt worden. Aus den Reihen der Big Band gibt es allerdings auch kurze Solobeiträge. Wäre ja auch zu schade, wenn das nicht so wäre, gerade angesichts der Riege hochkarätiger Musiker. So dürfen wir Beiträge von Cannonball Adderley und James Moody genießen.

Unter den neun Titeln gibt es nur eine Eigenkomposition des Pianisten und es ist sehr interessant, die mir bekannten Stücke einmal in einem neuen, weiteren Umfeld zu genießen. Ja, von einem Genuss ist mit Sicherheit zu sprechen. Der "West Coast Blues" des Gitarristen Wes Montgomery klingt so ganz anders als die mir so vertraute Originalversion. Immer warte ich auf den Gitarreneinsatz und bemerke dabei, dass dieses Arrangement auch ohne diesen bestens gelungen ist. Der Focus ist bei allen Titeln natürlich auf das Piano gerichtet und weil Peterson so musikalisch ist, verwandelt er jede Coverversion in seine eigene. "Here's That Rainy Day", diese so oft gespielte Ballade, fasziniert mich in dieser Interpretation sehr, dieses perlende Pianosolo vor dem gedämpften Big Band-Hintergrund. Das ergänzt sich so perfekt - es ist eine Freude, jedem Ton zuzuhören! Die schnellen Tempi überwiegen jedoch und gipfeln in einer feurigen Version eines Titels von Dizzy Gillespie, "Manteca".

Mit einem sehr bekannten Thema, dem "Work Song" von Nat Adderley (unter anderen hat sich sogar außerhalb des Jazz Paul Butterfield dieses Songs angenommen) startet die Session von Ray Brown, bei der auf dem Pianoschemel nun abwechselnd Hank Jones und Tommy Flanagan sitzen. Auch der Drummer ist ein anderer, die Big Band etwas dünner bestückt, aber im Großen und Ganzen bleibt die Atmosphäre in etwa die Gleiche, nur dass nun ab und zu verstärkt auch mal ein Basssolo zu hören ist. Hinzu kam ein weiterer Bassist, denn Brown wechselte bei drei Titeln zusätzlich zum Cello. "Work Song", ein grandioser Einstieg, mit einem Solo des Komponisten persönlich. Doch auch die folgenden Titel halten sich hinsichtlich ihrer Klasse nicht zurück und geben ein klares Abbild der hervorragenden Jazzszene jener Tage.

Auch hier ist eine wunderschöne Ballade zu hören: das die Seele wärmende "My One And Only Love" mit einem vom Bass geführten Thema. Auf bluesiges und hart swingendes Ambiente treffen wir immer wieder und es ist schon hervorstechend, dass der Bass nicht nur als reines Begleitinstrument agiert, sondern sich als Themengeber in den Vordergrund spielt. Wunderbar auch das eingeflochtene Zwiegespräch zwischen Brown und Cannonball Adderley auf "Day In, Day Out", bis sich mit einem alternativen Take des ersten Stückes der wunderbare Reigen schließt. Beide Platten sind ein großartiger Hörgenuss, von Könnern für Kenner gestaltet.

Line-up:
Oscar Peterson (piano #1-9)
Ray Brown (double bass, cello - #12,16,18)
Ed Thigpen (drums - #1-9)
Nat Adderley appearing as Nat Brotherly (cornet)
Roy Eldridge (trumpet - #1-9)
Jimmy Nottingham (trumpet - #1-9)
Ernie Royal (trumpet)
Snooky Young(trumpet - #1-9)
Clark Terry (trumpet, flugelhorn)
Jimmy Cleveland (trombone)
Paul Faulise (trombone)
Slide Hampton (trombone - #1-9)
Melba Liston (trombone)
Britt Woodman (trombone)
Ray Alonge (french horn - #1-9)
Jim Buffington (french horn - #1-9)
Willie Ruff (french horn - #1-9)
Morris Secon (french horn - #1-9)
Julius Watkins (french horn - #1-9)
Don Butterfield (tuba - #1-9)
Cannonball Adderley appearing as Jud Brotherly (alto saxophone)
Norris Turney (alto saxophone - #1-9)
James Moody (tenor saxophone - #1-9)
Jerome Richardson (tenor saxophone, piccolo, flute, bariton saxophone)
George Dorsey (baritone saxophone - #1-9)
Seldon Powell (baritone saxophone, tenor saxophone)
Earl Warren (alto saxophone - #10-19)
Budd Johnson (tenor saxophone - #10-19)
Yusef Lateef (tenor saxophone, flute - #10-19)
Tommy Flanagan (piano - #10,11,13-15,17,19)
Hank Jones (piano - #12,16,18)
Sam Jones (bass - #12,16,18)
Osie Johnson (drums - #10-19)
Ernie Wilkins (conductor, arranger)
Al Cohn (arranger - #12,13,17)