Kaum zu glauben, aber wahr: Tobias Geberth und Leon Ackermann, Freunde seit Kindertagen, begannen in ihrer Heimatstadt Heidelberg mit Blues Rock. Einen bleibenden Eindruck hat das offensichtlich nicht hinterlassen, denn seit die beiden in Berlin Musikwissenschaften studieren, haben sie sich eindeutig dem Progressive Rock verschrieben. Aber so etwas von 'mit Haut und Haaren', dass man den Bluesrocker darunter nicht einmal mehr erahnen kann. Wie das Leben so spielt...
Mit Osta Lcve liefern die jungen Musiker bereits - nach einer EP - ihr Zweitwerk ab. Und der Bandname scheint Programm zu sein: Das 'o' in 'Love' ist zerbrochen, so wie offenbar der Glaube beider an eine bessere Zukunft für die Menschheit. Die 'Dystopie', die im Mittelpunkt dieses Konzeptalbums steht, ist quasi der Gegenentwurf zu jenem "Utopia", das dem humanistischen Philosophen Thomas Morus (*1478 - †1535) als Idealtypus einer 'perfekten' Gesellschaftsordnung vorschwebte. Die zutiefst pessimistische und deprimierende Botschaft von "Good Morning Dystopia" darf gerne als Weckruf an die Menschheit verstanden werden, die seit etwa zwei Jahrhunderten gnadenlos die Erde ausbeutet und mittlerweile dazu übergangen ist, jegliche Zukunftsperspektiven abzuwracken.
Solche apokalyptischen Visionen neigen zumeist dazu, den warnenden Zeigefinger etwas zu steil gen Himmel zu richten, aber - sind wir schonungslos ehrlich - es ist schließlich bereits fünf nach und schon lange nicht mehr vor Zwölf. Zeit zum Handeln!!
Die musikalische Umsetzung des schwierigen Themas darf man durchaus als anspruchsvoll bezeichnen. Multiinstrumentalist Tobias Geberth und Drummer Leon Ackermann ziehen dabei zwischen Neoprog und New Artrock alle Register und scheuen sich dabei nicht, auch die üblichen Verdächtigen zu zitieren, wenn 'klassische' Prog-Elemente aus den Siebzigern verflochten werden. Die Klanglandschaften sind dabei mit hintergründiger Symbolik wie ein Ölgemälde von Hieronymus Bosch befrachtet und mäandern zwischen barocker Opulenz, zerbrechlichen Ziselierungen und nüchterner Klarheit. Die gesanglichen Phrasierungen erinnern dabei frappierend an einen David Gilmour, aber genau hier liegt - nach meinem Dafürhalten - die (einzige) Schwäche von "Good Morning Dystopia". Tobias Geberths Stimme scheint im Ausdruck nicht prägnant genug und weist einen eher geringen Umfang auf. Bei einigen Stücken ist das stimmig bzw. fällt dort nicht weiter ins Gewicht. Osta Lcve sollten es bei künftigen Werken, meines Erachtens nach, ruhig einmal mit stimmgewaltigeren Gästen versuchen - zumindest in den besonders dramatischen Momenten.
Bei einem Konzeptalbum sollte es eigentlich tunlichst vermieden werden, einzelne Songs aus dem Gesamtkontext herauszubrechen. Aber 'mann' hat halt so seine Präferenzen... Von der dramaturgischen Gestaltung und dem epischen Charakter gefallen mir "Fragile Freedom", "The Guards" und "Insomnia" ganz ausgezeichnet, obwohl gerade beim letztgenannten Titel der Herr Gilmour als Strippenzieher hinter den Kulissen fungiert haben könnte. Die klassisch angehauchten Pianofiguren und vor allem das -solo von Florian Hauss stechen bei "Red Sky" überaus positiv hervor. Das mal perlende, mal 'riffige' "Alienation" und das ruhig dahinfließende "Alaska" konnten sich ebenfalls als Highlights herausschälen. Dagegen lassen gerade die Ein- und Ausleitungen, leicht phantasiearm "Prologue" und "Epilogue" betitelt, den Spannungsauf- und -abbau etwas vermissen. Hier hätte etwas mehr Biss und 'Grip' gutgetan.
Unterm Strich kann man Osta Lcve trotzdem ein gut gemachtes Album, das erste in voller Länge, bescheinigen. "Good Morning Dystopia" darf (und sollte) von der großen Prog-Gemeinde mit Wohlwollen goutiert werden.
Line-up:
Tobias Gebereth (vocals, guitars, bass, keyboards, string arrangements)
Leon Ackermann (drums, percussion)
Guests:
Gregori Nicolai (bass - #2)
Florian Hauss (piano solo - #5)
Sarah Gretsch (spoken voice - #8)
Tracklist |
01:Prologue (4:51)
02:Fragile Freedom (5:36)
03:Alienation (4:34)
04:Subway (5:13)
05:Red Sky (4:59)
06:Insomnia (6:12)
07:The Guards (9:27)
08:Alaska (4:45)
09:Shine (4:38)
10:Epilogue (3:42)
|
|
Externe Links:
|