Paatos / V
V Spielzeit: 38:00
Medium: CD
Label: Glassville Records, 2012
Stil: Art Rock, Pop

Review vom 12.04.2013


Ingolf Schmock
Unter Umständen scheint es wohl vonnöten, dass einige Bands am Scheideweg ihrer musikalisch-konzeptionellen Ausrichtung sowohl eine digitale Rückschau und gleichfalls Neuorientierung, als auch künstlerisches, auf die Bedürfnisse eines Popbetriebes abgestimmten Seelenstriptease abliefern. Seinerzeit von zahlreichen Medien als spannendste Entdeckung nordischer Rockstreber gefeiert, vermochten vier smarte Schwedenjungs und jene mit sinnlichem Namenszug gezierte Sangeselfen mit einigen durchaus stilistisch expandierenden sowie zeitgeistgerechten Tonträgern aufzutrumpfen.
Zu Beginn dieses Jahrtausends starteten unsere mit reichlich handwerklichem Erfahrungsschatz ausgestatteten Helden ihr kühnes Bandunternehmen mit dem kreativen Motor im Rücken und bewarben ihr eindringliches Beieinander von kunstvollen Postrock-Versatzstücken und getragener Pop-Melancholie nebst deren musikalisch geschmeidiger Quintessenz. Die für ihre künstlerische Überzeugung alles bezeichnende, einst von Aristoteles definierte Begrifflichkeit geleiteten Paatos nicht nur zum maßgeschneiderten Bandnamen, sondern zu den ersten hart erarbeiteten Goldsporen bei internationalen Kritikinstanzen.
Petronellas vorwiegend von recht eigenwilligen Gesangs-Feministinnen beeinflusster Werdegang und ihre frühzeitig mit progressiven und volkstümlichen Rockelementen genährten Begleiter scheinen nun, nach einigen musikalisch eklatanten Metamorphosen und kontinuierlich lauter werdenden Studiogeburten, am Schicksalsweg hin zu befestigteren Ufern angelangt. Schon mit der letzten Veröffentlichung signalisierten die Stockholmer ihren schöpferischen Drang nach mehr funkelnden Indiegitarren und zartbitterem Sangeszauber, ließen flüchtig sogar genügend Momente sympathischer Pop-Skizzierungen aufblitzen. Es hat den Anschein, der Schleier aus sakraler Schwermut und kunstvoll sediertem Rockmix habe sich verflüchtigt und die Protagonisten pflegten ihr Gusto weniger brüchig und uneintütbar, dafür mit mehr Dampf auf dem Indie-Ventil und dem Hauch feinjustierter Pop-Fragilität.
So dient das aktuelle musikalische Lebenszeichen der Schweden doch mehr einer Bestandsaufnahme bisheriger Erhebungen und gleichwohl als Quo Vadis künftiger Taten. Auf ihrem schlicht mit "Fünf" betitelten Machwerk jedenfalls setzen Paatos alles auf die über alle Genres erhabene Allzweckwaffe verdutzender Song-Hybriden, dominieren sowohl erdigere und weihrauchvernebelte als auch sanft akustische und synthetisch laborierende Elemente die gewohnt eindringlichen Songgeflechte. So manifestieren die Musiker in der ersten Halbzeit zunächst ihre starken Seiten mit souverän gebauten und kunstverheißungsvollen Rock-Charakteristika. Wohl selten verbanden sich Petronellas sehnsuchtslechzender Gestus mit der griffbrettgestärkten Schärfe altgedienter Mattenträger sowie kuschelige Pop-Attitüde mit gravitätischer Prog-Zierde so perfekt.
Die Verlängerung hingegen entführt den Konsumenten einerseits in ländliche Heilswelten naturgedüngter Gebrauchsfolklore und jene Tage, als die blutjungen Musiker noch heimatsprachlich und mit nordischen Volksweisheiten durchs lichtarme Skandinavien tingelten. Andererseits dröhnen elektroätherisches Trip Hop-Phlegma und technoides Tanzboden-Gestampfe zum finalen Hörterror.
Zweifelsohne sind Paatos kompromisslose Perfektionisten mehr noch musikalische Konfektionsverweigerer und hätten dieses etwas mit Spielzeit geizende Tondokument lässig mit Neuem, anstatt mit auffrisierter Füllmasse komplettieren können. Dennoch vermag selbst ein Liebhaber gespreizter Rockkapriolen an dieser Stelle nicht, sich gänzlich dem hypnotischen Bannkreis aus maschinellen Sounds und distanziert innigen Gesängen zu entziehen und nichtsdestominder berauschen zu lassen.
Längst haben sich die einstigen Aufstreber unabhängiger Musikgebaren ihrer Agenda der antikommerziellen Standesdünkel entledigt und den schmalen Grat zwischen schwereloser Rock-Ästhetik und formvollendetem Mainstream erfolgreich, besser noch popularitätssteigernd, beschritten. So wirft das zweigeteilte Werk einen langen Schatten auf Kommendes, mag dieses nun die Dichotomie von kühler Technik und berückenden Traurigkeitsemphasen oder suizidale Gitarrenseligkeit ausfüllen, beides stünde der vom musikalischen Forscherdrang getriebenen Fünferbande unumwunden passabel und ohne Schamesröte zu Gesicht.
Unter Mangelerscheinungen an Originalität und hörhungrigen Verbrauchern dürften unsere eigensinnigen Helden auch künftig nicht leiden, egal welche dunkle oder lichtere Biegung ihrer bisherigen Passion diese wohl erwählen mögen.
Line-up:
Petronella Nettermalm (vocals)
Peter Nylander (guitars)
Ulf 'Rockis' Ivarsson (bass)
Mikael Nilzen (keyboards)
Hux Nettermalm (drums, percussion)
Tracklist
01:Feel
02:Desire
03:Cold War
04:Into The Flames
05:Tea (re-recorded)
06:In Time (re-recorded
07:Precious (re-recorded)
08:Your Misery (re-arranged/remixed)
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