Pallas
24.01.2006, Reichenbach, Bergkeller
Pallas
Es ist immer wieder verwunderlich, wie das Reichenbacher 'Bergkeller'-Team, mit ihrem Chefkoordinator Uwe Treitinger es schaffen, die namhaften Musiker-Größen aus dem weiten Bereich der progressiven Rockszene, für einen intimen Auftritt in dessen Lokalität zu bewegen.
An diesem besagten Abend gab sich in einem gut besuchten Hause die 'Graue Eminenz' der schottischen Musikszene Pallas ein Stelldichein, um einen Sonderauftritt neben ihrer laufenden Tour (sonst mit Proto Kaw im Vorprogramm) anzupreisen.
Pallas gelten immer noch als eine der wichtigsten Galionsfiguren des symphonischen Progrocks oder Neoprog der 80er Jahre. Wobei die Bezeichnung 'Neoprog' von den betreffenden Musikern nicht gern vernommen wird, da dieser Sub-Begriff den hässlichen Ruf angeblicher Genesis-Epigonen anhaftet.
Pallas Tatsächlich wurden die Musiker von frühen Yes, Rush oder Led Zeppelin beeinflusst.
Die Historie reicht bis ins Jahr 1974 zurück, als Bassist Graeme Murray mit seinem Mitschüler Mike Stobbie, der die Tasteninstrumente bediente und drei weiteren Freiwilligen in Aberdeen seine Gruppe Rainbow formierte, die sich drei Jahre später in den Beinamen der Athene, der griechischen Göttin der Weisheit, Wissenschaft und Künste Pallas umbenannten.
Angetrieben von ihrer Vorliebe für zuckersüße Melodien wie es die Zeitgenossen Marillion, IQ oder Twelfth Night praktizierten, kristallisierte sich über einen gehörigen Zeitraum der eigene Stil heraus.
Mit ihrem bombastischen Sound, treibendem Schlagzeug und den aggressiven Gitarren- Linien entwickelten sie einen Sound, der komplex genug war, Ur-Fans des britischen Prog zu überzeugen, aber auch vom Mainstream geprägt war, um Konsumenten des laufenden New Wave nicht zu verschrecken.
Als Quintett nahmen sie 1981 ein Live-Demo ("Arrive Alive") auf dem Mini-Label 'Granite Wax' auf, dass den Herren ein positives Presseecho einbrachte.
Die anschließende Plattenveröffentlichung auf einem anderen Label bescherte den Musikern 1983 im Britischen Königreich sogar monatelange Chartplatzierungen.
Pallas Sicherlich sorgten dabei auch die theatralischen Gabriel'schen Livedarbietungen ihres damaligen exzentrischen Sängers Euan Lawson, um das Promotion- Karussell anzukurbeln, für Aufsehen. Sie ergatterten einen lukrativen Plattendeal bei der 'EMI' und absolvierten den größten Auftritt in der Bandgeschichte, beim 'Reading Festival' vor 25.000 Zuschauern.
Das vom legendären Eddie Offord (Yes, ELP) produzierte Album ("The Sentinel", 1983) zählt heute zweifelsohne noch zu den Meilensteinen des britischen Symphonic-Prog.
Während Bands wie Marillion frühe Erfolge feierten, mussten sich Pallas trotz des beachtlichen Mittachtziger-Outputs und ihren spektakulären Shows, immer mit einem Platz in der zweiten Reihe begnügen und kamen deshalb ziemlich spät in Schwung.
Nach der Trennung von ihrem Sänger schalteten die restlichen Musiker eine Zeitungsanzeige und wurden auch bald fündig. Der neue Frontmann Alan Reed, der vorher seine Stimmbänder bei den Schotten Abel Ganz betätigte, brachte erfrischende Rockakzente in die Band, ohne jemals seinen Vorgänger zu kopieren.
Pallas Nach Tourneeaktivitäten und einer EP-Veröffentlichung, beglückten Sie mit einiger Verspätung seitens der Plattenfirma, die Progverbraucher mit einer, von eher kürzeren mainstreamigen Rocksongs bestimmten Langspielplatte ("The Wedge", 1986), welche sich innerhalb Europas recht gut verkaufte.
Trotzdem kündigte die Band wegen Promotionproblemen den 'EMI'-Vertrag, um nach erfolgloser Neusuche, vierzehn Jahre von der Bildfläche - von ein paar schwachen Lebens- Zeichen in wechselnden Besetzungen abgesehen - zu verschwinden. Reed sang sogar noch ein Studioalbum mit seiner früheren Band Abel Ganz ein.
Erst 1998 bekundeten die Herren wieder ihre Lust ins Studio zu gehen, um das rockige "Beat The Drum"aufzunehmen, welches sie auch wieder mit Konzerten quer durch Kontinentaleuropa führte. Mit dem neuen engagierten 'InsideOut'-Label im Rücken, legte das Quintett einen Live-Output sowie das starke, konzeptionell angelegte Werk "The Cross And The Crucible" vor, das ein ergiebiges Soundgemisch aus Moderne und atmosphärischer Retrospektive darbot.
Pallas sind mittlerweile mit ihrer neuesten Scheibe "Dreams Of Men" aus dem Schatten so mancher Genreikonen herausgetreten.
Pallas Bassist Graeme Murray bemerkte dazu: "Es besteht immer die Verlockung, CDs am laufenden Band zu produzieren, und viele tun das auch - sie schreiben zwei, drei gute Songs und stopfen den Rest der CD mit Füllmaterial. Nach einem Ausnahmealbum wie "The Cross" wollten wir jedoch nicht in diese Falle tappen. Nenn' es pingelig, aber das ist immer noch besser als Mittelmaß unters Volk zu bringen. Qualität braucht eben seine Zeit."
So baute man auch beim Auftritt im 'Bergkeller' überwiegend auf das Songmaterial der letzten beiden Alben, was von der Mehrheit mit Wohlwollen aufgenommen wurde. Die schottische Progrock-Inkarnation um den hyperaktiven Sänger Alan Reed, Bassmonster Graeme Murray, Gitarrist Niall Mathewson, Tastenvirtuose Ronnie Brown und Schlagzeuger Colin Fraser entwickelten mit dieser Besetzung genau jene Bühnenpräsenz, die es braucht, um das Publikum vom ersten Ton an in Verzückung zu versetzen.
Pallas Die Protagonisten kamen ohne Umschweife zur Sache, und versprühten eine Aura, der man sich auch im hinteren Teil des Raumes kaum zu entziehen vermochte.
Der furiose Einstieg mit "The Bringer Of Dreams" und "Warriors", beides vom aktuellen Oeuvre, führte den Zuhörer musikalisch in die wunderbare Welt der menschlichen Träume, und sogleich die gesamte Pallas'sche Bandbreite vor Ohren.
Bei ihren vertonten Erzählungen vom griechischen Morpheus oder der wunderschönen keltischen Rhiannon, die Menschen auf dem Rücken eines Schimmels erscheint, scheinen sich die Rockphilosophen mittlerweile künstlerisch mit neuer Blüte zu entfalten.
Pallas Mit sichtbarer Energie und Gelassenheit spielten sich die Herren durch ihren klassischen Stilmix aus druckvollem Hardrock, Folkelementen und polierten Bombastrock. Der von Natur aus etwas klein belassene Frontmann Reed wusste aber geschickt, teilweise auf einem Stuhl stehend, seine Robbie Williams Entertainer-Qualitäten einzusetzen, unterhält dauerposierend und sucht zwischen den Songs immer ein Palaver mit den vorderen Zuschauerreihen.
Bei seinem Gesang unter Livebedingungen wirkte dieser einfach voluminöser als im Studio, betonte die dramatischen Momente, bzw. wusste mit großem Ton und Gespür für den übergeordneten Klangkörper zu gefallen.
Trotzdem ging die Stimme Reeds im instrumentalen Pomp oftmals zu sehr unter, was bei der sakralen Mini-Oper "Messiah" eigentlich eine peinlich banale intonierte Lobpreisung an den 'Herrn', oder per se beim episch überlangen "Invincible" nicht zu überhören war.
Auch wenn das modifizierte Tastengewaber bei den dichten Kompositionen manchmal etwas überwog, wurde der Klangteppich vom begeisterungswürdigen Blackmore 'schen Gitarrenspiel Niall Mathewsons gekrönt.
Pallas Angetrieben von der kraftvollen Rhythmusfraktion und den stakkatoartigen Gitarrenattacken wurde den einzelnen musikalischen Darbietungen immerfort geschickt Dynamik eingehaucht.
Besonders der hart arbeitende Murray malträtierte seinen 'Rickenbacker' und bewies zum Teil auch sein bravouröses gesangliches Talent.
So schafften es die angenehm sympathischen Musikanten, untermalt von einer effektarmen guten Lichtpräsentation, auch die anspruchsvollen Passagen völlig entspannt und ohne jeglichen Ausdruck von Überlegenheit zu meistern.
Wer sich nun auf einen Abend voller Klassiker gefreut hatte, wurde natürlich eines besseren belehrt, aber nicht enttäuscht. Außer den hart-rockenden "The Executioner" aus "The Wedge" und "Cut And Run", als einzige Reminizens an selige The Sentinel-Zeiten, mit dessen herrlich orgastischen Parts, trieb so manchen der anwesenden Progfans die Freudentränen in die Augen.
Leider empfand ich den Lautstärkepegel ein wenig übertrieben, auch wenn es aus baulichen Gründen vor Ort nicht immer einfach zu beschallen ist.
Pallas Nach dem regulären Zugabenteil gaben die sichtlich zufriedenen Schotten bereitwillig, unter dem frenetischen Jubel des vollbesetzten Auditoriums, noch eine entstaubte Version der 81er Singleauskoppelung "Arrive Alive" zum Besten.
Zum Abschluss bereiteten diese noch eine dem Original sehr Nahe kommende Interpretion von "Smoke On The Water" auf, das in seinem Charakter dem Anlass angemessen, doch der diesem Werk innewohnenden Eindringlichkeit keinen Gefallen tat.
Nichtsdestotrotz bekamen die 'Bergkeller'-Pilger an diesem Ort, zu dieser Zeit eine wiedererstarkte rockmusikalische Kostbarkeit bzw. einen 'Fliegenden Holländer' der Schottischen Ur-Progszene hautnah vorgesetzt.
Dieses konzertante Ereignis wird sich mit Sicherheit in die Köpfe der dabei gewesenen Musikliebhaber eingebrannt haben, und dass ist auch gut so.
Setlist:
Pallas 1:The Bringer Of Dreams
2:Warriors
3:The Executioner
4:Ghostdancers
5:Northern Star
6:Beat The Drum
7:Messiah
8:Midas Touch
9:Invincible
10:The Cross And The Crucible
11:Cut And Run
12:Arrive Alive
13:Smoke On The Water



Bilder vom Konzert
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Pallas, 24.01.2006, Reichenbach, Bergkeller
Ingolf Schmock, 21.02.2006