Paradise Lost / Original Album Classics
Original Album Classics Spielzeit: Shades Of God: 52:56
Icon: 50:32
Draconian Times: 48:55
Medium: CD-Box
Label: Music For Nations/Sony, 2012 (1992, 1993, 1995)
Stil: Gothic Metal/Rock


Review vom 06.10.2012


Andrea Groh
Original Album Classics von Paradise Lost? Hm, schon etwas seltsam, denn mit dieser Reihe verbinde ich eher Rock-Klassiker aus den 70ern, meinetwegen noch 80ern. Aber eine (Gothic-)Metal-Band aus den 90ern?
Zumal ich etwas das Gefühl habe, dass es doch 'erst gestern' war als die Fotos von blassen Engländern, von denen berichtet wurde, sie seien so finster, in den Magazinen waren.
Auf das Debüt "Lost Paradise" traf diese Beschreibung wirklich zu. Für damalige Verhältnisse rauer und fieser Doom/Death-Metal. Schon der Nachfolger Gothic war ganz anders, nicht nur wegweisend, sondern gehört auch zu meinen Alltime-Favoriten.
Shades Of GodEs ist natürlich schwer, einen solchen Meilenstein zu überbieten. Paradise Lost machten 1992 wieder einen großen musikalischen Schritt. "Shades Of God" konnte zwar für mich nicht mit dem Zweitling mithalten, ist dennoch eine grandiose Scheibe. Sie steht am Beginn bzw. für den Übergang zu einer wichtigen (und vielleicht sogar entscheidenden) Phase in der Entwicklung der Düster-Briten. Weiter weg von den Doom/Death-Wurzeln, hin zu einem eigenen melancholischen Sound.
Man könnte es so betrachten: Spiegelte "Lost Paradise" noch den Zorn über den Verlust des Paradises und war "Gothic" dann quasi die Erinnerung an die Zeit als Engel, so wirkt die Musik ab "Shades Of God" irgendwie menschlich. Zwar immer noch etwas abgehoben und verträumt, doch wie 'auf der Erde angekommen'. Na ja, vielleicht war das auch nur 'bei einer neuen Plattenfirma angekommen'. Paradise Lost wechselten nämlich zu Music For Nations.
Was mir damals schon im direkten Vergleich zu den Vorgängern auffiel (und mittlerweile auch zu den Nachfolgern): Die Songs auf "Shades Of God" sind größtenteils überdurchschnittlich lang, vier Stück über sieben Minuten. Damit lässt sich langsamer eine sich steigernde Atmosphäre aufbauen als in nur drei bis vier Minuten.
Besonders gelungen finde ich das bei "Your Hand In Mine", mein Highlight auf dieser Scheibe, für mich sogar eines der besten Lieder von Paradise Lost überhaupt. Ah, Gänsehautmomente…
Auch der Gesang von Nick Holmes ist hier sehr gelungen, weil variabel (obwohl ich die Growls von früher ein wenig vermisse).
Ebenfalls hervorheben will (muss) ich natürlich "As I Die". Sehr eingängig mit geschicktem Wechsel von männlichen und weiblichen Gesang, kann man da glatt von einem 'kleinen' Hit sprechen. Wohl nicht umsonst gab es damals dazu einen Videoclip. Kommerziell? Vielleicht. Aber gut. Unverständlich, warum dies nur der CD-Bonus-Track war.
IconEin Jahr später, also 1993, folgte "Icon" und ich war etwas verwundert, dass dieses Mal die musikalische Veränderung kleiner ausgefallen war. Der Stil von "Shades Of God" wurde lediglich verfeinert und weiterentwickelt. Grunzgesang gehörte nun endgültig der Vergangenheit an, auf der instrumentalen Seite wurde das Düster-Epische reduziert und durch Rockigeres ersetzt. So sind die einzelnen Tracks kompakter und melodischer, ansonsten doch ähnlich.
Spricht ja nichts dagegen, wenn eine Band der Meinung ist, ihren Stil gefunden zu haben und diesen nur noch variiert. Gerade Songs wie der Opener "Embers Fire" oder mein Favorit "True Belief" sind gut gelungen, wobei der Rest auch nicht gerade schlecht ist. Mit "Christendom" bekommt "As I Die" eine kleine Schwester und zum Schluss gibt es wie schon zu "Gothic"-Zeiten ein kleines Instrumental ("Deus Misereatur").
Der Erfolg gab Paradise Lost Recht, "Icon" war das erste Album mit Chartnotierung in Deutschland. Es kamen also viele neue Fans hinzu, wobei manche alte etwas enttäuscht waren.
Draconian TimesWem schon bei "Icon" etwas die Innovation und auch das Düstere fehlte, dem sollte es bei "Draconian Times" (1995) nicht besser gehen. Im Gegenteil, die bisherige Linie wurde weiterverfolgt, das Ganze dabei noch etwas melodischer und eingängiger gestaltet. Dadurch wurde die CD als Gothic Rock/Dark Rock eingeordnet, Doom war da nichts mehr.
Was zur Folge hatte, dass die Meinungen auseinander gingen. Fans der Anfangstage (wie ich) fanden es, hm, wie soll ich es nennen - nichtssagend? Es war tatsächlich die erste Paradise Lost, die ich nach Reinhören nicht gekauft habe. Wenn ich gewusst hätte, was noch folgen sollte, nämlich die Pop-Phase, hätte ich weniger gemeckert. Ich fand jedoch die 'harten Zeiten' schon nicht hart, sondern teilweise poppig. Jetzt, da ich sie für das Review nach vielen Jahren Pause wieder höre, geht es mir ehrlich gesagt immer noch so.
Andererseits (oder vielleicht gerade deswegen) wurde hier der Erfolg des Vorgängers gesteigert, die Popularität, die Chartplatzierungen (dieses Mal Deutschland, Österreich, Schweiz und UK für den Longplayer, dazu noch zwei Single-Hits). Für viele gilt die Scheibe bis heute als DAS Paradise Lost-Album überhaupt. Ich kenne einige, für die das die Einstiegs/Kennenlernplatte war. Auch die Band selbst scheint darin ebenfalls einen Höhepunkt ihrer Karriere zu sehen, siehe die Veröffentlichung "Draconian Times MMXI" (Mitschnitt der Tour von 2011 als sie die Scheibe live komplett gespielt haben - ja, dieser Trend war sogar bei den ehemaligen Düsterheimern angekommen…).
Wenn die Briten heute davon sprechen, 'zurück zu alter Stärke' zu gehen, meinen sie damit die "Draconian Times"-Phase bzw. kurz davor. Aus heutiger Sicht ist das eine Steigerung und seit 2005 verfolge und kaufe ich auch wieder das neue Material.
So betrachtet haben wir es hier tatsächlich mit den Bandklassikern zu tun. Also passen sie doch in die Original Album Classics-Reihe.
Daher: Wer Paradise Lost erst später kennengelernt hat und/oder die Originale nicht besitzt, die Sammlung für wenig Geld vervollständigen will und bereit ist, dafür auf Booklets etc. zu verzichten ist mit dieser (wie immer recht schlicht gehaltenen) Box bestens bedient.
Line-up
Nick Holmes (vocals)
Gregor Mackintosh (lead guitar)
Aaron Aedy (rhythm guitar)
Stephen Edmondson (bass)
Matthew Archer (drums on Shades Of God + Icon)
Lee Morris (drums on Draconian Time)
Tracklist
CD 1:Shades Of God
01:Mortals Watch The Day (5:12)
02:Crying For Eternity (7:05)
03:Embraced (4:29)
04:Daylight Torn (7:53)
05:Pity The Sadness (5:05)
06:No Forgiveness (7:37)
07:Your Hand In Mine (7:08)
08:The Word Made Flesh (4:41)
09:As I Die (3:46)
CD 2:Icon
01:Embers Fire (4:44)
02:Remembrance (3:26)
03:Forging Sympathy (4:44)
04:Joys Of The Emptiness (3:29)
05:Dying Freedom 03:44)
06:Widow (3:04)
07:Colossal Rains (4:36)
08:Weeping Words (3:51)
09:Poison (3:00)
10:True Belief (4:30)
11:Shallow Seasons (4:55)
12:Christendom (4:31)
13:Deus Misereatur (1:58)
CD 3:Draconian Times
01:Enchantment (6:04)
02:Hallowed Land (5:03)
03:The Last Time (3:27)
04:Forever Failure (4:18)
05:Once Solemn (3:04)
06:Shadowkings (4:42)
07:Elusive Cure (3:21)
08:Yearn For Change (4:19)
09:Shades Of God (3:55)
10:Hands Of Reason (3:58)
11:I See Your Face (3:17)
12:Jaded (3:27)
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