Parallel Or 90 Degrees / Jitters
Jitters Spielzeit: 43:34
Medium: CD
Label: Omegatunez, 2009
Stil: Progressive


Review vom 16.01.2010


Tom Machoy
Po 90 oder Parallel Or 90 Degrees haben ein neues Album herausgebracht, welches mehr als eine Art Lebenszeichen ist. Sicherlich hatte Andy Tillison eine Menge mit The Tangent zu erledigen. Sicher braucht es Zeit, um großartige Musik zu schaffen - sicher, denn das ist PO 90 hiermit gelungen. Hier stehen nun nicht mehr so die Keyboards im Vordergrund, was mir sehr gut gefällt (denn es gibt vordergründig deutlich mehr Gitarren zu hören) und was sicher auch daran liegt, dass es Veränderungen in der Band gegeben hat. Frau Sam Baine (key), ja sonst auch bei The Tangent, ist gar nicht mehr dabei und auch die Basser haben gewechselt. Matt Clark für Ken Senior, warum? - keine Ahnung. Jedenfalls klingt diese Scheibe reichlich hart und das lässt mich das Ganze von Beginn an richtig genießen. Zumeist sind es Stücke, die sehr kraftvoll daherkommen, fast schon aggressiv, die dabei sehr viel Druck aufbauen und nach Entladung suchen.
Krachend, rockig-proggig beginnt die CD mit "Interlude", das von Beginn an voll unter Strom steht, gitarrendominierter, überaus treibender Sound. Um so mehr überraschend der wunderbare, schon fast romantische Keyboardbeginn in "Standalone" (also, es gibt die Keys doch noch). Jedoch relativieren PO 90 das Tempo gleich wieder in Richtung Geschwindigkeit, schneller und schneller werdend. Sie spielen hier bereits mit Stilen, nach heavy folgt ein kleiner jazziger Teil, fast nicht zu spüren - ein Hauch, nur um sogleich wieder wie irre loszudonnern. Am Ende spielen sie Live-Atmosphäre ein und ein Kurzzeitwecker-Piepen im Titel lässt mich jedes Mal in Richtung Küche schauen, verrückt, nicht?
"Threesome", praktischerweise der dritte Titel, wird noch eine Spur härter angegangen, kantig ist er und eckig, selten zu fassen und in den ruhigen Mittelstücken, einer Art Refrain, bin ich an "While My Guitar Gently Weeps" erinnert. Ziemlich groovend beginnt "Entry Level", Bass und Schlagzeug treiben den Titel, bis die Gitarren und die Keyboards explodieren. Bei dieser Geschwindigkeit entladen sich angestaute Emotionen. Energiegeladener als The Tangent, wenngleich immer wieder möglicherweise vergleichbare Ähnlichkeiten auch mit anderen Bands (Van Der Graaf Generator, Porcupine Tree) auftauchen, die keinesfalls stören, das Wohlgefühl eher noch erhöhen.
"Backup" ist wieder so ein 'Donnertitel', der einige Wendungen aufweist, permanent treibend zwischen den Jahren 1970 und 1990 alles berührt, was mir dabei so einfällt; flirrende Keyboards wie von Hawkwind, choraler Gesang wie von Queen, Bruchstücke aus der Sweet-Ära. Ich finde, PO 90 lassen wenig aus, ohne sich zu verlieren.
"Jitters", das Titelstück schließt sich an. Hier wechseln Keyboard- mit Gitarrenteilen. Ein schönes Stück, das wiederum von vielen Wechseln in Stil, Rhythmus und Geschwindigkeit geprägt ist - wie singen PO 90 hier so oft? - »It's amazing…«
Aus dem Otis Redding-Titel "Sitting At The Dock Of The Bay" kreieren diese Mannen etwas völlig Neues, Eigenes und kommen doch zu den Wurzeln diese Klassikers (u.a. Eric Burdon,
Udo Lindenberg) immer wieder zurück. Deshalb heißt er auch bei Parallel Or 90 Degrees "The Dock Of The Abyss". Klasse Rocktitel mit leichten experimentellen Ansätzen.
Dieses Experiment wird in "On The Death Of Jade", dem Schlusstitel fortgesetzt. Blubbernde Tasteninstrumente, es klingt spacig, dazu passend Gitarren. Und klingt es da hintergründig nicht orientalisch? Ich meine, ja. Der blubbernde Grundrhythmus wird kontinuierlich beibehalten und obendrauf gibt es zunächst fette Keyboard- und Gitarrenteppiche direkt vom Basar. Scheinbar nicht passende Töne werden eingestreut, ein wenig schräg (experimentell eben) aber nie so, dass es störend wirkt. Welch wunderbarer, stiller Tastenabschluss - märchenhaft. Eine CD, die viel Freude bereitet, die nur in ihrer Gesamtlänge ein wenig zu kurz geraten ist, wobei die einzelnen Titel mit fünf bis sieben Minuten vernünftige Längen haben.
Was gibt es dazu noch zu sagen? Ganz GROSSES Kino! Ganz große Musik.
Die Musik bekommt von mir die VOLLE Punktzahl, selbstredend!!
Line-up:
Alex King (drums)
Matt Clark (bass)
Andy Tillison (keyboards, guitar, vocals)
Dan Watts (lead guitar, keyboards, treatments)
Tracklist
01:Interlude
02:Standalone
03:Threesome
04:Entry Level
05:Backup
06:Jitters
07:The Dock Of The Abyss
08:On The Death Of Jade
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