Patty Hurst Shifter
Too Crowed On The Losing End
Too Crowed On The Losing End
Es scheppert, es kracht. Zwei Gitarren, die sich verdammt nach Flex anhören, übertönen den dünnen Bass, ein unspektakuläres, solides Schlagzeug hält dagegen. Darüber die hohe, aber kräftige Stimme, oft mit gleichtönendem Chor unterlegt. Ein paar weitere Instrumente von diversen Gästen gesellen sich ab und an dazu und runden das Ganze ab. Drei schnelle Nummern zu Beginn, die sich nicht sonderlich unterscheiden, so stellt sich mir das zweite Album von Patty Hurst Shifter, einer Band aus Nord-Carolina, zunächst vor.
Hört sich nach typisch amerikanischem College-Rock an, es wird fröhlich drauflos gerifft und gebrettert und das im knappen Dreiminuten-Takt. Ein paar gängige Hooklines, die Vocals in gefälligen Harmonien und die Rhythmen straight, dazu recht glatt produziert (an den Reglern saß Trina Shoemaker, bekannt von Sheryl Crow - was man hört; gemastert hat der bekannte Joe Gastwirt). Kopf der Band ist Sänger und Gitarrist J. Chris Smith. Marc E. Smith an Gitarre und Gesang, Jesse Hübner an Bass und Gesang sowie Skillet Gilmore am Schlagzeug bilden das restliche Gefüge. Damit könnte ich das Review eigentlich schon beenden und Patty Hurst Shifter mit dem Aufkleber 'mainstreamiger Pop-Rock' auf die staubige Seite meines Regals stellen.
Doch damit würde ich dem Album nicht gerecht werden, das doch im weiteren Verlauf einige Songperlen mit interessanten Kanten und Querschlägern aufweist. Die CD steigert sich, der Zeiger neigt sich deutlich Richtung Rock. "All Washed Up" (Anspiel-Tipp) ist ein rechter Kracher aus der Garage, bei dem am Ende der Gitarren-Amp durchzuknallen droht. Nach den letzten Sound-Orgien blendet das ruhige "Acetylene" mit spacigem Ambiente und irrlichternden Gitarrenfetzen das Album langsam aus, das sich auch mit fast zehn Minuten Länge von den restlichen Songs deutlich unterscheidet. Track 12 ist dann offensichtlich eine bewusste Pause (oder versteckt sich darin eine geheime Botschaft???) um den letzten Song "Worth 2:11 AM" richtig abzusetzen. Ein emotionaler, schöner Song mit Folk-Einschlag, mit zwei verschiedenen Leadstimmen und mehrstimmigen Refrains, getragen von einer Akustik-Gitarre, zu der eine klingelnde 'twangy' E-Gitarre die sehr aparte Ergänzung liefert - Westcost-Feeling pur.
Ich habe das Gefühl, im ersten Teil der CD wurde Patty Hurst Shifter allzu sehr das Konzept 'verschärfte Sheryl Crow' übergestülpt. Ab "Shake" lohnt sich das genauere Hinhören, im Kopfhörer kommen die ganzen Feinheiten und Spielereien erst richtig raus. Die beiden meist verzerrten Gitarren liefern sich interessante Duette und Duelle, hat man nicht alle Tage. Ein prominenter Gast mischt bei dem getragenen "Sadder Side" mit, Ian McLagan von den Faces lässt seine Hammond im Hintergrund singen und auch ein paar Mal kräftig aufheulen.
Insgesamt ist mir die Produktion im Sound etwas zu hell geraten, es dominieren die mittleren und hohen Töne. Ein kräftigerer Bass hätte da schon seine Berechtigung und das Ganze etwas erdiger gemacht. Ziemlich unsinnig erscheint mir, das dreiseitige Innenteil des Booklets komplett mit einem endlosen, ungegliederten Text in sehr kleiner Schrift vollzuschreiben. Ich hab mir jedenfalls nicht die Mühe gemacht, den zu entziffern.
Wer Musik von Miss Crow, PHS-Fan Ryan Adams, den frühen R.E.M. oder den Wallflowers mag und auf verzerrte Gitarren steht, der sollte sich "Too Crowed On The Losing End" mal anhören. Etwas poppiger als das, was wir üblicherweise in RockTimes besprechen, aber gut gemacht. Erfreulich auch, dass solche Scheiben, die doch zu substanzhaltig für den Mainstream sind, für den Fankreis bei uns angeboten werden. Millionenumsätze werden damit aber wohl nicht zu machen sein.


Spielzeit: 52:48, Medium: CD, Blue Rose Records, 2006
1:She's Like A Song 2:Never Know 3:When You Lie 4:Shake 5:For The Record 6:Sadder Side 7:Happy? 8:All Washed Up 9:Break Everything 10:Shine 11:Acetylene 12:(no song) 13:Worth 2:11AM
Norbert Neugebauer, 09.03.2006