Porcupine Tree / Stupid Dream
(Special Edition)
Stupid Dream
Eine der unkategorisierbarsten Bands der zeitgenössischen Rockszene, lässt momentan das Herz eines jeden Liebhabers anspruchsvoller Rockmusik höher schlagen, in sehnlicher Erwartung auf die neuen Dinge, welche da kommen mögen.
Aber neu ist das zur Veröffentlichung angekündigte Material dann doch nicht, was die Jünger von Steven Wilsons Meisterkapelle Porcupine Tree, zu erwarten haben. Trotzdem wird dieser silberglänzende musikalische Leckerbissen wohl unumgänglich sein bzw. sich pflichtgemäß ins enggepresste Porc CD-Sammelregal einordnen. Das ursprünglich im März 1999 auf den Markt gebrachte Album "Stupid Dream" gilt zweifelsohne als wichtiger Kilometerstein, in der nicht immer ebenen musikalischen Laufbahn der fünf Briten.
Diese hatten damals gerade mal beim Snapper/K-Scope Label unterschrieben und versuchten nun, ihren psychedelischen Sound einen eher songorientierten Grundturnus zu verleihen.
Die Kompositionen offenbarten sich in ihrer Eingängigkeit und Kompaktheit einem breiteren Publikum, was nicht zuletzt der starken Melodiearbeit mit einem sehr hohen technischen Anspruch zuzuschreiben war.
Daher besticht dieses wunderbare Kleinod auch heute noch durchaus mit seiner Dichte an geradezu ohrwurmträchtig gefälligen Songs, ohne dabei in die Belanglosigkeit bzw. den Mainstream zu verfallen.
Porcupine Tree weiten hier den Blick, schauen vom Rock aus auf die Künste, was hier zählt ist die persönliche Note, unverwechselbare Signatur und Signifikanz.
Dieser Output besitzt wirklich alles, was gute, intelligent gemachte Rockmusik auszeichnet; griffige Melodien, ausufernde Instrumentalteile und punktgenaue Ideen, denen auch nur mal ein Rahmen von vier Minuten ausreichen.
Der geniale Breitwandopener "Even Less", das gleichermaßen in seinen Bann ziehende essentiell perfide "Strange By The Minute" und ein melancholisch sinnliches "Pure Narcotic", sind nur einige herausragende Beispiele dieses Kabinettstückes. Auch wenn Wilson und Co. deutlich gediegenere Töne anschlagen, geschieht dies zeitweise auf komplexe Art und Weise.
Die etwas zurückgenommenen Gitarrensounds agieren wesentlich aggressiver, als auf den bis dato vorangegangenen Veröffentlichungen.
Die Gegenparts dazu bilden die Loops und Samples und das flächige, brillant verwobene Tastenspiel vom ex Japan-Keyboarder Richard Barbieri.
"Don't Hate Me" mit dem wunderbar dominierenden Basspiel, stellt auch die Fans der progressiveren Gangart zufrieden.
Dieses Stück ist ein Ausflug in jazzige Gefilde, bereitet zunächst dem Verlauf etwas Tiefgang, bevor es von einem grandiosen Gitarrensolo beschlossen wird.
Die Instrumentalfarben laufen so malerisch zusammen, wie in den Bildern der großen Impressionisten.
Das abgespacte Instrumentalteil "Tinto Brass" ist für mich ein Höhepunkt in seiner Bandbreite bzw. Umsetzung kompositorischer Ideen, und lässt den aufmerksamen Zuhörer in unfassbare musikalische Galaxien entschwinden.
Trotz einiger mutiger Experimente, bewahren sich die Herren Musiker ihren ureigenen Stil, eine Kollaboration von viel Atmosphäre und zerbrechlich filigranen Melodien, überwuchern sie nicht mit einem dickem Sound, sondern holen Details subtil an die Oberfläche.
Entspannte Phrasierungen, dynamische Flexibilität, aber auch der Mut zur Attacke lassen, trotz gelegentlicher Tendenz zum Unterkühlten, kaum technische und gestalterische Wünsche offen.
Der Sturm und Drang der frühen Phase ist hier einer fast nüchternen Klassizität gewichen, es entsteht der Eindruck einer herrvoragend ausbalancierten Interpretation.
Dieses Porcupine Tree-Werk ist geradezu exemplarisch für ihren damaligen musikalischen Reifungsprozess und hat bis heute nichts von seinem intensiv inszenierten Ideenreichtum eingebüsst.
Es ist kein Output zum oberflächigen Nebenbeihören, obwohl es doch der Briten kompatibelstes Glanzstück ist.
Der Meister selbst hat bei dieser Neuauflage beim Abmischen Hand angelegt, und so hört sich das Endprodukt exzellent an, hat nun deutlich mehr an Transparenz und Dynamik dazugewonnen.
Besonders durch den Mehrkanalton eröffnet sich den aufmerksamen Konsumenten das gesamte Credo und Faszinosum der Kompositionen in ihrer vollendeten Pracht.
Das bisher seit Jahren vergriffene Album ist ein Muss für jeden Liebhaber gehaltvoller Rockmusik bzw. solchen, welche diesen Klassiker noch nicht kennen, aber auch für Wiederholungskäufer.
Der regulären, restaurierten CD liegt nun noch eine DVD-Audio bei, die einen 5.1 Surround Mix und eine 24-Bit High Resolution Stereo Version des gesamten Albums, sowie zwei Bonustracks und ein Videoclip enthält.
Das einzige Manko und Lieblose an diesem Doppelpack ist die neue Covergestaltung, welche quasi wie eine Rohlinge-Verpackung wirkt.


Spielzeit: 60:00 (CD), 80:48 (DVDA), Medium: CD & DVDA, Snapper Music, 2006, Prog Rock
CD: 2005 Stereo Mix: 1:Even Less 2:Piano Lessons 3:Stupid Dream 4:Pure Narcotic 5:Slave Called Shiver 6:Don't Hate Me 7:This Is No Rehearsal 8:Baby Dream In Cellophane 9:Stranger By The Minute 10:A Smart Kid 11:Tinto Brass 12:Stop Swimming
DVDA: Titel: 1-12:5.1 Surround Sound:Plus: 13:Ambulance Chasing (5.1 mix)14:Even Less (Full Lenght Version 5.1 mix)15:Piano Lessons (Video Track) Photo Gallery
Ingolf Schmock, 10.08.2006