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Plant jemand von euch Musikfans dort draußen eine Reise in die 70er Jahre, hat aber Schwierigkeiten auf die Schnelle einen Flux-Kompensator, einen Nullzeitdeformator, ein Wurmloch oder einen Tachyonenfeld-Emitter zu organisieren?
Macht nichts, denn als Substitution gibt es Presto Ballet. Für den Zeitsprung einfach deren CD "Peace Among The Ruins" ins Soundaggregat einspeisen und los geht's zu Progressive Rock mit tiefem 70er-Jahren Wurzelwerk, Mellotron - und Hammondsounds, traditionellem Songwriting aus der ersten Blütezeit dieses Genres und Fun, Fun, Fun....
Insbesondere die Soundfundamentalisten unter euch wird es interessieren: "Peace Among The Ruins" wurde mit einer analogen Bandmaschine aufgenommen. Mastermind der Band und Producer Kurdt Vanderhoof dazu:
"Digitale Aufnahmeverfahren nerven. Für Rockmusik ist es absolut tödlich, wenn ständig Samples, Sequenzer und Drum Machines eingesetzt werden. Es zerstört die Lebendigkeit der Musik."
Dem Himmel sei Dank, hat er offenbar nichts gegen Verzerrer, Synthesizer und Cds.
Trotz ihres vergangenheitsbezogenen Ambientes klingt die Musik von Presto Ballet vital, frisch und unverbraucht. Jeder Hörer wird bestimmt "seine" eigenen Deja Vus und Assoziationen bei Genuss dieses Silberlings aus der Zeit des Schwarzlings erfahren. Mich erinnern die Songs stellenweise an Heep als sie noch Uriah waren und an Yes, zu ihrer von so vielen Musikfans kolportierten angeblichen Blütezeit zwischen "Yes Album" und "Fragile". Allerdings klingen Presto Ballet so wie "Yes" mit einem Sänger ohne hormonelle Probleme.
Der schillernste Name im Line-Up ist sicherlich der des schon erwähnten Kurdt Vanderhoof. Er bedient die elektrische Streitaxt, Mellotron, Hammondorgel, Synthesizer und das Piano. Einigen ist er sicherlich bekannt durch seine Zusammenarbeit mit der Schwermetalkapelle Metal Church oder aufgrund seines Solo-Projekts mit dem innovativen Namen Vanderhoof.
Die Vocalarbeit ist bei Scott Albright und Brian Cokeley in besten Kehlköpfen. Sie stehen ihren Vorbildern aus den 70er Jahre in nichts nach. Erwähnenswert ist ebenfalls die Arbeit der Rhythmsection. Brian Lake zupft gekonnt im Niederfrequenzbereich herum. Hört ihm ruhig mal zu. Er beherrscht das songdienlich Gebolze ebenso wie das melodiöse Eigenleben des Viersaitenholzes. Trommler Jeff Wade gibt den Liedern den wünschenswerten Groove. Er gerbt die Felle stilecht, aber ohne zu vergessen, dass die Welt anno 2005 schreibt.
Traditionelle Anspieltipps:
Gleich mit tollen Backing Vocals startet "Seasons". Der Song groovt und swingt im Midtempobereich. Mit Hammond-Unterstützung schafft es "Seasons" zu einem wirklich Highlight der Produktion zu werden. Hörenswert sind auch die unaufdringlichen aber wirksamen Rhythmusvariationen des Trommlers.
Das Zeug zum Klassiker hat "Find The Time". Presto Ballet setzen bewusst die Mechanismen ein, die gewisse Songs in den 70ern haben außergewöhnlich erscheinen lassen. Das Tempo ist gedrosselt, die Synthesizer Sounds spektakulär unspektakulär und die Melodie eingängig, ohne dabei banal zu sein.
"Speed Of Time" punktet mit einem knackigen Riff, einer gelungenen, zur Vergangenheitsverklärung verführenden Hammonduntermalung und einer drängenden Mellotronmelodie. Die Breakes akzentuieren und gliedern den Song. Brian Lake zeigt eindrucksvoll, wie er sich das Bassspiel zu einer solchen Komposition vorstellt. "Speed Of Time" wäre wohl vor 30 Jahren ein Aufwecker in so manchem Jugendheim gewesen.
Nölt also nicht dauernd griesgrämig herum, früher wäre alles besser gewesen. Presto Ballet wird auch den beinharten Gestrigen wenigstens ein kleines Jauchzen der Begeisterung abringen, wenn sie denn mal fair mit der Platte umgehen. Schön zu erleben, dass sich Bands wie diese mit einer Veröffentlichung wie dieser auf Märkten wie diesem versuchen können. Hoffentlich dürfen sie sich auch bald auf den Bühnen Europas beweisen.
9 von 10 in Jeans und Parker gewickelte RockTimes-Uhren für "Peace Among The Ruins".
Spielzeit: 47:21, Medium: CD, InsideOut Music, 2005
1:Peace Among The Ruins,2:The Fringes,3:Seasons,4:Find The Time,5:Speed Of Time,6:Sunshine,7:Slave,8:Bringin' It On
Ella Wirtz, 01.06.2005
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