Kann Heavy Metal ehrlicher sein? Schnörkelloser? Uriger? Bodenständiger?
Sicher kann er verspielter sein, meinetwegen auch virtuoser, schneller und böser! Aber ehrlicher bestimmt kaum!
Primal Fear pflügen mit ihrem Album "Seven Seals" Alles um. Fernab von überkandidelten Ambitionen und zwanghaft modernen Einflüssen wüten sie an ihren Werkzeugen und liefern ein hartes, brachiales aber auch melodiöses Album ab.
Wobei die Melodien ausgewogen und gut portioniert erscheinen. Die Schwaben begehen nicht den Fehler der Hamburger Fraktion, die ihre Melodielinien schon mal gerne überstrapazieren und fast ins Naive abgleiten lassen.
Einen großen Anteil am Primal Fear Klanguniversum hat Shouter Ralf Scheepers. Zweifellos gehört er in die Spitzengruppe der Metal-Mikro Marodeure. Seine Stimme ist charakteristisch und hat einen hohen Wiedererkennungswert. Mit großem Volumen singt er seine Parts und impft sie glaubhaft mit den genreüblichen Emotionen, wie Wut, Hass, Mut und Glorie. Wohltuend dabei ist Ralfs Klangfarbe. Endlich mal wieder einer, dessen Stimme keine Keimdrüsenneuralgien verursacht. Außerdem kommen bei seiner Performance keine Befürchtungen auf, dass die Bronchien des Sängers nun an den Studiowänden kleben. Wie gut er ist, wissen Metalfans schon seit Mitte der 80'er Jahre, als er mit Tyran' Pace einige hörenswerte Alben veröffentlichte, darunter das vorzügliche "Watching You". Sein Einsatz bei Gamma Ray verfestigte den Status des Fast Rob Halford Ersatzes als Speerspitze alemannischer Sangeskunst. Auch dieses Mal benutzt er das gesamte Spektrum seiner stimmlichen Möglichkeiten. Er brüllt, er kreischt, er SINGT!
Die zweite Hälfte der Primal Fear Doppelspitze bildet Co-Produzent Mat Sinner (bs). Auch er ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt. Als Basser und Sänger und 'Überhaupt' seiner Stammband mit dem überraschenden Namen Sinner köchelt er seit den 80'er Jahren am Hochofen deutschen Metallertums herum. Seine Sinner-Hymne "Born To Rock" hat auch nach 20 Jahren nichts von ihrer Durchschlagskraft verloren. Hört ruhig mal wieder rein!
Komplettiert wird die 2005er Ausgabe von Primal Fear durch die Gitarristen Stefan Leibing und Tom Naumann. Sie legen ein ordentliches Metalbrett hin. Die Akkorde braten, die Licks heulen und die Soli erzeugen Schwindel. Die Rhythmusarbeit der Band erinnert gerade bei den Power- und Hochtempo Stücken an Flakfeuer aus Zwillingsgeschützen. Skippt "Evil Spell" an. Noch Fragen? Was auch an dem Erdbeben liegen mag, für das der kanadische Trommler Randy Black verantwortlich zeichnet. Bekannt ist er durch seinen Einsatz bei Jeff Waters' High Tech Truppe Annihilator. Witzigerweise hat er auch mal bei einer Band gewulacht, die sich einsilbig Schwarz nannte. Wenn das kein Zufall ist…
Alles im Allem ballern Primal Fear 10 Songs aus ihren Stellungen. Funk, Fusion, Rap, Core, Nu oder sonstiger Mist hat in ihren Arrangements keinen Platz. Nur Eisen und Stahl werden gedengelt und ganz zum Schluss beim obligatorischen Tränendrücker "In Memory" sogar ein bisschen Sentimentalität.
Anchecken solltet ihr auf jeden Fall die flotteren Songs auf der Scheibe, als da wären: "Demons And Angels", "Evil Spell" und besonders "Question Of Honor". Dieses Epos ist der Geheimfavorit auf "Seven Seals". Es hat Kraft, Härte, Tempo und einen griffigen Refrain. Die Sinner Fans mögen sich zunächst an "Rollercoaster" versuchen. Die Architektur des Stücks entlarvt eindeutig die zugrunde liegende Doppelhelix. Insbesondere die Struktur des Refrains ist verräterisch.
Dass es diesmal nicht mehr als 7 RockTimes Uhren werden, liegt fast gänzlich an "In Memory". Klar wird auch dieser Song seine Liebhaber finden. Er ist ein wenig ein Makel in der sonst vorherrschenden Konsequenz des Songwritings.
Spielzeit: 54:17, Medium: CD, Nuclear Blast, 2005
1:Demons And Angels 2:Rollercoaster 3:Seven Seals 4:Evil Spell 5:The Immortal Ones 6:Diabolus 7:All For One 8:Carniwar 9:Question Of Honour 10:In Memory
Olli "Wahn" Wirtz, 22.08.2005
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