Primus / Green Naugahyde
Green Naugahyde Spielzeit: 50:31
Medium: CD
Label: ATO Records/Prawn Song Records, 2011
Stil: Experimental Jam Rock


Review vom 10.09.2011


Steve Braun
Eine scherzhafte Einleitung möge mir gestattet sein. Wenn man einen Künstler derart verehrt und liebt, wie der Verfasser das Musikgenie Les Claypool, dann darf man seinen 'Liebling' auch mal auf den Arm nehmen.
Es muss wohl - damals in Zeiten der Jugendsünden - eine ganz besonders bunte Pille gewesen sein, die Les Claypool 'eingepfiffen' hatte. Seitdem sieht er die Welt in schrill-bunten Farben und hört Klänge, die unsereins nicht mal erahnen kann. Statt Gedanken läuft in seinem Hirn ein deftiger Underground Comix-Strip, dessen surreale Übersteigerungen die Auffassungsgabe der staunenden Zuhörerschaft gelegentlich gewaltig strapaziert. Alben von und mit dem kalifornischen Ausnahmebassisten sind musikalische 'Kondome des Grauens' (wer kennt nicht den genialen Comic von Ralf König) oder klingen wie der Soundtrack zu einem Roadmovie mit den 'Freak Brothers' und könnten der Feder eines 'Fritz the Cat' auf Baldrian entstammen. So entstehen völlig ab- und durchgedrehte 'Hirnficks' wie "Eternal Consumption Engine" oder "HOINFODAMAN", bei denen allein schon der Titel verrät, was den Hörer erwartet.
Mein erster Kontakt mit Les Claypool war spät, viel zu spät... Ich schnallte regelrecht ab, als ich auf Mules "The Deep End Pt. 2" den Bassisten von "Greasy Granny's Gopher Gravy Pt. 1 & 2" hörte - was zur Hölle war das denn?? Solche wahnwitzige Basslinien, unterbrochen durch reingedroschene Akkorde und wilde Slap-Einlagen, hatte ich noch nie gehört. Ob Holy Macherel, Oysterhead oder die Fearless Flying Frog Parade, jeder einzelne Ton wurde gierig aufgesogen. Und natürlich auch die Töne von Primus... Man möge die Gleichsetzung entschuldigen, aber Primus ist einfach Les Claypool, ohne jetzt den kreativen Input vor allem eines Larry LaLonde herabwürdigen zu wollen! Wobei dieser alle Studioalben eingespielt hat und somit als nicht zu unterschätzende, konstante Größe zu werten ist. Ständigen Wechseln war dagegen der Primus-Schlagzeugschemel unterworfen. Seit kurzem ist der allererste Drummer, Jay Lane, wieder an Bord und hat »dem Projekt neues Leben eingehaucht«, wie Les Claypool betont. Man habe 2010 etwas getourt, die Funken hätten wie in den Anfangstagen gesprüht und es sei sofort klar gewesen: »nichts wie ab ins Studio und ein Album machen«. Mit einer triumphalen Tour durch Europa (jede Show war ausverkauft!) wurde das Material in diesem Sommer auch in der 'alten Welt' euphorisch aufgenommen.
Und so klingt "Green Naugahyde" auch weniger nach dem letzten Studioalbum "Antipop" (1999) sondern ist eher an den ersten beiden Veröffentlichungen "Suck On This" (1989) und "Frizzle Fry" (1990) orientiert. Die metallischen Einflüsse, die durch Gastmusiker wie James Hetfield, Fred Durst oder Tom Morello verstärkt worden waren, sind zu Gunsten der 'zappaesken' Collagen-Ästhetik früherer Tage zurückgedrängt worden - Frank Zappa hätte seine helle Freude an "Green Naugahyde" gehabt! Als verbindende Klammer ist der 'slappende' Funk Rock geblieben, der durch Jay Lanes akzentuiertes, rhythmisches Schlagzeugspiel noch verstärkt wird.
Egal, was man zum ersten Primus-Album seit zwölf Jahren schreibt - es wird so oder so polarisieren. Die Primus-Verächter werden hysterisch schreiend die Hände über dem Kopf zusammenschlagen - was man bis zu einem gewissen Grad verstehen kann: Wer würde sich schon bspw. eine Couch aus green Naugahyde (zu deutsch: grünem Kunstleder) freiwillig, d.h. ohne Androhung körperlicher Gewalt, im Wohnzimmer platzieren lassen? Die Claypool-Jünger dagegen werden unter verzückt-entrückten Lauten den Gebetsteppich gen Kalifornien richten.
Und so spaltet "Green Naugahyde" auch den Braun'schen Haushalt: Während meiner Frau in Minutenschnelle die Hirnwindungen zu schmierigen Dreadlocks verfilzen, plätschert bei mir gut fünfzig Minuten lang ein eiskalt-klarer, erfrischender Gebirgsbach zwischen den Ohren...
Primus ziehen mit der neuen Scheibe mal wieder alle Register ihres ebenso abgedrehten wie hochintellektuellen Könnens und bieten (mal wieder) eine irrwitzige Mixtur, die man am ehesten als einen 'Experimental Alternative Funk Jam Metal Underground Comic' definieren kann. Häh? Was ist das denn für ein Dummschwätzer, wird sich nun der Leser zu Recht fragen. Ach, Leute: So schreibt man eben, wenn man grünes Kunstleder geraucht hat...
Line-up:
Les Claypool (bass, vocals)
Larry LaLonde (guitars)
Jay Lane (drums)
Ohne Gewähr, da kein Booklet vorlag!
Tracklist
01:Prelude To A Crawl (1:19)
02:Hennepin Crawler (3:59)
03:Last Salmon Man (6:15)
04:Eternal Consumption Engine (2:44)
05:Tragedy's A' Comin' (4:52)
06:Eyes Of The Squirrel (5:32)
07:Jilly's On Smack (6:37)
08:Lee Van Cleef (3:28)
09:Moron TV (4:27)
10:Green Ranger (2:02)
11:HOINFODAMAN (2:58)
12:Extinction Burst (5:20)
13:Salmon Men (0:58)
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