Es gibt kein Heute ohne Gestern und ein Heute ohne Vorgestern schon gar nicht.
Hinter Proto-Kaw verbirgt sich nichts anderes als die Urformation von Kansas aus 1971. Im Führerhaus dieser relativ neuen, relativ alten Band sitzt niemand geringeres als Kerry Livgren, dessen Name eigentlich immer als Synonym für Kansas galt und dessen Gitarrenspiel und Kreativität auch dieses Progressive Rock -Werk namens "The Wait Of Glory" prägt.
"The Wait Of Glory" ist bereits die dritte Veröffentlichung von Proto-Kaw, obwohl die Kapelle in der Neuzeit erst im Jahr 2001 loslegte. Ausgelöst wurde die Reunion letztendlich durch den Anruf eines Labels bei Livgren, das irgendwie auf die alten Aufnahmen von Primordial-Kansas gestoßen war und nun das große Geschäft witterte. Die Hoffnung darauf braucht nicht aufgegeben zu werden, weil die Musik hält, was die Namen der Protagonisten versprechen.
Proto-Kaw spielen ordentlichen Progressive Rock, dessen besondere Note in dem routinierten Zusammenwirken der Musiker und dem Flötenspiel von John Bolton liegt. Es gibt den Arrangements die gewisse Würze. Es sorgt dafür, dass die Songs und der Sound haften bleiben. Daneben muss, wie bereits geschehen, das Gitarrenspiel von Kerry Livgren erwähnt werden. Er ist kein High Speed Virtuose und besticht auch nicht durch eine revolutionäre Spieltechnik, aber er findet immer die passenden Sounds und setzt die Akzente punktgenau. Meistens klingen seine Soli samtigweich, während er sich auch mal genug Zeit für die einzelnen Noten nimmt. Und alles was er nicht spielt, übernimmt eben John Bolton mit seinen Flötenmelodien oder mit dem dezenten Saxophoneinsatz.
Ebenfalls ein wichtiger Bestandteil von Proto-Kaws Musik sind Craig Kews Basslines. Er spielt den Bass so, wie man es sich bei einem Prog Rock Ensemble wünscht. Versteifend, Halt gebend und melodieorientiert. Craig demonstriert, warum ein Bass so viele Bünde besitzen muss, wie nun mal auf den Hals draufgebastelt sind.
Die Songs sind meist im unteren Midtempobereich gehalten und machen einen verdammt erwachsenen Eindruck. Auch die passenden bombastischen und einige symphonische Momente sind vorhanden. Manchmal wird es gar ein bisserl funky, wie bei "Old Nr. 63", benannt übrigens nach einer Dampflok. Als Anspieltipps eignen sich hervorragend:
"When The Rains Come": Der Eröffnungsriff ist mit seinem Lauf typisch für progressiven Rock. Die Bläser bereichern das Klangbild ungemein und geben ihm eine schwelende Wucht. Die Thematik wird variiert, bis für die Gesangslinie das Tempo gedrosselt wird. Das Flötenspiel ist unaufdringlich, aber eine satte Komplementierung. Warum man als Band möglicht polyvocal agieren sollte, zeigt sich am eingängigen Chorus.
Auch wieder mit Bläserunterstützung fetzt "Physic" los. Dan Wright bestimmt mit den Keyboards die erste Phase, bis Bolton mit dem Sax übernimmt, der dann durch Livgrens Gitarrenarbeit abgelöst wird. Dieses Stück kann getrost als gutes Beispiel für die gekonnte Instrumentierung Proto-Kaws herangezogen werden. Die Solopassagen im Mittelteil sind lang genug um sie genießen zu können und zu kurz, um von ihnen irgendwann einmal angenervt zu sein.
Also, trotz der intensiven Beschäftigung mit dem Album bleibt mir der Bandname fremd. Ich hätte mich an Livgrens Stelle Ar-Kansas oder so genannt.
Es gehen insgesamt 7 RockTimes-Uhren nach Amerikanien, obwohl mir das Coverbildchen mit dem als Höhlenmalerei dargestellten brennenden Tatanka überhaupt nicht gefällt.
Spielzeit: 62:49, Medium: CD, InsideOut Music, 2006
1:Nevermore 2:Relics Of The Tempest 3:When The Rains Come 4:On The Eve Of The Great Decline 5:Physic 6:Osvaldo's Groceries 7:The Vigil 8:Old Number 63 9:Melicus Gladiator 10:Picture This
Olli "Wahn" Wirtz, 18.01.2006
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