Mit der Veröffentlichung der Dokumentation "Days Of Our Lives" neigt sich das Jahr, in dem
Queen den vierzigsten Jahrestag ihrer Gründung feiern, dem Ende entgegen. Selbstredend gab es keine frischen Töne, denn
Freddie Mercury ist bekanntlich nicht mehr unter uns und
Paul Rodgers will nur noch für ausgewählte Benefizveranstaltungen mit
Queen auf die Bühne gehen. So musste der Fan mit den remasterten Versionen der fünf ersten Alben Vorlieb nehmen, die allerdings jeweils durch eine Bonus-Disc mit rarem, unveröffentlichtem Material erheblich aufgewertet wurden.
Nun folgt als wahrhaft krönender Abschluss diese DVD und schon der Untertitel lässt einen waschechten
'Mercury' vom Stapel
»The Definitive Documentary Of The World's Greatest Rock Band« - genau so war
Freddie: alles musste immer ganz, ganz groß sein! Nach einem verschmitzten Lächeln und zwei Stunden bester Unterhaltung muss man nüchtern konstatieren: Zumindest "The Definitive Documentary" trifft den Nagel voll auf den berühmten Kopf - eine wirklich sehr gut gemachte Dokumentation! Diese lief im Mai dieses Jahres mit großem Erfolg im TV-Programm der BBC und wurde nun mit zahlreichen Features 'aufgemotzt'. Einziger Wermutstropfen ist, dass die Blu-ray-Edition wesentlich mehr Bonusmaterial enthält, was den Kaufanreiz für die DVD nicht gerade fördert. Aber das ist wohl - nebenbei bemerkt - als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen...
"Days Of Our Lives" ist geradezu mit köstlichen Anekdoten gespickt. Hier eine Kostprobe: Im Sommer 1977 arbeiteten
Queen in den Wessex Sound Studios gerade an ihrem "News Of The World"-Album, das zwei der erfolgreichsten Rocksongs aller Zeiten enthalten sollte. Zeitgleich waren die Sex Pistols dort gebucht, um Bands wie
Queen musikalisch den Garaus zu machen. Eines Tages stürmte
Sid Vicious, offensichtlich übelriechend und völlig bedröhnt, in eine der Aufnahme-Sessions.
Freddie Mercury fragte ihn bei der Gelegenheit, ob er sich heute schon ein neues Muster ins Gesicht geritzt hätte, was der
Sex Pistols-'Bassist' alles andere als witzig fand.
Brian May und
Roger Taylor besuchen Originalschauplätze wie das schwarze Brett der Uni, wo
Brian seinerzeit den Zettel 'Schlagzeuger gesucht' aufgehangen hatte und der zu dem Kontakt mit
Roger führte. Die Anfänge mit
Smile werden mit 'grisseligen' Originalaufnahmen dokumentiert. Auch durch den Saal im Imperial College, in dem
Queen erstmals auftrat, wird geführt.
Leider war
John Deacon selbst für diese Retrospektive nicht bereit, noch einmal vor die Kamera zu treten. So muss man mit Interviews aus den Achtzigern Vorlieb nehmen, in denen sich
Deacon selbst zunächst als ein 'Anhängsel' der Band bezeichnet und nach eigenem Bekunden ein paar Jahre brauchte, um in die Band hinein zu wachsen.
Interessant ist auch die Beleuchtung des schwierigen Verhältnisses von
Queen und der damaligen Kritikerzunft. Man mochte
Queen einfach nicht und betrachtete sie als ein Urzeitwesen in Agonie. Dies mag zumeist ungerechtfertigt gewesen sein und
Mercury reagiert in den eingespielten Interviews aus der Zeit zumeist sehr dünnhäutig. In einem Fall war die Kritik jedoch vollkommen gerechtfertigt und erfreulicherweise kommen auch die Sun City-Shows zur Sprache - neun ausverkaufte Gigs im südafrikanischen Bophuthatswana. Wer seinerzeit (1984) in der Sun City-Arena auftrat, war - ob ihm das bewusst war oder nicht - auf einem Auge blind gegen das Apartheidsregime. Damalige unkritische Erklärungsversuche werden der heutigen Auffassung gegenüber gestellt - Jugendsünden...
Auf höchst spannende Weise werden auf "Days Of Our Lives" Originalaufnahmen mit aktuellen Kommentaren und Statements der beiden verbliebenen Originalmitglieder sowie Personen aus dem Umfeld der Band verwoben. "Episode 1" beleuchtet dabei die Anfänge und die siebziger Jahre - "Episode 2" die Achtziger und das Sterben Freddie Mercurys.
Hier muss ich einen persönlichen Aspekt loswerden: Als Die-Hard-Fan der ersten Stunde begann für mich der Abstieg Queens ausgerechnet mit dem Album, das ihre größten Hits enthielt - "News Of The World". Von daher mag für Leute, denen es ähnlich wie mir geht, der zweite Teil von "Days Of Our Lives" interessanter erscheinen, weil die Achtziger - im Nachhinein betrachtet - mit grausigem Desinteresse an mir vorbei geplätschert sind. Zudem geht es hier richtig zur Sache - teilweise ungeschminkt und schonungslos! Was man immer geahnt hat, wird hier von May und Taylor unverblümt zur Sprache gebracht: Queen war Mitte der Achtziger in zwei tief zerstrittene Lager gespalten. Freddie Mercury und John Deacon wollten weichgespülte Popsongs machen, was der Hardrock-Fraktion Brian May und Roger Taylor die Zornesröte ins Gesicht trieb. Queen stand kurz vor der Auflösung. Die Argumente waren, oberflächlich betrachtet, künstlerischer Art, aber unterschwellig sehr persönlich und verletzend. Wer sich letztendlich durchgesetzt hat, kann man auf den Alben der damaligen Zeit hören.
Ausgerechnet im Todeskampf Mercurys fand Queen wieder zurück in die Spur und zu ihren Wurzeln. Für "Innuendo" rückte man sehr eng zusammen - mehr noch: Alle Selbstverliebtheiten wurden beiseite geschoben und sämtliche Songs gemeinsam geschrieben. Eine größere Einheit war die Band niemals zuvor gewesen!
Das Bonusmaterial zeigt Aufnahmen, die für die TV-Fassung der Dokumentation ausgelassen werden mussten. Es bleibt allerdings die Frage, warum ausgerechnet die bewegenden Schilderungen der Entstehung von "Made In Heaven" der BBC nicht wichtig waren - sie sind ein Hightlight dieser DVD!
Die älteren Videoclips ("Seven Seas Of Rhye" und "Killer Queen") zeigen einfach Ausschnitte aus BBC-Musikshows, die ziemlich abrupt abgeschnitten werden. Da hätte man vielleicht besser den Applaus zum Ausblenden genutzt. Dagegen kann man "Somebody To Love" als durchaus bahnbrechend für das noch junge Medium bezeichnen - ein sehr aufwändig produziertes Hochglanzstück. "Under Pressure" und "Radio Gaga", als meine persönlichen Tiefpunkte der Karriere, wären entbehrlich gewesen. Aber das ist wie immer reine Geschmackssache...
Fazit: Auch wenn die Ausstattung der DVD sehr spartanisch ausgefallen ist und man sich dem Anlass gemäß (vierzigstes Bandjubiläum - zwanzigster Todestag Mercurys) eine liebevollere Aufmachung gewünscht hätte, so arbeitet "Days Of Our Lives" trotzdem ein wichtiges Kapitel der Rockhistorie auf eine spannende und vorzüglich umgesetzte Art und Weise auf. Für Queen-Fans ist vielleicht nicht viel Neues dabei - beste Unterhaltung bietet diese DVD allemal. Wegen des umfangreicheren Bonusmaterials sollte man sich allerdings besser die Blu-ray zulegen.