Was soll eine Band machen, wenn sie sich nach einem wirklich als epochal zu beschreibenden Meisterstück an die Arbeit an dem Nachfolger machen muss? Dass man an einer solchen Herkulesaufgabe grandios scheitern kann, haben nicht nur Pink Floyd mit dem Nachfolger von "The Wall", dem 1983er "The Final Cut", erfahren müssen. Manche unterschätzen die Bedeutung dieser Frage und schlagen erbarmungslos wieder in niederen Gefilden auf. Wiederum andere zaudern, tauchen zunächst ab, um sich jahrelang vor der Aufgabe zu drücken - dann kreist oftmals der sprichwörtliche Berg, um eine Maus zu gebären.
Wie man es besser, nein richtig gut machen kann, bewiesen Queensrÿche nach dem überragenden Operation Mindcrime mit diesem Nachfolger, "Empire" betitelt. Ein Konzeptalbum mit einem derart schlüssigen Gerüst kann man nicht toppen, keiner. Queensrÿche probierten es folglich gar nicht erst, sondern machten ein Album, das in eine völlig andere, eine kommerziellere Richtung zielte. Man nutzte den Schub von "Operation Mindcrime", um nun mit einer ganzen Serie von Top-Singles aus einem wesentlich leichter zu goutierenden Album den weltweiten Durchbruch zu realisieren. Alles richtig gemacht...
Der Schlüssel zum Geheimnis des Erfolgs von "Empire" lag darin begründet, dass die elf Songs auch für Käuferschichten hörbar waren, die Metal eher skeptisch wahrnahmen. Mit der Single "Silent Lucidity" gelang es weltweit, die 'Pole Position' der Charts zu knacken. Das war eine Nummer, die in ihrer 'mainstreamigen' Ausrichtung den "Mindcrime"-Enthusiasten nun wirklich Magenschmerzen bereiten konnte. Der befürchtete empörte Aufschrei blieb allerdings aus. Queensrÿche-Fans halten "Empire" zwar nicht für das stärkste Album der Männer aus Seattle, schätzen diese ebenso unterhaltsame wie anspruchsvolle Scheibe aber unverändert hoch ein.
Zum zwanzigsten Jahrestag des Erscheinens kommt diese dreifach mit Platin dekorierte Scheibe als Doppel-CD mit dreizehn Bonus-Tracks, darunter zehn unveröffentlichte Live-Aufnahmen aus der 18-monatigen Mammut-Tour, "Building Empires" (1990), heraus und will hier besprochen werden.
"Empire" besticht durch glasklare Melodieführungen, die Riffs haben ebenso 'Grip' wie 'Drive' und Geoff Tates überirdisch guter Gesang schwebt über allem. Immer wieder starten die beiden Gitarristen Chris DeGarmo und Michael Wilton Double Leads-Attacken. Die Arrangements werden durch sphärische Keyboard-Einlagen zu keinem Zeitpunkt 'zugekleistert' sondern gekonnt 'verkopft'. Trotz der Tatsache, dass es quasi keinen einzigen Track gibt, der kürzer als fünf Minuten ausgefallen ist, sind alle Songs herrlich kompakt und griffig. Produzent Peter Collins, der Hochkarätern wie Rush den Feinschliff lieferte, hat einen sehr warmen, dynamischen Sound geschaffen, der sich von so manchen blechernen Produktionen der achtziger Jahre wohltuend abhebt.
Wie das oft mit 'Klassifizierungen' - sprich: der Einordnung in Schubladen - ist, kann ich mit dem Branding 'Prog Metal' im Falle von "Empire" recht wenig anfangen. Die Songs sind alle im Rock härterer Gangart angesiedelt. Dieser wird mal hart-treibend, eingängig-poppig, atmosphärisch-episch oder barock-opulent interpretiert. Unter 'Metal' verstehe ich etwas anderes...
"Best I Can" ist ein perfekter Opener. Nach verhaltenem Beginn steigert sich dieser, dramaturgisch geschickt inszeniert, in einen formidablen Rocker. Auch "Jet City Woman" muss zu den Highlights von "Empire" gezählt werden. Die glasklar gesungenen Strophe untermalt Chris DeGarmo mit einer gezupften Zwölfsaitigen - der Refrain entlädt die Spannung in richtig griffige Riffs. Die beiden radiokompatiblen Balladen "Della Brown" und "Silent Lucidity" zeigen eindrucksvoll, wie man auf derart glattem Eis ohne jeglichen Kitsch bestehen kann. Wenn der Gesang zu "Hand On Heart" einsetzt, beginnt man unwillkürlich an David Bowie zu denken. Daraus entwickelt sich ein 'Stadion-Rocker', der 'Weichspülern' wie Bon Jovi oder Bryan Adams mal zeigt, wo der 'Bartel den Most holt'. Die mit großem Abstand feinste Nummer ist das abschließende "Anybody Listening?", das in seiner epischen Breite eine gewaltige, progressive Duftmarke hinterlässt.
Drei Bonus Tracks tischt man uns auf: Zunächst Queensrÿches Beitrag zum 1990er Kinofilm "The Adventures of Lord Fairlane" und dann eine atemberaubende Version von Simon & Garfunkels "Scarborough Fair". Zum Abschluss gibt es noch das pumpende "Dirty Lil Secret", ein Outtake aus den "Empire"-Sessions, das allerdings deutlich abfällt.
Nach dem Erscheinen "Empires" begaben sich Queensrÿche auf Welt-Tournee, die sie eineinhalb Jahre lang den Globus durchkreuzen ließ. Ausgezehrt und ausgebrannt benötigte die Band danach eine längere Auszeit.
Der Auftritt vom 15. November 1990 aus dem Londoner Hammersmith Odeon wurde als Zugabe für diese 25th Anniversary Edition gewählt. Die zehn Tracks sind natürlich weitestgehend dem damals aktuellen Album entnommen und kommen sehr druckvoll in gewohnt guter Qualität rüber. Konsequenterweise hat man auf "Operation Mindcrime" völlig verzichtet und stattdessen drei Songs der beiden ersten Alben ausgewählt, wobei die Hymne "Roads To Madness" nahezu alles überragt.
Mit Geburtstagsüberraschungen ist das immer so eine Sache... Queensrÿche-Fans, die jeden Ton der Band ihr Eigen nennen, werden angesichts dieses 'Päckchens' nicht gerade vor Erstaunen aus allen Wolken fallen. Allerdings wurden die Aufnahmen von "Empire" noch einmal soundtechnisch aufgewertet und die Live-Takes waren bislang unveröffentlicht. Nicht nur wer die remasterte Edition von 2003 verpasst hat, sollte bei diesem Klasseteil unbedingt zugreifen.
Line-up:
Geoff Tate (vocals, keyboards)
Chris DeGarmo (guitars, acoustic guitar, electric guitar, 12-string guitar, keyboards, vocals)
Michael Wilton (guitars, vocals)
Eddie Jackson (bass, vocals)
Scott Rockenfield (drums, percussions)
Michael Kamen (orchestral arrangements)
Tracklist |
CD 1:
01:Best I Can (5:34)
02:The Thin Line (5:42)
03:Jet City Woman (5:21)
04:Della Brown (7:04)
05:Another Rainy Day (4:29)
06:Empire (5:24)
07:Resistance (4:50)
08:Silent Lucidity (5:47)
09:Hand On Heart (5:33)
10:One And Only (5:54)
11:Anybody Listening? (7:58)
Bonus Tracks:
12:Last Time In Paris (3:57)
13:Scarborough Fair (3:50)
14:Dirty Lil Secret(4:08)
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CD 2:
01:Resistence (4:33)
02:Walk In The Shadows (3:56)
03:Best I Can (5:16)
04:Empire (5:11)
05:The Thin Line (5:46)
06:Jet City Woman (5:30)
07:Roads To Madness (9:32)
08:Silent Lucidity (5:43)
09:Hand On Heart (5:17)
10:Take Hold Of The Flame (5:10)
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Externe Links:
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