 Nun, Bluegrass und Anverwandtes ist nicht unbedingt das, was der RockTimes-Leser üblicherweise auf den Plattenteller legt.
Auch für mich weitgehend Neuland, zumindest was Live-Auftritte betrifft. Mir flatterte kurzfristig eine Mitteilung samt Einladung auf den Tisch, dass Reinhold Dettlaff, ein Musiker aus unserer Region, eine All-Star-Besetzung zusammengetrommelt hat, um die kanadische Sängerin Tena Palmer für drei Auftritte in Oberfranken zu begleiten. Der am letzten Donnerstag passte mir gut, zumal das Ganze open air im Gutshof einer geschätzten Brauerei stattfand … Also auf, ein weiteres Stück 'Roots' der Musikgeschichte entdecken!
Zugegeben, weder die Sängerin, noch ihre Musikerkollegen waren mir ein Begriff. Ein bisschen Recherche im Internet - die Dame gehört zur Cremé in ihrer Heimat.
Als mehrfach ausgezeichnete Jazz-Interpretin, u.a. mit dem als 'Celtic Jazz Quartett' bezeichneten Ensemble "Chelsea Bridge". Hat lange in Island gelebt und von da aus musikalisch auf vielen Hochzeiten getanzt. 2001 kam sie dann auch zum Bluegrass und durch ihren Lebensgefährten, den aus Prag stammenden Gitarristen Slavek Hanzlik, zum befreundeten Reinhold Dettlaff nach Oberfranken.
 Das Ambiente in dem komplett umschlossenen Gutsinnenhof samt Bewohnern war schon mal recht einladend, auch wenn ein lodengekleideter Teil des Publikums eher auf Freunde des herrschaftlichen Hauses, denn auf echte Musikfans schließen ließ.
In einer Ecke diente ein landwirtschaftlicher Anhänger als Bühne. Davor ein paar Bierzeltgarnituren, im Durchgang der Biertresen, wo Dunkles und Pils (beides sehr empfehlenswert!) gezapft wurde. Kurz nach 20:00 Uhr kletterte das Quintett auf den Wagen und begann mit einer A-capella-Nummer der Sängerin. Neben Dettlaff an Banjo und Gitarre bildeten George Bähr aus Berlin (Geige, Mandoline, Gesang), Thomas Schönheiter (Kontrabass) aus Kulmbach und der 1993 Grammy-nominierte Hanzlik die illustre Begleitband.
Tena Palmer präsentierte nicht nur Bluegrass-Musik, wie angekündigt, sondern auch Blues-, Jazz-, Cajun-, Gypsyswing- und Gospeltitel. Obwohl sie mit ihrer ausdrucksstarken Stimme die Folk-basierenden Melodien künstlerisch recht anspruchsvoll interpretierte, blieb sie jedoch im Rahmen und ließ den Songs ihren Charme. Das Konzert hatte mehr Sessioncharakter, zumal die Musiker ohne echte Probe antraten.
 Es wurde gescherzt und kräftig improvisiert ("welche Tonart spielen wir jetzt?") und dazwischen in Duo-, Trio- und Quartettbesetzung, instrumental oder mit Hanzlik am Mikrophon, geswingt.
Standards ("Will The Circle Be Unbroken", "Jambalaya", "Tennessee Walz") und eher ungewöhnliche Covers (von Johnny Cash, Dolly Parton, Gordon Lightfood oder Lester Flatt) wechselten mit eigenen Stücken ab.
Die Arrangements blieben meist bluegrass-orientiert, alle der hervorragenden Instrumentalisten hatten dabei reichlich Gelegenheit, sich solistisch in Szene zu setzen (ein Highlight war "Black Berry Blossom"). Mein Eindruck: Durchaus interessante Musik, vor allem live und mit einer solchen Besetzung, die nix mit dem vielleicht assoziierten Country-Gedudel (nicht abwertend gemeint!) am Hut hat. Auch meine Ingrid, die Musik nur nach zwei Kategorien beurteilt, urteilte einvernehmlich: gefällt mir!
 Im Laufe der Nacht wurde es recht kühl, wie die da oben noch fröhlich klimpern und fiddeln konnten, war mir ein Rätsel. Bei 12° C gegen 23:00 Uhr froren mir schon fast die Finger am Bierkrug und am Auslöser fest. Die rund 70 tapfer aushaltenden Zuhörer kamen in den Genuss eines Konzerts, das in dem schönen Innenhof auch 'with friends - for friends' hätte heißen können.
Und der Geruch der Pferde aus den Stallungen, die Tauben, Hunde und Katzen trugen dazu bei, den Wind der Ozark Mountains für ein paar Stunden im Frankenwald zu spüren.
Der letzte Gig findet, ergänzt mit dem englischen Mandolinen-Spieler Trevor Morriss, am 19.08.2005, um 20:30 Uhr beim 1. Ochsenfestival im Malergarten Trebgast statt. Ab 16:00 Uhr gibt´s Ochs vom Spieß und Sessions der einzelnen Musiker. Trebgast liegt zwischen Kulmbach und dem Eisenbahnmuseum Neuenmarkt, nahe der A9.
Tena Palmer & Band, 11. August 2005, Gutshof Gottsmannsgrün, Berg
Norbert Neugebauer, 14.08.2005
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