Tito Pascoal / Walk The Walk
Walk The Walk Spielzeit: 45:38
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2010
Stil: Jazz

Review vom 24.08.2010


Wolfgang Giese
Ich vergesse jetzt ganz schnell einmal, dass der Schlagzeuger zum Zeitpunkt dieser Aufnahmen 12 Jahre alt ist.
Bei solchem Enthusiasmus hinsichtlich von 'Wunderkindern' bin ich stets sehr skeptisch und möchte mich insofern davon erst gar nicht leiten lassen. Wichtig ist für mich, was hier insgesamt geboten wird und ob mir aus subjektiver Sicht das gefällt, was ich höre. Nebenbei sollen objektive Beobachtungen hierbei nicht zu kurz kommen.
Zur Sache:
Noch einmal kurz und einleitend sei gesagt, dass Tito Pascoal am 28.4.1994 in Portugal geboren wurde. Seit seinem sechsten Lebensjahr spielt er Schlagzeug und die vorliegenden Aufnahmen stellen sein Debütalbum dar. Unbestritten verfügt der Junge über großes Talent, doch habe ich insgeheim die Befürchtung, hier soll wieder zu schnell alles herausgestellt werden, etwas Rücknahme wäre mehr, nicht der oberflächliche Glanz sollte hier zu stark präsentiert zu werden, sondern die Präsentation sollte mehr in die Tiefe gehen, sich auf die Reduktion konzentrieren. Ich nehme als Beispiel immer gern Tony Williams, der seinerzeit im Alter von 13 bei Sam Rivers einstieg und als er 17 war, von Miles Davis geholt wurde. Dieses großartige junge Talent wurde seinerzeit nicht verheizt, sondern integriert. Und genau diese Integration erhoffe ich mir auch für diesen jungen Burschen aus Portugal.
Denn 'um des lieben Geldes willen' sind aktuell genügend Talente schnell verpufft. Es nützt nichts, ein Musikstück einfach 'nieder zu spielen' damit, zu zeigen, was man alles kann, hier sind mir die Drums einfach oft zu vordergründig eingesetzt, die eigentliche Begleitfunktion des Instruments verschwindet mir zu sehr und macht einem 'Showdrumming' Platz, das besser durch ein gezieltes Solo präsentiert werden sollte! Zwar den Sound bestimmend, aber Bestandteil des Ganzen, das halte ich für wichtig!
Aber im einzelnen:
"The Chicken" ist ein funkendes Stück mit zupackendem Bass und präzisem Bläserarrangement. Das Schlagzeug ist sehr präzise, aber hier mangelt es an federndem Groove, aber das kann man in diesem Alter noch nicht erwarten, außer eben diesem technisch tadellosem Spiel.
"Decisions", da sind völlig überflüssige technische Spielereien untergebracht.('loops programming'). Hier hören wir Fusion pur, nichts Aufregendes, einfach solide, nicht mehr und nicht weniger. Ein für das Fusion-Genre typisches Altsaxofonsolo, aber fast mehr als von manchen so bezeichnete 'Fahrstuhlmusik' kommt letzlich nicht dabei heraus, im Bereich Fusion bin ich halt etwas verwöhnt.
Ganz und gar nicht verzeihe ich der Band (nicht dem Knaben) die für mich gar gräusliche Bearbeitung eines der besten Titel Thelonius Monks, "Well U Needn't". Keine Frage, ein feines Saxsolo, doch das Arrangement mit diesen Keyboards nehme ich übel, das wirkt so abgehackt, und es swingt nicht die Bohne!
Erstes Highlight ist dann der Titelsong. Hier entwickelt sich von Anfang an eine sehr schöne Lockerheit. Der kleine Drummerboy zeigt sehr filigranes Feeling für diesen recht jazzigen Titel, die Keyboards hätte ich mir allerdings auch noch gern weg gewünscht, aber ansonsten ist das für mich frei schwebender Jazz mit sehr viel Gefühl. Allem voran das Solo eines Profis, nämlich Bob Mintzer am Sax, der für mich klar besser ist, als die bisherigen Bläserkollegen, hier steckt Idee und Passion dahinter. Das ist ein sehr stimmiger Titel und Pascoal zeigt bereits hier sein Talent dafür, sich zurück zu halten und das Geschehen aus dem Hintergrund mitzubestimmen. Bravo! Genau das sollte seine Richtung sein und weg von effekthaschenden Fusionexperimenten der bisher hier gezeigten Art!
"Tito's Blues'" hat eine kleine feine Melodie und auch hier zeigt das Schlagzeugspiel Feinheiten und der erste Swing stellt sich ein, wenngleich für die Zukunft hier noch etwas Druck nachgelegt werden sollte, was die Beckenarbeit betrifft. Jedenfalls fällt mir auf, dass der Akzent zu sehr auf die Trommeln gelegt ist. Das lässt den Swing dann leider mitunter etwas stocken.
So, nun ein anderes Terrain - es darf gefunkt werden! Druckvoller, doch leider leicht klinisch reiner Funk, der nicht die präzise Arbeit des kleinen Drummers schmälern soll, denn das macht er echt gut!
Ein kleines 'drum battle' mit Mauricio Zottarelli lockert den ansonsten mitunter sterilen Song etwas auf, dazu ein kurzes slappendes Basssolo. Und nun eine 'Messlatte' für mich, den John Coltrane-Fan. "Giant Steps", einer der großartigsten Titel des Künstlers, hier im Trio, und das ist natürlich eine große Herausforderung für alle Drei. Also - ehrlich - anfangs wird mir hier zu viel getrommelt, erst als das E-Piano einsetzt, hebt Pascoal wohltuend ab, allerdings ist für mich die Band nicht hundertprozentig zusammen. Mir holpert das bisweilen sehr. Schade, denn im Ansatz ist das vielversprechend. Vielleicht ist es hier dann doch die fehlende Reife und Erfahrung, einen solchen Hard Bop-Titel als Drummer zusammen zu halten, ansonsten technisch ohne Tadel. Aber das mögliche Vorbild Tony Williams ist hier dann doch zu hoch gesteckt.
Zum Schluss ein exotischer Titel, der sehr perkussiv beginnt, neben dem Titelsong mein zweiter Favorit, denn hier entzückt mich dieses leicht verschachtelte Arrangement, und auch die anfängliche Präsenz des Schlagzeugs passt wunderbar. Leicht tänzelnd und mit sattem Arrangement und Ton wälzt sich der Titel mit sehr viel Gefühl dann vorwärts. Super!
Also - 25 % der Platte, die mich begeistern. Der Rest schwankt für mich zwischen gut und weniger gut. Aber - und das sei noch einmal klar und deutlich gesagt - das ist nicht dem kleinen Tito anzulasten, das hat andere Gründe.
Ich wünsche dem Musiker alles erdenklich Gute und vor allem einen Mentor, der ihn behutsam an die Hand nimmt und ihn auf einen guten Weg geleitet.
Line-up:
Tito Pascoal (drums)
Tim Pascoal (keyboards, horns, vocals, bass, moog bass, loop programming)
Tom Kennedy (bass)
Bob Mintzer (saxophone)
Dave Weckl (shakers)
Tim Cunningham (saxophone, horn)
Theo Pascola (bass, vocoder, percussions)
Kurt Silver (horn)
Bill Elrod (horn)
Leland Crenshaw (guitar)
Ptha Williams (piano)
Al Caldwell (11 string bass, slap bass)
Carmen & Orlanda (vocals)
Mauricio Zottarelli (jazz drum kit trading solos with Tito - #6)
Angie G. (backing vocals)
Alvin Quinn (bass melody - #6)
Tracklist
01:The Chicken (Ellis/Pastorius) (6:45)
02:Decisions (Tim Pascoal) (5:02)
03:Well U Needn't (McRae, Monk) (6:22)
04:Walk The Walk (2. Corinthians 5:7) (5:43)
05:Tito's Blues (Tim Pascoal) (6:36)
06:Play That Funky Music (Parissi, Robert W.) (4:45)
07:Giant Steps (Coltrane) (6:24)
08:Ca Ten Ninguen Simabo (Tim Pascoal) (3:58)
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