Spielzeit: 65:19 Medium: CD Label: Reservoir Music, 2006 Stil: Hard Bop, Jazz Review vom 29.11.2015 Wolfgang Giese

Valery Ponomarev ist ein 1943 in Moskau geborener Trompeter. 1973 siedelte er in die USA, nach New York, über und lebt noch heute dort. Sein Stil orientiert sich überwiegend an einem der neben Miles Davis wohl wichtigsten Trompeter der fünfziger Jahre, an Clifford Brown. Dessen Spielweise und Tradition führte er, seitdem er ihn in Moskau auf "Bootlegs" hörte, fort.

In der Zeit von 1977 bis 1980 war er Mitglied einer der Formationen der Jazz Messengers des Schlagzeugers Art Blakey. Dieser war bekannt für seine stets hochkarätigen Besetzungen. Ponomarev löste seinerzeit den Trompeter Bill Hardman ab und später wurde ein berühmter Musiker sein Nachfolger: Wynton Marsalis. Doch leider errang Valery nicht dessen Ruhm. Für viele Jazzliebhaber erscheint das auch unverdient, denn schließlich ist er einer jener Trompeter, die auf einem hohen musikalischen Niveau in bester Tradition des Hard Bop stehen. Sein frischer, knackiger Ton mit kraftvollem Ausdruck steht seiner weichen und zarten Ausdrucksweise bei Balladen zur Seite, sodass er mit einer großen stilistischen Bandbreite aufwarten kann. Seinerzeit, 1979, hatte ich erstmalig die Gelegenheit, ihn mit der Band von Blakey live zu erleben. Später sollte sich mit seiner eigenen Band, Universal Language, noch einmal die Gelegenheit ergeben. Mit seiner Formation veröffentlicht der Trompeter seit 1987 regelmäßig Platten in bester Hard Bop-Tradition. Neben den Einflüssen des Vorbildes Brown sind es auch Einflüsse der Kollegen Lee Morgan und Fats Navarro, die Spuren hinterlassen haben.

Ponomarevs Stil ist somit geprägt von kraftvollem Druck, Schnelligkeit und Gefühl - Einzelkomponenten, die er auf persönliche und besondere Weise miteinander verbunden hat. So handelt es sich bei dieser, bisher letzten veröffentlichten, achten Platte des Trompeters um eine solche mit herrlich inspirierter und inspirierender Musik - eingespielt als Quartett, ohne Piano. Aufgenommen wurde das Album am 22. September 2005 in den Avatar Studios, NYC.

Allein bereits der Start mit "You Dig, I Hear You, You Know What I Mean, Etc." weiß mich absolut zu begeistern. Da der Saxofonist, Don Braden, noch im Verkehrsstau auf dem Weg zum Studio steckte, wurde der Opener im Trioformat eingespielt. Martin Zenker am Bass und Jerome Jennings am Schlagzeug swingen sehr energisch beherzt und bilden eine ideale Grundlage für Ponomarev, der so herrlich locker und fließend darüber improvisieren kann und bereits volle Kraft voraus soliert. Aber auch die Stücke, in denen Don Braden am Tenorsaxofon als weiterer Solist aktiv ist, versprühen Energie. Grundlage bildet treibender Hard Bop, wie Ponomarev ihn in der harten Schule Art Blakeys trefflich aufgesogen und verarbeitet hat. Und Braden spielt sich auf den langen Stücken richtig frei - ein Saxophonist, der sich trefflich entwickelt hat und hier einen eigenen Stil präsentiert!

Nehmen wir einmal den Titel der Platte als einen Hinweis mit Bedeutung, so trifft das in diesem Falle vollumfänglich zu. "Beyond The Obvious" - jenseits des Offensichtlichen - ja, auf der Basis bekannter Hard Bop-Muster verleiht Ponomarev der Musik neue Aspekte. Sogar einem wichtigen Klassiker wie "Chelsea Bridge" vermögen die Musiker neue Seiten abzugewinnen. Ein hervorragendes Beispiel der Kunst der Jazzballade, hier in neuem Glanz erstrahlt! Auch die anderen Fremdkompositionen erfahren eine Auffrischung der speziellen Art. Zum Beispiel wird "The Blessing" von Ornette Coleman mit feinen Tempowechseln und gestrichenem Bass ganz lässig und cool präsentiert - auch ein Highlight der Platte.

"Sale On Love", von Ponomarev komponiert, basiert auf der bekannten Komposition "Love For Sale" von Cole Porter und stellt sich hier als eine wunderbare Nummer mit leichtem Latin-Feeling vor. Eine außergewöhnliche Komposition ist das, und mit einem herrlichen Solo von Braden. Mit der Eigenkomposition "Gina's Cooking" verabschieden sich die Musiker mit schnellem Swing, inklusive kurzer Soloeinwürfe der Rhythm Section - ein aufregender und mitreißender Abschluss einer für mich ganz wichtigen Jazzplatte.
Ponomarev wirkt hier, unterstützt durch die hervorragenden Mitmusiker, richtig frisch und moderner als auf seinen vorherigen Schallplatten. Sozusagen klingt es wie ein wahrer Jungbrunnen für den damals (2006) 63-jährigen Trompeter!

Line-up:
Valery Ponomarev (trumpet)
Don Braden (tenor saxophone)
Martin Zenker (bass)
Jerome Jennings (drums)