Der Texaner macht's einem nun wirklich nie einfach. Mal veröffentlicht er einen Geniestreich, gerne aber auch mal was, das einen vor Langeweile fast verzweifeln lässt. Als sei er auf Wiedergutmachung aus, schiebt er laut Labelinfo jetzt seine bisher rockigste CD über den Tisch.
Die Platte startet mit "Oval Room" - wie nicht anders zu erwarten, nimmt er seinen Präsidenten und Mit-Texaner auf's Korn. Calvin Russell, der schon manchen Knast von innen gesehen hat und zwar auf der einsamen Seite der Gitterstäbe, wirkt mit seiner Kritik durchaus glaubwürdig - gerade auch in seinem beißenden Spott - dieser mitreißende Rocker gefällt mir sofort.
Auch die beiden folgenden Titel "My Moneys On You" und "Voodoo River" können mich überzeugen. Russell und seine Musiker gehen diese Songs treibend und inspiriert an. "All I Need" haut in dieselbe Kerbe, kommt aber trotz heftigen Gitarren nicht so richtig in die Gänge, dreht sich eher im Kreis. Zudem werde ich das Gefühl nicht los, das irgendwo schon mal gehört zu haben.
Diese CD zeigt aber auch, dass Calvin Russell zwar rocken kann, dabei jedoch vor Banalitäten nicht zurückschreckt ("Live Till I Die", "Just Like L.A."). Die Songs sind sicher nicht schlecht, aber so alltäglich, dass ich irgendein anderes Album dieses Genres in den Player werfen kann, um mehr oder weniger die gleiche Musik zu bekommen. Als Ausbund an Kreativität kann man das nun nicht gerade bezeichnen, somit muss man den Vorwurf mangelnder Eigenständigkeit hier schon machen. Schade eigentlich, dies ausgerechnet über Calvin Russell sagen zu müssen, einer, der wirklich hochwertiges, eigenes Material veröffentlicht hat.
Die weniger rockigen Tracks stehen dann wieder mehr in seiner eigenen Tradition, so z.B. der Titeltrack "In Spite Of It All" - mit seiner Ihm eigenen Intensität vorgetragen. Auch das abschließende "Cans" passt in dieses Schema, um dann nach etwa 5 Minuten in einen 'Hidden Track' zu münden, der mit seinem stumpfen, banalen 'vor-sich-hinrocken' eines Calvin Russell einfach nicht würdig ist. Hier wollte man wohl die Spielzeit hochtreiben.
Irgendwie hätte er die CD auch "Recycled" nennen können - der Eindruck fängt schon beim Cover an. Das Bild stammt offensichtlich aus den Photosessions seiner 97er Platte, dieselbe Höhle, dieselbe Pose. Und manchmal sogar die selbe Musik, wobei manche Knaller des nun mittlerweile 7 Jahre alten Albums hier eine bessere Figur gemacht hätten, gerade wenn man diese neue CD als sein 'rockigstes' Album anpreist. Einen Song der Qualität von "Drive-by" hätte man sicher gerne wieder gehört.
"In Spite Of It All" - zu deutsch: Trotz allem - ein Tiefpunkt wie sein Album "Sam" ist diese Platte sicher nicht. Mancher wird das eher rockige Konzept begrüßen, andere werden den tiefschürfenden 'alten' Calvin Russell aber vermissen. Lapidares Fazit: Dies ist ein 'middle-of-the-road' Rootsrock-Album. Nicht mehr, nicht weniger.
Natürlich kann die Rockwelt froh sein, Typen wie Calvin Russell, Fred Eaglesmith und Konsorten zu haben. Das 'Problem' ist mehr, dass diese hervorragenden Musiker die Messlatte so hoch gelegt haben, dass sie, wie in diesem Fall, sie selbst auch mal reißen...
Produktion und Klang bewegen sich im normalen Rahmen - soll heißen: von der technischen Seite gibt es nichts Auffallendes zu berichten, weder positiv noch negativ.
Spielzeit: 47:33, Medium: CD, SPV Recordings, 2005
1: Oval Room 2: My Moneys On You 3: Voodoo River 4: All I Need 5: Live Till I Die 6: Over and Over 7: Just Like L.A. 8: In Spite Of It All 9: Too Much Room 10: Cans
Manni Hüther, 30.3.2005
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