Wenn Steve Vai, seines Zeichens Gitarrist des Teufels, ein Label gründet, um besonders begabten Gitarristen ein kreatives Zuhause zu geben, dann kann man sicher sein, dass die Auserwählten genau das sind: teuflisch gut!
Allerdings erwartet den Hörer keineswegs nur wahnsinniges Gefrickel oder - wie Vai über seine Zeit bei Zappa sagte - "eigentlich unspielbare Sachen" oder einfach nur unglaubliche Riffs.
Ein ganzer Teilbereich vom Label Favored Nations befasst sich mit akustischer Gitarre und rein instrumentalen Alben.
So ist auch James Robinson, der mit "Colours" sein Debüt bei Favored Nations ablieferte, ein absoluter Virtuose an der klassischen Akustikgitarre.
Robinson wuchs als zwölftes von dreizehn Kindern in der Bay Area auf. Die Familie brachte einige Musiker hervor. So spielen sechs seiner acht Brüder ebenfalls Gitarre. James lernte mit acht Jahren klassisches Klavier, stieg dann auf Gitarre um und begann im Alter von 15 Jahren ein Studium der Klassischen Musik. Er gibt auch selbst Unterricht - in klassischer Gitarre, da dies seiner Meinung nach "die beste Grundlage ist, um ein tiefes Verständnis für jede Art von musikalischem Stil entwickeln zu können".
Mit "Colours" möchte Robinson den "kraftvollen Einfluss der Bay Area mit all ihren unterschiedlichen Kulturen" feiern. So findet man neben Flamenco-Anleihen und brasilianischen Rhythmen ebenso eine gehörige Portion Jazz; allerdings - wo bleibt der Thrash?
Das Album ist sehr sparsam instrumentiert. Der Fokus liegt logischerweise immer auf James Robinsons Takamine Hirade 9.
Die Scheibe ist sehr klar und kraftvoll produziert. Sie enthält nur Eigenkompositionen, bis auf das John Coltrane-Cover "Giant Steps".
Der erste Song, "Tales Of Change", vermischt Flamenco-Ansätze mit sehr jazzartigen Bassläufen, ein wunderschönes Stück.
"Day Have Passed" klingt ein wenig folkiger.
"Wave Upon Wave" beginnt mit Percussion, um dann...
Stop.
So geht das nicht.
Hm.
Ok, stellt Euch vor, Ihr hättet einen echt miesen Tag hinter Euch. Ärger mit dem Chef; Krach mit dem Partner und der Frühling ist immer noch eine Ewigkeit entfernt.
Das wäre eine verdammt gute Gelegenheit für "Colours": lasst Euch ein Bad ein, dimmt das Licht - oder macht 'ne Kerze an. Nehmt euch ein Glas Wein (oder auch zwei) mit in die Wanne und legt die CD ein.
Und dann lasst Euch einfach verzaubern von den Geschichten, die diese Gitarre erzählt...
Wenn Ihr dann noch so clever ward, den Player auf 'Repeat' zu stellen, werdet Ihr sicher ein- oder auch zweimal heißes Wasser nachlaufen lassen - so lange, bis der Wein leer ist!
Spielzeit: 44:20, Medium: CD, Favored Nations, 2005
1:Tales Of Change 2:Days Have Passed 3:Wave Upon Wave 4:Peace Of Spirit 5:Argentina 6:Six Giant Steps To Seven 7:God's Grace 8:Look To The Skies 9:Younger Moon 10:Colours Of Awakening 11:It's A Simple Game
Ella Wirtz, 23.02.2005
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