Nun gut, uns von einem nicht genannten Land, angeführt von einem Öl liebenden Präsidenten, als altes Europa bezeichnen lassen zu müssen, entlockt mir ja noch ein müdes Lächeln.
Dass man aber jetzt auch aus den eigenen Reihen (so ein Lederhosenträger), nur, weil man demnächst einen runden Geburtstag feiert, mit Material, was für die gesetzteren Jahrgänge bestimmt sein dürfte, überfallen wird, gibt mir schon zu denken.
Der unausweichliche kritische Blick in den Spiegel, das fachmännische Begutachten und Abtasten der Ehefrau lässt mich aufatmen. Das gräulich melierte Haar ist zwar nicht mehr zu leugnen, aber eine vollweiße Pracht à la Kenny Rogers kann dann doch nicht entdeckt werden.
Womit wir beim Thema wären:
Es geht um seine neue DVD "Live by request" (ja, Herr Daus geht mit der Zeit und hat sich vor einigen Wochen einen Player zugelegt), die in den nächsten Tagen veröffentlicht werden soll.
Schon der Gang von Kenny, durch ein mehrheitlich von besser situierten Damen und Herren reiferen Jahrgangs besuchtes Studio, lässt Schreckliches erahnen. Dort wird er auf der Bühne von einem gut gelaunten Moderator in Empfang genommen. Der leitet die live am Telefon eingespielten Wünsche von Oma Elizabeth Miller, McDonalds-Verkäuferin Virginia Jones oder Friseuse Kitty Turner an den Star des Abends weiter.
Mr. Rogers betreibt zur Freude der abrechnenden Kommunikationsgesellschaft ein wenig Smalltalk und sprudelt aus seinem Repertoire von ca. 50.000 Liedern das ersehnte Stück mit seiner Band lässig runter. 'Kenny The Living Jukebox', einmalig, was man so geboten bekommt… mir kommen die Tränen (vor Lachen).
Also ehrlich gesagt, ein Filmchen von Hugh Hefner, wie der treffsicher die richtigen Häschen seiner Geburtstagsparties der letzten fünf Jahre aus dem Zylinder zaubert, wäre mir eigentlich lieber gewesen, aber man kann ja nicht alles haben.
Dafür erhält man als kleinen Aufatmer das Duett mit der netten Linda Davis (die natürlich auch rein zufällig im Publikum sitzt) den Bob Seger-Klassiker "We've Got Tonight"; eine wahre Frischzellenkur im inszenierten Altersfreudenhaus.
>Mein Gesamturteil:
Ein Teil zwischen kalkuliertem Horror und genialem Trash!
Könnte zum echten Trendsetter werden.
Ich sehe Charlie Daniels beim Veteranentreff ('Hi Charlie, hier ist Donald R. aus West Virginia. Ich möchte mit meinen Kumpels gleich einem asiatischen Restaurant einen Besuch abstatten, spiel uns doch zur Einstimmung "Still in Saigon"'), Dolly Parton auf dem Schönheitschirurgenkongress in LA ('Hallo Dolly, hier ist Mike. Ich verehre dein Erscheinungsbild seit ich zwölf bin und äh... schreiben kann. Ich will eigentlich gar kein Lied, zeig mir doch einfach nur deine T... Taille...') oder hierzulande Dieter Bohlen in der Arabella-Show ('Hier ist Uschi aus Gelsenkirchen, ich fand deine Songs aus den
Siebzigern so toll, als du noch als Trio aufgetreten bist, den Namen der Gruppe habe ich leider vergessen, aber das Lied weiß ich noch. Ich wünsch mir "Daddy Cool"!').
Vertrieben wird dieses Werk mit eventuellem Kultcharakter übrigens von Sanctuary Records.
P.S.:Etwas gutes hat das Teil dann aber doch: Ich weiß jetzt, was ich meiner Mutter zum 65. Geburtstag schenken kann...
Spielzeit: ca. 85 min., Medium: DVD, Dreamcatcher Entertainment/Sanctuary Records, 2003
1. Islands In The Stream 2. Daytime Friends 3. She Believes In Me 4. Ruby, Don't Take Your Love To Town
5. Love Will Turn You Around 6. The Greatest 7. Love Or Something Like It 8. Through The Years
9. Lucille 10. Don't Fall In Love With A Dreamer 11. Coward Of The County 12. Lady 13. Crazy 14. The Gambler
15. We've Got Tonight 16. You Decorated My Life 17. Slow Dance More
Daniel Daus, 7.2.2003
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