Möglicherweise mag er es gar nicht mehr so gern hören, oder immer wieder live spielen - den 'Ohrwurm' "Taxi nach Paris", mit dem seine ehemalige Band Felix De Luxe einst zu Ruhm und Ehren kam.
Und schon besteht die 'Gefahr', dass er wieder einen neuen geschaffen hat: "Lass das mal den Micki machen", das ist so ein 'Mitsing-Titel', mit dem Reincke seine aktuelle Platte abschließt. Doch bevor wir uns dem Schluss zuwenden, möchte ich mit dem Anfang beginnen.
Fünf Jahre nach "Mach dein Herz laut" nun neue Laute aus seinem Mund. Im Oktober 2009 feierte Reincke seinen 50. Geburtstag und hier hat er sich ein feines Geschenk gemacht.
Etwas scheint die Stimmung der ganzen Platte jedoch erneut zu durchziehen: ein gewisser Hauch von Melancholie, aber in einer sehr positiven Grundstimmung dieses Mal. Emotionen werden treffend ausgedrückt, und das in humorvoll-lebendigen Beiträgen.
Und nun ist auch eine sehr abwechslungsreiche Platte entstanden, die Liebhaber von Liebesliedern wie auch von Uptempo-Rockern gleichermaßen bedient.
Die letzten Alben, die uns der Musiker vorlegte, waren überwiegend von treibenden Rockklängen gekennzeichnet. Und so war ich erstaunt, gleich beim ersten Titel sanfte Bläserarrangements zu hören - ein elegant dahintropfendes Stück, von akustischer Gitarre untermalt und mit einem romantischen Text versehen. Ein 'neuer Reincke'???
Ein subtiles Arrangement mit sanften Perkussionsklängen, ein Hauch Steely Dan weht hier um die Ecke.
Und - geht das so weiter?
"Jetzt ist schön" - der Titelsong, als nächstes. »Die Strassen liegen auf dem Rücken und lächeln Dir zu«, was will Michy uns damit sagen?
»Wie soll das gehen zu bleiben, es gibt keinen kürzeren Weg nach Hause als Dich«.
Die Gedanken scheinen zu fließen, ein zerbrechliches Streicherarrangement umschmeichelt sie, die scheinbar irrational klingenden Zeilen haben aber ein Ziel. "Jetzt ist schön" - das scheint das Ziel zu sein. Reincke klingt, als sei er 'angekommen', ja, Musik und Texte der gesamten Platte atmen den Geist einer Ruhe, einer Zufriedenheit, die Platz gemacht hat in der gelegentlich früher zu erkennenden Zerrissenheit und Unzufriedenheit.
Ist da etwa eine Frau im Spiel? So lauten die letzten Worte im Booklet: »Ich danke Dir, dass ich glücklich bin. Für Yvonne.«
Aha, Yvonne ist also 'schuld'?
So oder so, ich bin erstaunt, einen wesentlichen Wandel im Ausdruck zu spüren. War es früher mehr Rock, so ist es nun mehr Pop, oder aber eine Einordnung in das 'Singer/Songwriter-Lager' scheint vollzogen zu sein. Was aber bedeutet das für die Hörer?
Nun, ich sehe es so: Die Musik ist durchgehend sehr harmonisch, aus meiner Sicht bestimmen bessere Arrangements nun das Geschehen. Geblieben sind die manchmal unverständlich und doppeldeutig erscheinenden Texte, die aber dadurch durchaus lyrische Kraft inne haben. Dabei sind sie aber absolut nicht 'abgehoben und zu hochtrabend', sondern fordern aus meiner Sicht ganz einfach das eine oder andere Mal zum Nachdenken auf. Und dann haben sie ihren Zweck bereits mehr als erfüllt.
Klare Worte gibt es aber auch, wenn Michy uns rät, »Wenn Du nicht weiter weißt wohin, geh vorwärts und nimm die Straße durch Dein Herz«.
Ich meine, das ist die wohl reifste Platte des Musikers, eine mit tief empfundenen Emotionen, die uns musikalisch geboten werden und die wir mitempfinden können.
Musikalisch wesentlich vielseitiger, sind neben den bereits erwähnten Streicher- und Bläserarrangements solche 'Preziosen' wie der akustische Bass-Einsatz seines Felix De Luxe-Kollegen Jürgen Attig. Und auch 'der alte Michy' taucht mit 'flottem Sound' bei "Mir gefällt dein Stil" oder dem mit Akustikbass startende und angetriebene "Dieser Mann Ist Für Dich" mal wieder auf.
Ein wunderschön von Violine umrahmtes Stück ist "Hallelujah", »Hier höre ich den Bäumen zu, der Lärm im Kopf kommt dann zur Ruh«, ein wirklich bewegendes Stück, wahre 'Gänsehautmomente' inklusive.
Und zum Schluss ein kleiner 'therapeutischer Ansatz', indem der Künstler mit spitzer Zunge seine eigene Art von Psychotherapie zum Besten gibt!
Wenn das »furchtbare Desaster namens 'Dein Leben' eigentlich einer fachmännischen Analyse bedürfte«, dann rät Reincke ganz einfach: »Lass das mal den Micki machen«!
Sehr lustig, das Teil, und ich befürchte fast, das könnte Bestandteil seiner Liveshows aufgrund besonderen Publikumswunsches werden!
Line-up:
Jürgen Attig (Kontrabass - #4, 10, Fretlessbass - #11)
Jens Carstens (Schlagzeug & Percussion)
Mat Clasen (Saxofon & Flöte - #1-3, 6-8)
Regy Clasen (Gesang - #9)
Ralf Denker (Spanische Gitarre - #1, 4)
Anna Depenbusch (Gesang - #9)
Stephan Gade (Bass - #1-3, 5-9)
Stefan Gwildis (Gesang - #9,12, 'Dicke-Lippe-Tuba' & Husten - #12)
Jörn Heilbut (elektrische Gitarre, Mandoline - #2, 4, 5-9, Gesang - #6, 8)
Peter Hinderthür (Flügelhorn & Vibraphon - #1)
Johnny John (Posaune - #1-3, 6-8)
Philipp Kacza (Trompete - #1-3, 6-8)
Aino Löwenmark (Gesang - #3)
Martin Meyer (Piano, Orgel & Dó-Clavinet - #2-11)
Daniel Nitt (Piano, Mellotron, Gesang - #1)
Hammari Spiegel (Violine & Viola - #2-4, 7, 9, 11)
Michy Reincke (Gesang, akustische & elektrische Gitarre, Klaviermaschinen & Programmierungen, Percussion)
Tracklist |
01:Bleib heute Nacht bei mir
02:Jetzt ist schön
03:In deinem Garten
04:Mathilda
05:Die Straße durch dein Herz
06:Sie ist so
07:Mir gefällt dein Stil
08:Zwischen Venus & Mars
09:Halleluja
10:Dieser Mann ist für dich
11:Es ist was dazwischen gekommen
12:Lass das mal den Micki machen!
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