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Wenn man schon nicht vorhat, über ein Konzert zu berichten, dann sollte man Block und Kamera zuhause lassen, seinen Eintritt bezahlen und sich gaaanz entspannt zurück lehnen.
Dann gerät man auch nicht in Versuchung und hat, nach erfolgter Infizierung, nicht das Problem fehlender Notizen. Und nicht die berechtigte Vorahnung, bei einem Künstler wie Peter Ratzenbeck, dass der im Nachhinein bei Nachfrage der Songtitel auch passen muss.
 Der 'Folkclub Isaar' ist ein 1990 gegründeter Verein von knapp 100 Mitgliedern, der im alten Dorfwirtshaus von Isaar in der Gemeinde Töpen (im nordöstlichen Frankenwald, nahe Hof gelegen) regelmäßig Konzerte veranstaltet. Zu meiner Freude erlebte ich dort in den letzten Jahren Künstler, deren Namen schon lange irgendwo im Hinterkopf gespeichert waren und dann dort auftauchten. Größen der Folkszene (z.B. Show Of Hands, Werner Lämmerhirt, Sean und James Cannon von den Dubliners mit Pat Cooksey, die Tannahill Weavers, Liederjan) , in einem Saal, der grad für die Mitglieder ausreicht und dessen vorderste Reihe der Stuhlveteranen unmittelbar vor die halbmeter hohen Bühne gestellt ist.
Peter Ratzenbeck kenne ich aus dem Künstlerstall vom 'Stockfisch Label', bei dem er in Urzeiten mal unter Vertrag war. Was automatisch heißt, ein Gitarrist mit Ausnahmeformat. Doch er war mir bisher nie irgendwo begegnet, noch hatte ich je ein Stück von ihm gehört. Natürlich wusste ich, dass er in Isaar auftreten soll, aber erst ein Hinweis eines anderen Gitarristen machte mich so richtig heiß: "Der Peter ist ein alter Freund von uns und wir spielen mit ihm unplugged". 'Wir' - die Band Guitar Beat, eine lokale Formation, die einen lässig-groovenden 'Desert Rock' spielt.
 Als ich kurz vor Beginn ankam, war die Wirtsstube gerammelt voll, Guitar Beat saßen noch gemütlich am Tisch, drummrum einige andere bekannte Gesichter aus der Musikszene, während der österreichische Gast oben vor leerem Saal Soundcheck machte. Auf meine Frage, wann's denn losgeht, meine Wolfgang Narr (mein 'Informant'), dass "der Peter sicher gleich anfängt. Wir spielen dann später was".
Ja, so geht's zu in Isaar, locker, gemütlich und für jeden Künstler ein Heimspiel.
 Fünf Minuten später war der Saal gut gefüllt und der Peter (bei dem niemand auf die Idee käme, "Herr Ratzenbeck" zu sagen), legte los. Nicht mit dem Spielen, nein er erzählte erstmal und schraubte dabei weiter an seiner 'Martin'-Gitarre rum. Was sich dann nach jedem Song wiederholen sollte. Und er kann gut erzählen und hat was zu erzählen. Seit Jahrzehnten 'on the road', lange im Ausland gelebt (u.a. in Dublin), mit den unterschiedlichsten Musikern befreundet und wo auch immer, auf der Suche nach neuer Musik. Nein, kein Schwadronierer mit anbiederndem 'Schmäh'; ein natürlicher, symphatischer, charmanter und energiegeladener Anfangsfünfziger, der keine Sekunde ruhig sitzen kann, immer irgendwo rumfingert und die Beine verdreht.
Der sonst schnell auftauchende Gedanke "Mann, halt die Klappe und spiel endlich", kommt bei ihm seltsamerweise gar nicht. Der Peter ist natürlich Profi, Entertainer, der weiß, wie er sein Publikum fesseln kann und wie begrenzt selbst der beste Gitarrist in seinem Unterhaltungswert allein auf der Bühne ist. Aber so lass ich mir das gern gefallen und schnappe gierig die mir bekannten Namen Michael Chapman, Andy Irvine, Hans Theessink, Colin Wilkie oder Günter Pauler auf und kann mir auch denken, bei wem er kürzlich in der Mongolei war. Und von dort wieder eine ganz neue Stimmung seiner Gitarre mitgebracht hat, mit der er "All Along The Watchtower" intoniert. Den alten Dylan-Klassiker, eines der Covers dieses Abends. Und der Song, den ich in 100 Versionen kenne und der mir in tausend auch nicht überdrüssig wird.
 Neben der Sechssaitigen, die er nach jedem Song umstimmt, hat er noch eine Zwölfsaitige dabei, auf der er genau ein Lied spielt. Es war auch ein bekanntes Cover, aber mir leider entfallen. Eine Setliste gab's natürlich nicht, weil der Mann halt aus seinem riesen Fundus nach Belieben schöpfen kann und wohl nie zwei Konzerte gleich spielt. Also, wie befürchtet, die Rückfrage per Email war auch recht unergiebig:
"Vom Repertoire her habe ich sicher "Mitten im Regen", "Bachelors Delight", "Smile In Your Eyes" und "Odyssee" gespielt…" - das war's. Trotzdem danke, Peter!
 Als 'Nicht-Klampfer' fällt es mir schwer, seinen Stil zu beschreiben. Der jedoch eindeutig im Folk-und Liedermacher-Idiom verhaftet ist. Die Gitarre wird einerseits über einen Pickup abgenommen, gleichzeitig aber auch über ein Mikrophon, deren Sounds er über einen eigenen, speziellen Gitarrenverstärker mischt und auch bestimmte Effekte, wie Hall, dazusteuert. Er zupft, mit einem Pick am Daumen, spielt absolut sauber, selten dass mal die Saiten klirren oder schnarren. Er lässt das ganze Instrument vibrieren, schwingt, schüttelt es, spielt selbst mit dem Bottleneck in der normalen Saitenlage ohne Quietschen. Technische Probleme scheint es für ihn nicht zu geben, jede Geschwindigkeit in jeder Stimmung, sanft, melodiös, perkussiv, expressiv. Eindeutig einer der Besten in der Meisterklasse. Auch als Autor seiner Stücke versucht er zum perfekten Ergebnis zu gelangen, genauso wie als Interpret von Fremdmaterial.
 Und er adaptiert auch, was ihm gefällt, von anderen Instrumentierungen, wie etwa einem traditionellen Harfen-Tune, den er in einem irischen Pub aufgeschnappt hat. Oder Dudelsack-Gedudel. Nun, ein großer Sänger ist er sicher nicht, aber, wie der 'Stockfisch'-Boss einst erkannt hat, "seine Stimme hat was".
Etwa wie sein Landsmann Ludwig Hirsch, der auch mehr erzählt, als singt. Und wenn die Stimme dazu kommt, so bei "Mr. Bojangles" im Austria-Slang, dann passt das auch. Im zweiten Teil gönnte er sich und den Zuhörern etwas 'Entspannung' mit mehr eingängigeren Stücken, darunter auch einem instrumentalen Beatles-Medley. Dass bei "When I'm 64" mitgesungen und (vom Guitar Beat-Kollegen Micha) mitgepfiffen wurde, freute ihn sichtlich. Um dann gleich "eines meiner schwierigsten Stücke" zu spielen, das "nicht immer ganz gelingt". In Isaar gelang es zweifelsohne, der Meister strahlte jedenfalls danach.
 Nach so einem Abend, bei dem die Zuhörer förmlich an den schnellen Fingern klebten und selbst die alten Stühle das Knarren vergaßen, war die Zugabe ein beiderseitiges Geschenk. Seine "schönste Melodie", die schwärmerische Hommage an die Heimat - traumhafte 'Waldviertelnächte'.
Der Peter war schon einmal in Isaar. Vor zehn Jahren. Aber solang soll's bis zum nächsten Mal nicht mehr dauern. "Vielleicht klappt es im Herbst 2007 wieder", hat er mir geschrieben.
Zwischen den beiden Blöcken des Österreichers spielten Guitar Beat ihren Set mit semiakustischen Covers im Americana-Stil. Bekannte Nummern z.B. von Tom Petty, Neil Young, "Wild Horses" von den Stones und "Horse With No Name" von America.
Die beiden Semiakustiks und die dezent agierende Rhythmusgruppe, dazu Micha Weiss' toller Gesang, oftmals im Satz mit den Kollegen, war mehr als nur ein gern gehörtes Zwischenspiel für den 'Haupt-Akt', der derweilen seine Pause in der ersten Reihe mit Kaffee und Zigaretten genoss.
Irgendwie hab ich in Isaar immer Werner Lämmerhirts Albumtitel "With Friends - For Friends" im Kopf. Sowieso.

Peter Ratzenbeck, 19.05.2006, Folkclub Isaar, Töpen
Norbert Neugebauer, 04.06.2006
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