Am 23. November war es endlich soweit. Rammstein hatte nach einigen Konzerten Anfang November in Spanien, Portugal, Frankreich, der Schweiz und Österreich den Auftakt für Deutschland in München gelegt. Die Erwartungshaltung und Spannung war groß, denn vom Erstehen der Tickets bis hin zum Konzert vergingen mehr als fünf Monate. Und, der Kartenvorverkauf ab 12. Juni begann bekanntermaßen mit einem Desaster: Die Tickets waren nur über die Webseite der Band zu beziehen, wobei die Server dem Ansturm der Fans nicht gewachsen waren und nach kürzester Zeit zusammenbrachen.
Eigentlich unverständlich, denn spätestens seit der Völkerball-Tour war eigentlich wohl jedem (außer den Organisatoren?) klar, dass Rammstein die Hallen ebenso restlos füllt wie AC/DC oder Metallica. Da hätte man in Sachen IT eigentlich drauf vorbereitet sein können. Um die Tickets erwerben zu können war dann auch nach einem Neuaufsetzen des Online-Shops Geduld angesagt: vier bis fünf Tage dauer-online und das stete Drücken der F5-Taste um eine Bestellsession zugewiesen zu bekommen war für viele Fans eine echte Geduldsübung.
Zumindest scheint die Strategie der Veranstalter in der Form aufgegangen zu sein, dass der Schwarzhandel weitestgehend unterdrückt wurde und die Fans die Tickets zu fairen Preisen erhalten haben. Viele aus meinem Bekanntenkreis haben doch tatsächlich ihre Karten offiziell erstehen können.
Als Vorband spielte Combichrist, nicht mein Geschmack weshalb ich mir hierzu auch eine Kritik verkneifen möchte.
Rammstein selber begann die Show gegen 21:10 Uhr in der restlos ausverkauften Olympiahalle. In der abgedunkelten Location schlugen sich Richard Kruspe und Paul Landers mit Hämmern am linken und rechten Bühnenrand je ein mannshohes Loch durch eine Mauer, um auf die Bühne zu gelangen. Im grellen weißen Scheinwerferlicht, das durch die Löcher in Richtung Arena strahlte, traten die beiden Gitarristen dann hervor. Es folgte Till Lindemann, der in der Mitte der Bühne über eine im Boden eingelassene Rampe in einer Fleischerschürze mit Federboa frenetisch vom Publikum empfangen wurde und die Show mit dem ersten Track der aktuellen CD "Liebe ist für alle da", "Rammlied" eröffnete. Nach dem Opener reihten sich mit "Bückstabü" und "Weidmanns Heil!" zwei weitere Titel der aktuellen CD ein. In Sachen Dramaturgie nicht ungeschickt arrangiert, denn mit "Weidmanns Heil!" hatte sich ein ordentlicher Druck aufgebaut, der mit den weiteren älteren Stücken "Keine Lust", "Weißes Fleisch" und "Feuer frei" auf hohem Niveau gehalten wurde. Bei "Feuer frei" gab's im Übrigen ein schönes Wiedersehen mit den Szenen aus der Völkerball-DVD. Die Pyrotechnik mit den Flammenwerfern am Kopf der beiden Gitarristen und Lindemann mit dem Flammenwerfer vor dem Micro und einem ähnlichem Arrangement wie auf der DVD zu sehen, kamen wirklich gut.
"Wiener Blut", die Aufarbeitung der Taten des Inzesttäters von Amstetten nahm etwas das Tempo, denn die Show verlangte nach mehr Aufmerksamkeit. Auf der linken Bühnenhälfte hingen geschätzte 15 Puppen in der Größe von Kleinkindern als Symbol der geschändeten Opfer.
Am Ende des Stücks sorgten Sprengsätze an den Aufhängungen dafür, dass die Puppen über die Bühne flogen und sich eine Art Bild des Schreckens darstellte. Mit Sicherheit Geschmackssache, wie die Jungs an das Thema heran gegangen sind, auf der anderen Seite wurde nichts verherrlicht und die Abscheulichkeit der Tat stand mit diesem Showdown wohl im Vordergrund.
Nach "Wiener Blut" ging es dann ruhiger weiter mit der einzigen Ballade des Abends. "Frühling in Paris" war an dieser Stelle eine gelungene Verschnaufpause und Till Lindemanns Stimme kam dabei wesentlich mehr zu Geltung als bei den anderen Stücken. In Sachen Akustik ist die Olympiahalle bekanntermaßen nicht optimal, zumal ich mich auch mit einen etwas unglücklichen Platz an der Seite zufrieden geben musste und eigentlich nur bei diesem Stück Lindemanns Gesang in erwartetem Umfang wahrnehmen konnte.
Die schlechte Akustik hat mir dann auch die Freude am nächsten Song etwas verdorben. Lindemann kündigte die zensierte Nummer "Ich tu dir weh" in einer entschärften Version und mit "viel Spaß" an. Leider ging der Gesang im Akustikbrei dann wieder unter und der entschärfte Text war kaum zu verstehen.
Höhepunkt war dabei eine neue pyromanische Einlage. Lindemann schnappte sich Flake, legte ihn in eine Badewanne und ließ sich auf einer Plattform in ca. sechs Meter Höhe vor die Wanne nach oben fahren. Oben angekommen, goss er den Inhalt der Kanne, beginnend mit einem Funkenregen und dann sich steigernd in Form eines Feuerschwalls, in die Wanne.
Von da an gewann die Show mit "Liebe ist für alle da" auch wieder deutlich an Fahrt und verlor auch bei weiteren Pyro-Einlagen wie z.B. bei "Benzin" nicht an Speed. Dazu kam Lindemann mit einer alten Spritzapfsäule auf die Bühne und setzte den angeschlossenen Schlauch als Flammenwerfer ein. Nach einigen Flammenstößen in die Luft setzte er noch einen Stuntman in Flammen, der dann als lebende Fackel über die Bühne rannte.
Danach ein gelungener Übergang zu "Links 2 3 4", meiner Meinung nach auch einer der Höhepunkte bezüglich der Stimmung; hier war dann auch mindestens die Hälfte der Tribüne mit auf den Beinen.
Weitere Flammensäulen von oben, als auch von in der Bühne eingelassenen Flammrohren sorgten bei "Du hast" für eine entsprechende Dramaturgie. Dabei setzte sich Lindemann auch selber immer wieder schön in Szene, z.B. in dem er sich in Mitten von zwei mannshohen Feuersäulen stellte.
Optische Nettigkeiten wie das mit rosa Dildos verzierte Micro bei "Pussy" (siehe Bild) und die große Schaumkanone am Ende des Songs, die Lindemann als quasi überdimensionales männliches Geschlechtsteil dazu nutze, das vordere Drittel der Arena einzuschäumen, sorgten neben der gesamten Pyrotechnik für eine gelungene Abwechslung.
Nach vergangenen 1:15 Stunden gab's den ersten Break vor der ersten Zugabe. Diese wurde durch das bereits von der Völkerball-Tour bekannte helle gelbe Licht in Kombination mit "Sonne" eingeleitet. "Haifisch" von der neuen CD nutzte die Band für die obligatorische Schlauchbootfahrt über die Arena mit Flake an Bord. Zum Abschluss
des ersten Zugabeblocks gab es mit "Ich will" noch mal einen ordentlichen Showdown, der in einer weiteren Pause von knappen fünf Minuten endete.
Auch wenn bereits die ersten Zuschauer das Stadion verließen, tobte das Groß der Menge und verlangte nach mehr. Das Finale gipfelte in einem Engelsflügel tragenden Till Lindemann, der zum Stück "Engel" die angeschnallten Flügel bis auf eine geschätzte Spannweite von über fünf Metern aufspannte. Die Enden waren wiederum mit Flammenwerfern bestückt aus denen mehrere Meter lange Flammen parallel zur Bühne ausgestoßen wurden. Zum Abschluss auf jeden Fall ein weiterer gelungener Höhepunkt.
Als letztes Goodie gab's zur allgemeinen Aufheiterung noch ein kurzes "Bayern des samma mir" mit schuhplattelnden Rammsteinern, allerdings ohne Till Lindemann. Es kam improvisiert und spontan und damit auch sehr sympathisch und volksnah rüber. Quasi ein Tüpfelchen auf dem i.
Auch wenn Klassiker wie "Sehnsucht", "Heirate mich" oder "Asche zu Asche" nicht im Programm auftauchten, haben die Jungs eine ordentliche und druckvolle Setlist an den Tag gelegt. Die Stimmung in der Halle war ausgezeichnet, die Bühnenshow aufwendig, fantasievoll und beeindruckend. Einziger Wehrmutstropfen die schlechte Akustik an den Plätzen quer zur Bühne, aber da kann die Band ja nix dafür. In Sachen reine Spielzeit war die Show mit 1:40 Stunden eher nur Durchschnitt. Doch das Gebotene war genial und ist definitiv nur schwer zu toppen.
Dank an dieser Stelle an Alexandra für die Bilder.
Line-up:
Till Lindemann (lead vocals)
Zven Kruspe (lead guitar, backing vocals)
Paul H. Landers (rhythm guitar, backing vocals)
Oliver Riedel (bass)
Christoph 'Doom' Schneider (drums, percussion)
Christian 'Flake' Lorenz (keyboards)
Setlist München:
Rammlied
Bückstabü
Weidmanns Heil
Keine Lust
Weißes Fleisch
Feuer frei!
Wiener Blut
Frühling in Paris
Ich tu Dir weh (entschärfte Version)
Liebe ist für alle da
Benzin
Links 2 3 4
Du hast
Pussy
Nach 1:15h kurzer Break vor der Zugabe:
Sonne
Haifisch
Ich will
Finale nach weiteren ca. 4 bis 5 Min. Pause und tobender Halle:
Engel
Und eine kurzes:
Bayern des samma mir
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