Random Touch / Alchemy
Alchemy Spielzeit: 68:29 (CD), 143:00 (DVD)
Medium: CD & DVD
Label: Token Boy Records., 2007
Stil: Experimental

Review vom 16.05.2007


Ulli Heiser
»!Warning! Explosive Ride«
»Music for the Mind«
»When we play it's like entering a trance«
Hört sich nach starkem Tobak an, was Website und Promotion da in den Ring werfen. In der Tat ist Random Touchs siebte CD und siebte DVD nichts für gemeine Proggies. Rocker oder gar Mainstreamer werden sich mit Grausen abwenden. Vor über einem Monat berichteten wir in unseren News bereits über "Alchemy" und zitierten Bandgründer und Drummer Christopher Brown wie folgt: »Wenn wir spielen ist es, als seien wir in Trance und manchmal ist mir nicht einmal bewusst, dass wir gerade Musik machen«. Wenn ich als Zuhörer nun sagen würde, dass ich mich beim Hören wie in Trance fühle und mir manchmal nicht bewusst ist, dass ich Musik konsumiere, dann wäre das nur die halbe Wahrheit. Ist man gerade nicht open minded oder hat auch nur den Anflug eines Funken Stress', dann wird man mit dieser Platte nicht viel mehr anfangen können, als sie in Managerseminaren als verschärftes Instrument im Rahmen eines Stressbewältigungsprogramms einzusetzen.
Passt die Stimmung und ist man offen für ein Abenteuer mit dem Namen Musik bzw. Kunst, dann wird die Scheibe fesseln und man sich erinnern, dass Alchemie mit der Wunsch war, aus verschiedenen Stoffen etwas Edles, i.d.R. Gold, zu machen. Was den Alchemisten bis heute nicht gelungen ist, klappt bei Random Touch - wenn es auch kein Gold ist, aber durchaus edel kann man die Summe aus vielen einzelnen Komponenten durchaus nennen. Keyboarder James Day, seines Zeichens auch Mitbegründer der Band sowie Scott Hamill an der Gitarre, bilden mit Christopher Brown das Grundgerüst von Random Touch. Das musikalische, muss ich sagen, denn Random Touch sind eine audiovisuelle Truppe und so komplettiert Matthias Ebbin an der Kamera das Quartett.
Als der Promoter seinerzeit die Ankündigung des neuen Albums durchgab, hieß es: »Die musikalische Reise führt durch emotionale, chartfreie Musik mit einem mitschwingenden Touch aus Pink Floyds Echoes, Frank Zappa, Can und den frühen Tangerine Dream
Kurzes Probehören, dann signalisierte ich der Company Interesse und meinte: »Das ist Musik, die man im Sommer beim Grillen hören kann«, um mir im selben Moment fast die Zunge abzubeißen, denn sagen wollte ich, dass die CD perfekt ist, um nach dem Grillabend - wenn man schön entspannt und so open minded wie möglich im bequemen Gartenstuhl hängt und den Geräuschen der Nacht und dem eigenen Blutdruck lauscht - gehört zu werden. Und schnell mischt sich auch ein beruhigender Herzschlag unter die erwähnten Geräusche. Nicht der eigene, sondern aus den Speakern kommend, die mit "Incompleteness Becomes Us" den Opener des Album wiedergeben.
Reine Bratwurst- und Steakgriller werden Probleme haben, den 'open mind-Status' zu erreichen, der notwendig ist, um die Platte auch nur annähernd zu mögen - der Rezensent hat es im Eigenversuch getestet. Ein zweiter Anlauf mit in Old Bay marinierten Teilen diverser Flug- und Krustentiere war erfolgreicher. Bier schliesst nun mal ab einem gewissen Level die Sinnesaufnahme und Wein erweitert sie :-)
Jedenfalls beim Rezensenten, der, als Haustrunkgenießer, allerdings auch dem Gerstensaft und den Endprodukten der essbaren Vierfüßler überhaupt nicht abgeneigt ist.
Stimmfetzen, verfremdete Vocals, Geräusche... das ist unzweifelhaft der erste Eindruck, den man gewinnt, wenn der Audioteil des Albums läuft. Es wird experimentiert und zwar ohne Rücksicht auf irgendwas. Worte wie Chaos und roter Faden (den es im Prinzip nicht gibt) kommen einem in den Sinn und wenn es scheppert, wabert und grummelt wartet man auf irgend etwas, das man Melodie oder geordnet nennen könnte. Quasi wie ein Verdurstender auf den helfenden Schluck Wasser. Wir lümmeln uns allerdings im bequemen Gartenstuhl, nippen am Roten und wenn der Einstieg gefunden ist, kann man dem scheinbaren Gewirr mit ersten, zaghaften Schritten folgen. Besser, es versuchen. Wenn Igor, der wahrscheinlich alle Töpfe, Deckel, Rasseln und andere krachmachende Utensilien der Welt sein eigen nennt, sich in Rage klopft und haut, ist das erstmal gar nicht so einfach. Es mag aber so sein, dass man den Hörer erstmal 'verwirrt', damit dieser die ab und an produzierte Stille genießen kann, den einsamen Keyboardtönen oder Gitarrensprengseln hinterher hört, oder den Stimmen, die nicht selten an grunzende oder dem Metzger in Obhut gegebene Schweine erinnern.
Auf der DVD ist das im Prinzip das Gleiche. Dort jedoch bekommen auch die Augen Futter und es gehört eine gute Portion Disziplin dazu, dem Geschehen auf dem Bildschirm geduldig zu folgen. Künstlerisch ist das sicher wertvoll. Auch den Installationen eines Herrn Beuys gesteht man das schließlich zu. Mir allerdings reicht der Rote da nicht mehr aus. Die 'Musik' zu sehen erfordert den totalen Einsatz. Daher fahre ich erstmal mit der Audio-CD fort, die gerade "Nocturnal Emissions" wiedergibt und neben schon bekannten Geräuschen, auch erkennbare Gitarrenlicks auswirft. Melodiösen Keyboardsequenzen stellt man solche gegenüber, die jeden pazifistischen Pastor dahin bringen könnten, den Organisten von der Empore zu werfen. Wie gesagt, das ist nichts für Bratwurst- und Bierliebhaber.
Richtig in den Gartenstuhl eingegroovt, die Decke übergelegt und den sternenklaren Himmel nach dem ersten Anzeichen der kommenden Morgenröte abgesucht, lassen einen friedlich bleiben. Sicher gibt es da draußen Planeten, die des Nachts auch solche Geräusche bieten.
"As Above, So Below" ist musikalische Science Fiction in Reinkultur. Genau so stelle ich mir die musikalischen Umrahmung einer außerirdschen Party vor. Zu hoch, zu intelligent für unser armseliges Menschenhirn. "Alchemy", der Titeltrack, beginnt unerwartet klar und selbst das von links nach rechts und umgekehrt hastende Rasseln hat es schwer, die puristischen Keyboardklänge über Gebühr zu stören. Dramaturgisch und choreografisch wird mit harten Bandagen gespielt. Trommelwirbel, Gitarrenfills, sphärische Klänge, simple 'Indianertrommeln' irgendwo hinter einem Vorhang aus Geräuschen... das alles ist 'als Ganzes' betrachtet schon in sich schlüssig und eine gewisse musikalische Ordnung ist auszumachen.
Da die Morgennebel noch im Dunkeln schlummern, der Rote noch nicht alle ist, darf das Album noch mal von vorn beginnen und in der Tat: Übung macht den Meister, will sagen; es klingt beim wiederholten Durchlauf nicht mehr ganz so kakophonisch. Die Strukturen finden besser ins Ohr und auch im Gehirn scheint man vorbereitet, denn die Signale dieses Organs senden nun durchaus auch mal Befehle wie »wiege den Kopf im Takt«, oder »versuche mit dem Fuß zu folgen«. Wahrscheinlich, in ein paar Nächten, wird es mir auch ein »schnippe mit den Fingern« senden. Dann werde ich die DVD wieder einlegen - wäre doch gelacht, wenn nicht auch ein Bier dazu zu genießen ist.
Tage später...
Nach anfänglicher Skepsis, die DVD noch einmal zu testen, bin ich das Wagnis eingegangen. Ok, diesmal mit dem Laptop auf dem Balkon. Klar, mit Kopfhörer, denn man will ja nicht, dass sich die Nachbarn Sorgen um einen machen. Aber auch mit ganz wenig Rotwein kann ich sagen, dass bei intensiver Beschäftigung mit dem Ansinnen der Künstler durchaus eine Fährte aufgenommen werden kann. In Verbindung mit kleinen Filmchen um die Songs, mit der Symbiose aus visuellen Effekten und den Klangcollagen ist der Rotweinkonsum merklich zurückgegangen. Ja mehr noch, ich kuck mir die Jams an und kriege Lust auf ein Bier.
»Baby schmeiß den Grill an und hol die Steaks - es passt schon«...
Line-up:
James Day (keyboards, electronics)
Christopher Brown (percussion, guitar)
Scott Hamill (guitar)
Matthew Ebbin (visual effects)
Tracklist
CD:
01:Incompleteness Becomes Us
02:Cyborgs Of Unlimited Dementia
03:The Alchemy Of Turbulence
04:Stones Whisper In My Sleep
05:Beneath A Dreaming Moon
06:Abandon
07:Nocturnal Emissions
08:Crossing Expanses Darkly
09:Insectiva Hallucinogenica
10:As Above, So Below
11:Alchemy
12:Moonrise With Plane
13:Bound For Escape
14:Intimate Friction
DVD:
01:Cyborgs Of Unlimited Dementia
02:The Alchemy Of Turbulence
03:Insectiva Hallucinogenica
04:Graffiti Mobilis
05:As Above, So Below
06:Nocturnal Emissions
07:Beneath A Dreaming Moon
08:Moonrise With Plane
09:Bound For Escape
10:Abandon

Documented Jams:
01:January 19, 2005, Studio Jam
02:January 15, 2005,Elgin Jam
03:January 31, 2004, Studio Jam

@ Wayside Barn:
01:July 13, 2005, At The Bar Piano
02:October 26, 2005, Screenplay Part 3
03:February 1, 2004, Chaos Into Order

Gespräche, Interviews...
Externe Links: