Mit bislang neun Veröffentlichungen hat sich Reckless Kelly den Ruf als eine DER Referenzbands im magischen Dreieck aus Country Rock, Red Dirt und Roots Rock erspielt. Erfreulicherweise scheint es die Jungs um das Brüderpaar Willy und Cody Braun trotz einer Grammy-Nominierung im vergangenen Jahr nicht an Nashvilles 'Fleischtöpfe' zu ziehen, denn auch "Long Night Moon" hebt sich angenehm von der auf Hochglanz polierten, kommerzialisierten Massenware aus der Country-Metropole ab. Wollen wir inständig hoffen, dass Reckless Kelly standhaft bleibt und auch zukünftig nicht dem abschüssigen Irrweg folgen, den so manche hoffnungsvolle andere Band in der jüngeren Vergangenheit eingeschlagen hat. Negativbeispiele gibt es schließlich mehr als genug!
Für "Long Night Moon" hat Bandleader Willy Braun erneut zwölf kleine Meisterwerke geschrieben, die - im Gegensatz zu den früheren Veröffentlichungen - stimmungsmäßig derart dicht aufeinander abgestimmt sind, dass man fast von einem Konzeptalbum sprechen könnte. Eine herzzerreißende Sehnsucht nach Leben macht sich beim Hören breit. Die Traurigkeit über zuerst bröckelnde, dann verlorene Liebe und die Müdigkeit eines Musikers, der ständig auf die Straße getrieben wird, sind der rote Faden, der die zwölf Kompositionen zusammenhält. Für die mir vorliegende Europaausgabe wurde übrigens ein Bonustrack beigefügt, der sich nahtlos in den 'Reigen' einfügt.
Die Instrumentierung der einzelnen Takes hat man gegenüber früher etwas zurückgenommen. Weniger ist manchmal sehr viel mehr - "Long Night Moon" beweist diese These nachdrücklich. Paradebeispiel ist der das Album eröffnende Titelsong. Mit geringstem Aufwand wird hier eine unglaublich dichte Atmosphäre geschaffen. Augen zu und tief eingetaucht - augenblicklich sitzt du in einer sternklaren, kalten Nacht am wärmenden Lagerfeuer und reflektierst unweigerlich dein gesamtes Leben. Zwei Minuten lang haben die Gefühle dazu im rein instrumentalen Finish freien Auslauf. Ein trauriger Song, der zu Tränen rühren vermag...
Für diese tiefschürfenden Emotionen sorgen neben Willy Brauns überaus angenehmer Stimme vor allem Bruder Codys Mandoline und Geige sowie David Abeytas Lap Steel. Die Gastmusiker - hier seien besonders Bukka Allen (Hammond) und Lloyd Maines (Pedal Steel) exponiert - steuern das Übrige an Feingefühl bei. Vor diesen Aufnahmen hat - nebenbei bemerkt - Joe Miller das Gründungsmitglied Chris Schelske ersetzt und reiht sich mit seinem Bass nahtlos ins Bandgefüge ein.
Nahezu jeder Song ist ein kleines Juwel - seien es das quälend traurige "Irish Goodbye", das verhalten, aber druckvoll rockende "Every Step Of The Way", das fröhlich shuffelnde "The Girl I Knew" oder das melancholisch-warme "The Last Goodbye". Auch sozialkritische Themen werden angerissen, wenn "Be My Friend (In Real Life)" die fragwürdige 'Freundschaftskultur' in den angeblich 'sozialen' Netzwerken anprangert. Schalt Deinen PC aus und lebe das richtige Leben, scheint Willy Braun nachdrücklich anzumahnen. Und über allem schwebt der alles überragende Titelsong, der noch einmal gegen Ende als "Reprise" aufgenommen wird und dann direkt in das, die US-Version beschließende "Idaho" übergeht - ein Beweis, dass diese beiden Nummern die 'Klammer' dieses Albums sind. "Idaho" ist eine Hommage an die Heimat des Brüderpaares und transportiert eine Unmenge von Liebe, Bodenständigkeit und Verbundenheit.
Ein dickes Lob geht an Blue Rose für die wunderschöne Aufmachung des Six-Panel-Digipaks samt einem Booklet, das in Miniposterformat daherkommt. Tolle Sache!
Für meinen Geschmack ist den Mannen aus Austin/Texas mit "Long Night Moon" das bislang beste Album gelungen. Ein Geheimtipp ist Reckless Kelly schon lange nicht mehr. Der Erfolg, den das Quintett seit vielen Jahren einfährt, ist hochverdient und er sei ihm gegönnt. Trotzdem hoffe ich insgeheim und inständig, dass die Band den 'Sirenenrufen' aus Nashville widerstehen kann...
Line-up:
Willy Braun (lead vocals, rhythm guitars, harmonium, harmonica, percussion)
Cody Braun (electric tenor guitar, fiddle, mandolin, percussion, harmony vocals)
David Abeyta (lead guitars, lap steel, piano, percussion)
Joe Miller (bass, upright bass, bowed bass)
Jay Nazz (drums, percussion)
Additional Musicians:
Bukka Allen (Hammond B3 - #1,2,4,8,11)
Lloyd Maines (pedal steel - #3,6,9)
Jeff Plankenhorn (Dobro - #10)
The John Ross Silva (shaker - #10,11)
Tracklist |
01:Long Night Moon (5:20)
02:Real Cool Hand (3:56)
03:Irish Goodbye (3:45)
04:Every Step Of The Way (3:37)
05:Be My Friend (5:00)
06:The Girl I Knew (4:05)
07:I Can't Stand It (4:31)
08:The Last Goodbye (4:41)
09:Didn't Mean To Break Your Heart (3:43)
10:The Only Home I've Ever Known (4:03)
11:Long Night Moon - Reprise (1:02)
12:Idaho (3:42)
13:Any Direction From Her [Bonus Track] (3:31)
|
|
Externe Links:
|