Country Rock aus Texas ist immer eine Bank (und meistens auch einen Tipp wert). Reckless Kelly sind in diesem Umfeld ja beileibe keine Unbekannten und können stolz auf einige großartige Alben verweisen. Im Gegensatz zu dem eher enttäuschenden the day, weiten sie mit dieser neuen Produktion ihr Spektrum aus, und wissen auch genau, was sie wollen.
Logischerweise (?) immer mit dem bekannten und bewährten Steve Earle-Unterbau, der für die Band so etwas wie ein sicherer Hafen zu sein scheint. So zeigen auch der Titeltrack und das folgende "Dogtown", dass die Band durch ihre Erfahrung gewachsen ist und die Earle'sche Klang- und Interpretationskunst wirklich verinnerlicht hat, ohne aber je in dumpfes Epigonentum abzudriften, sondern eine eigenständige Note entwickeln. Auch Labelkollege Robert Earl Keen hinterlässt seine Duftnoten im Country-Rock-Groove von "Seven Night In Eire", dieser Song mit seiner "Celtic"-Abstimmung durch die passende Stimme fein abgeschmeckt.
Klasse und gekonnt die Tempovariationen in "Motel Cowboy Show", das verhalten beginnt und einem zugleich langsam und schnell vorkommt, sehr geschickt gemacht. "These Tears" rockt auf halber Flamme, ist aber durch den gelungenen Mix wirklich ansprechend. Was dann kommt, haut mich echt vom Hocker! "Sixgun" - Boogie, Texas, was fällt einem da noch ein? Eben! Natürlich ist das aufwendiger instrumentiert (was sich ja schon aus der Besetzung ergibt) als man es von den Rauschebärten gewohnt ist, aber es endet genauso 'gefährlich' in einer Gitarrenorgie!
Wieder sichere Gewässer laufen Reckless Kelly mit "Nobody Haunts Me Like You" an. Ein langsamer, aber umso intensiverer Rocker, auch hier hervorragende Gitarrenarbeit. Einen Song, der mit Country Rock fast nichts mehr gemeinsam hat, vernimmt man bei "Wretched Again" - das ist den Rolling Stones sicher näher als ihr angestammtes Terrain.
Die folgenden beiden Songs sind dann wieder im Erfolgskonzept der Band verwoben, feine, groovende Country-Rocker, um danach das Album mit der Reprise des Titelsongs abzuschließen. Als Fazit kann gelten, dass Reckless Kelly mit "Wicked Twisted Road" ihrem guten Ruf einen weiteren Edelstein hinzugefügt haben.
Die Produktion ist beeindruckend gut gelungen, der Mix aus den zahlreichen Instrumenten in natürlicher Balance austariert, und das alles bei gutem, für das Genre üblich warmen Klang. Die Ausstattung der CD kann man getrost als überragend bezeichnen. Es gibt ein 10-minütiges Video, das während der Sessions aufgenommen wurde (mit dem Apple Quicktime Player abspielbar) und ein Coverbooklet, das auf 36 cm Kantenlänge ausgeklappt werden kann. Das beinhaltet neben den üblichen Credits auch alle Songtexte, den einen oder anderen lustigen Kommentar ( Parental Advisory: If your kids watch the bonus video footage, they will learn the words 'dumbass' and 'shit')
Zudem ist ein Würfelspiel mit seinen Spielregeln auf der anderen Seite aufgedruckt, das ähnlich 'Mensch-ärgere-dich-nicht' funktioniert, wieder mit ironischen Stationen des Spiels bebildert, und es macht auch durchaus Spaß, das mal zu spielen, während man die Platte hört. Nochmal: Eine vorbildliche Ausstattung! Zusammen mit der gebotenen Musik ein Produkt wie aus einem Guss.
Spielzeit: 47:53, Medium: CD, Sugar Hill Records, 2005
1: Wicked Twisted Road 2: Dogtown 3: Seven Nights In Eire 4: A Lot To Ask 5: Motel Cowboy Show
6: These Tears 7: Sixgun 8: Nobody Haunts Me Like You 9: Wretched Again 10: Broken Heart
11: Stick Around 12: Baby's Got A Whole Lot More 13: Wicked Twisted Road (Reprise)
Manni Hüther, 13.04.2005
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