Reichlich 'verkopfte', warme Musik mit engelsgleichem Gesang schwebt aus den Lautsprechern, nachdem der Player mit der hier zu besprechenden Scheibe gefüttert wurde. Hach, genau:
Renaissance und - schwupp - ist man wieder in den Siebzigern...
Vermutlich war genau diese Sorte von Art Rock der Grund für die Gründung der
Ramones und
Sex Pistols. Ich persönlich 'konnte' gut mit den damals noch politischen Punks und mit ihrem
»No future!« haben sie geradezu prophetisch den Zustand der Erde dreißig Jahre später voraus gesagt. Recht hatten sie, diese liebenswerten 'Rotzer', auch wenn das so mancher Realpolitker heute noch nicht kapieren mag. Wenn allerdings
Sid Vicious und
Joey Ramone wüssten, was aus dem Punk heutzutage geworden ist, würden sie sich im Grab umdrehen, aber - sorry - ich schweife gerade vom Thema ab...
Letztlich behielten die 'Punx' auch mit Sprüchen wie
»I hate Pink Floyd!« Recht. Wohl gemerkt: Ich verehre
Pink Floyd und selbstverständlich auch
Renaissance, aber diese Art der Musik war seinerzeit hochgradig anachronistisch und lag bereits in tiefster Agonie. Völlig überproduziert drohte dem Art Rock, seiner Seele verlustig zu werden. Mehr als dreißig Jahre später hat sich die Welt allerdings - ungeachtet aller kurzfristigen Modeerscheinungen - weitergedreht und man ist geneigt, erneut geradezu schwärmerisch in diese Zuckergusswelten einzutauchen...
Das damals aktuelle Album, "A Song For All Seasons", ist mit "Day Of The Dreamers" - einem opulenten Epos in bester Renaissance-Tradition - und (natürlich) dem Hit "Northern Lights" - in einer sich nur wenig von der Single unterscheidenden Version - vertreten. Als 'Cremeschnittchen' dürften allerdings das prickelnde, emotional berührende Mammutwerk "Can You Hear Me" und die Hymne "Midas Man" - beide vom vorausgehenden Studioalbum "Novella" (1977) - anzusehen sein.
Die Soundbasis Renaissace' sind John Touts wabernde Keyboardteppiche über die Annie Haslams glockengleiche Stimme schwebt. Die akustischen Gitarren Michael Dunfords und Jon Camps sorgen für die Bandtypischen 'folkigen' Klänge. Demzufolge verzichten Renaissace völlig auf elektronische Gitarrensoli, was damals wie heute sehr ungewöhnlich ist. Für Abwechslung sorgen vielmehr häufige Tempi- und Arrangementwechsel. Oftmals setzt Haslam ihren Sopran als 'Soloinstrument' ein, was, aufgrund ihres Stimmumfangs, gelegentlich die Kinnlade kippen lässt. Besonders schön schlägt dies in "Things I Don't Understand" zu Buche - in den höchsten Lagen können diese Improvisationen durchaus einmal wie ein Mini Moog klingen. Die Pianosoli Touts lassen durchweg die klassische Ausbildung des Mannes erkennen.
Als einziges Negativum ist die doch recht überschaubare Spieldauer des Albums anzusehen. Wenn man die oben angeführten Zitate Haslams und Dunfords zugrunde legt, hätte man diesen Tonträger ruhig etwas besser füllen dürfen.