Als sich im Frühjahr 1968 die Yardbirds auflösten, formierten sich daraus Keith Relf und der Drummer Jim McCarty zur Band namens Together. Nach nur einer Single war dieses Projekt beendet und die beiden gründeten mit Relfs Schwester Jane Relf, John Hawken und Louis Cennamo die Prog-Band Renaissance.
Die Formation wurde durch Besetzungswechsel so oft umgestellt, dass nur drei Jahre nach Gründung nicht ein ursprüngliches Mitglied mehr dabei war; allerdings war diesen Inkarnationen doch einiges an Erfolg vergönnt und deren LPs sind sowohl sehr bekannt als auch genauso geschätzt. Aber eigentlich waren Renaissance zwei Bands - mit und dann ohne die Relfs - wobei man sagen muss, dass Jane Relf gegen die spätere Vokalistin, Annie Haslam, keinen Stich machen konnte.
Das erste Album ging im reichhaltigen Output etwas unter, der Stil jedoch wurde auch später von den anderen Musikern in Renaissance in etwa beibehalten. Eingespielt in den Olympia Sound Studios in London, produziert vom Ex-Yardbirds-Kollegen Paul Samwell-Smith, war die musikalische Stoßrichtung diametral zu dem Sound, den diese Leute früher als Yardbirds spielten.
Das Konzept war, Rock, Folk, Blues und Jazz mit adaptierten Klanggemälden der klassischen Musik zu einem neuen Ganzen zu verschmelzen, wobei der weitgehende Verzicht auf Gitarren sofort ohrenfällig ist. Und das trotz eines 'Auch-Gitarristen' wie Keith Relf (der aber wie bei den Yardbirds mehr die Gesangsparts übernahm). Der ist übrigens 1976 zu Hause beim Gitarrespielen tragischerweise wegen fehlender Erdung des Instruments an einem Stromschlag gestorben.
Zuerst gilt es mal, das schöne Cover zu bestaunen: Ein Bild aus dem Albert And Victoria-Museum des französischen Malers Genisson mit dem Titel "The Downfall Of Icarus". In der klassischen Musik haben Plattencover oft solche Motive und auch hier kann es schon auf das Hörerlebnis einstimmen. (Eine andere CD-Ausgabe von 'Mooncrest' hat ein total anderes, nichtssagendes Cover, allerdings mehr Bonustracks).
Das bestimmende Instrument der Platte ist das Piano und so beginnt die musikalische Reise hier mit ca. 100 Sekunden einer Klavier-Kadenz, bevor dann McCartys Schlagzeug den Takt festzurrt. Dieses lange Stück ist trotz aller Klassikanleihen doch erstaunlich eingängig.
Ab 4:10 von "Innocence" vernimmt man die vertrauten Töne aus Beethovens Klaviersonate cis-Moll op. 27 (Mondscheinsonate) und dies macht dann das Anliegen der Musiker mehr als deutlich. Im Gegensatz zu Emerson, Lake & Palmer ist die Musik noch mehr an den Klang der Klassiker angelehnt, es wird weniger bzw. kaum elektronisch interpretiert.
Der eigentliche Star auf dieser Platte ist jedoch nicht etwa der Pianist John Hawken (so hervorragend er hier auch auftrumpfen kann), sondern Louis Cennamo am Bass. Was der hier abliefert, ist fast unfassbar. Das ist keine Bassgitarre als Rhythmusinstrument, sondern eher - analog eines Orchesters - eine komplett eigenständige Stimme. Chris Squire hatte gerade im Paralleluniversum bei Yes eine ähnlich dominante Ausrichtung angenommen.
Louis Cennamos Weg endete nicht mit dem Ausstieg aus dieser Band; er ging zu Colosseum und spielte dort auf dem Album "Daughter Of Time", danach gründete er Axis mit ehemaligen Mitgliedern von Jody Grind, um dann 1973 bei Steamhammer zu landen. Auf jeden Fall ein außerordentlich guter Bassist der Rockgeschichte, mit großem Einfluss, ohne dass sein Name wirklich bekannt wäre.
Auf "Island" hört man eine elektrische Gitarre, wenn auch nur sehr zaghaft eingesetzt. In Verbindung mit Jane Relfs Stimme wurde dieser Titel (leicht gekürzt) als Single auf den Markt gebracht. Dass diese Musik 1969/1970 gegen die Konkurrenz zwischen "Proud Mary" und "Honky Tonk Women" keine echte Chance hatte, ist verzeihlich. Diese Sounds waren eben nicht das, womit sich Fans rund um den Globus antörnen wollten; sie galten wohl als zu bieder...
... obwohl sie das gar nicht waren! Insgesamt ist die erste Renaissance-Platte doch früher Prog mit viel Lust zum Experimentellen. Damit jedoch auch keine leichte Kost zu jener Zeit. "Wanderer" fliesst ruhig dahin, um dann auf dem wieder langen "Bullet" eine weitere Sternstunde des Louis Cennamo einzuläuten. Hier ist auch erstmals Keith Relfs Harmonika zu hören und macht eine gute Figur. Das fügt sich einfach perfekt in den Kontext ein. Gegen Ende dieses Titels wird die Musik allerdings etwas flippig, fast abgedreht. Klänge, die das schöne Spiel der fast 40 Minuten vorher teilweise ad absurdum führen.
Obwohl das Klanggeschehen auf diesem Werk partiell ungeschliffen rüberkommt, kann man sich das jedoch fast als Klavierkonzert der Neuzeit vorstellen, wenn es auch ungewöhnlicherweise 5-sätzig wäre. Wer weiss, vielleicht hätte sich Johannes Brahms knapp 90 Jahre nach seinem Pianokonzert Nr. 2 in B-Dur op. 83 zu etwas durchgerungen, das dieser Musik ähnlich gewesen wäre. Die Musik dieser ersten Renaissance-Platte ist Brahms zumindest näher als etwa zu Bélà Bártok, der schon in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts seinen Klavierkonzerten viel mehr Radikalität verpasst hatte.
Der Klang ist, wie bei Repertoire gewohnt, sehr sauber gemessen an der Entstehungszeit. Als Bonustracks gibt es die beiden Titel der parallel veröffentlichen Single, wobei "The Sea" sich nahtlos in das Album integriert. Wer auf klassisch beeinflusste Adaptionen steht, ist mit dieser alten Platte bestens bedient.
Tracklist |
01:Kings And Queens (10:55)
02:Innocence (7:05)
03:Island (5:57)
04:Wanderer (4:00)
05:Bullet (11:24)
Bonus Tracks:
06:The Sea (3:00)
07:Island (3:37)
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