Reverend Schulzz And The Holy Service / Hobo Submarine
Hobo Submarine Spielzeit: 59:48
Medium: CD
Label: Kaktus Rock Records, 2011
Stil: Singer/Songwriter, Folk, Folkrock

Review vom 10.12.2011


Günther Klößinger
Der Reverend bittet zur Beichte - allerdings eher seiner eigenen. Eigentlich ist es ja der Job dieser Geistlichen, ein offenes Ohr für ihre Mitmenschen zu haben und es ihnen zu widmen - Dirk Schulz erzählt lieber. Dies tut er allerdings mit solcher Intensität und Eindringlichkeit, dass man ihm einfach zuhören muss. Ein Storyteller im besten Sinn, der zudem noch weiß, seine kleinen, aus dem Leben gegriffenen Geschichten in perlende Klanggewänder zu stecken.
Der selbsternannte Reverend aus Hanau ist in der Indie- und Alternative Folk-Szene beileibe kein Unbekannter: seit mehr als 20 Jahren steht er nun schon auf der Bühne. Das Debütalbum seiner früheren Band The Swamp riss selbst Star-Rezensenten Alan Bangs zu Begeisterungsstürmen hin. Seit einigen Jahren reist der wandernde Geisteswissenschaftler (er studierte u.a. Theologie und Philosophie) nun als Solist durch die Wirren des Musikbusiness. Doch auch auf diesen Pfaden schart er musikalische Weggefährten um sich, die es in sich haben und so ist "Hobo Submarine" ein musikalisch sehr dicht gewebtes Stück Singer-Songwriter-Stoff.
The Holy Service ist weit mehr als eine Allstar-Begleitband. Jeder Ton trifft exakt die Nuance, für die er gedacht ist. Stimmungen werden nicht erzeugt, sondern eingefangen. Die akustische Gitarre ist das Zentrum, um das sich Ukulele, Kalimba, Akkordeon, Percussion und viele mehr unaufdringlich einreihen. Klar, im Mittelpunkt steht die Story des jeweiligen Songs. Das bedeutet aber beileibe nicht, dass hier musikalisch auf kleiner Flamme gekocht wird. Eher im Gegenteil: Der Verzicht auf Solo-Exzesse zeichnet die beteiligten Klangkünstler als einfülsame Illustratoren erzählenswerter Geschichten aus.
Still, bedächtig, melancholisch - so kommt der Reverend auf seinem "Hobo Submarine" daher. Klar doch - Hobos sind die Tramps, die sich heimlich auf Güterwagons der Bahn schwingen, um unentgeltlich an ihr Ziel zu kommen - Dirk Schulz hingegen klammert sich an ein Unterseeboot.
In jedem Fall eine ungewöhnliche Art, zu reisen. Doch die Reise ist ohnehin eine Metapher - hier geht es nicht nur um das Zurücklegen von Kilometern: Wir bewegen uns in den Songs des predigenden Schulzz durch Raum und Zeit, durchqueren Städte und Länder und besuchen gar andere Dimensionen. In "Hotel Bar" beispielsweise, trifft der Reverend auf die Geister der Gäste, die vor längst vergangenen Zeiten hier abgestiegen waren. In "The Monk" erinnert sich der Sänger an seinen ebenfalls bereits verblichenen Onkel - ein Abschied mit Wehmut, aber auch dem Willen, weiter diese Welt zu bereisen. Bei all den melancholischen Molltönen bleibt doch auch Raum für Augenzwinkern: Was tun, wenn man in eine Apothekerin verliebt ist? Um ihr nahe sein zu können, überlegt der ERzähler in "Drugstore Girl", welche Krankheiten er sich als nächstes zulegen sollte.
Das sind natürlich keine Stoffe, aus denen Charterfolge gezimmert werden - aber kommerzieller Erfolg ist ohnehin nicht das, was Schulzz anstrebt. Im täglichen Leben engagiert er sich für die Kulturszene seiner Heimatstadt Hanau und jobbt seit eh und je in demselben Café. Das lässt ihn glaubwürdig bleiben und man nimmt ihm die Attitüde des nachdenklich-augenzwinkernden Stadtromantikers mit Hang zum Skurrilen ab. Da macht einer die Musik, hinter der er voll und ganz steht und verbiegt sich nicht, um groß herauszukommen. Umso erfreulicher sind die Achtungserfolge, die Reverend Schulzz einheimsen kann: Sein Vorbild Rich Hopkins, seines Zeichens Meister des Desert Blues, lobt den Hanauer Singer-Songwriter in den höchsten Tönen und die aktuellen Videos auf Youtube werden immer häufiger auch in den USA angeklickt.
Wer's hin und wieder mal leise mag, sich auf Traumreisen voller Sehnsüchte einlassen kann, der sollte ebenfalls auf das "Hobo Submarine" aufspringen. Dieses Album ist genau das Richtige, um dem allzu lauten, oberflächlichen Gekreische der sonst so dominanten Massenmedien zu entgehen.
So lasse ich mir das Beichten gefallen und mit derartigen Predigten lohnt es sich, öfters mal wieder den 'Holy Service' zu besuchen.
Line-up:
Dirk Schulz (Gesang, Gitarren, Kalimba, Ukulele)
Burkhard Rieger (Akkordeon)
Willy Wagner (Bass)
Stefan Kreuscher (Bass)
Christo Cho (Schlagzeug, Percussion)
Claudia Fink (Gesang)
Mona (Gesang)
Andi Kerl (Gitarren)
Tom Bird (Gitarren)
Falk Bröning (Submarine Beat Machine)
Tracklist
01:The Well
02:Girl & Bicycle
03:Hobo Submarine
04:Drugstore Girl
05:Candy Thief
06:Wooden Horse
07:Centre Of The World
08:Flipbook
09:Paraguay
10:The Monk
11:Hotel Bar
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