Rocket Scientists / Revolution Road
Revolution Road Spielzeit: 101:21
Medium: Do-CD
Label: Think Tank Media, 2007
Stil: (Hard-) Rock, Progressive, Experimental

Review vom 26.02.2007


Florian Kollin
Die Raketenwissenschaftler liefern mit dieser Doppel-CD ein beinahe episches Werk. Sowohl vom Umfang her, immerhin gute 100 Minuten Hörvergnügen, als auch von der musikalischen Seite betrachtet. Hier gibt es Classic Rock in bester Tradition. Das Album bietet viel Bekanntes, aber auch einige Ausflüge in die Welt des Neuen, wobei allein schon eine der beiden CDs ein Review rechtfertigen würde.
Wie klingt nun also eine Band, die sich Rocket Scientists nennt? Angenehm könnte man es nennen. Musikalisch wie wissenschaftlich (in diesem Falle nun halt musiktheoretisch) fundiert, neigen die meisten Wissenschaftler ja zu einem Mix aus bodenständigen Untersuchungen und dem Griff nach den Sternen. Auch auf diesem sehr homogenen Album findet man all dies wieder. Hier wird nicht übertrieben oder Musik gemacht, die nicht ins Konzept passt; allerdings darf man dann doch ganz gerne mal raushängen lassen, was man als Mitglied der 'Scientific Community' so alles drauf hat. Und genau das macht das Album interessant. Bezüge zu bereits bekannteren Songs und Bands gibt es genug. Doch werde ich den Scientists wohl nicht gerecht, wenn ich nur von neueren Bands erzähle. Darum fangen wir erstmal ein Stück weiter hinten in der Geschichte an: Das gilt natürlich nicht für alle Songs der beiden CDs, aber insgesamt erinnert doch einiges an den "Flash Gordon"-Soundtrack von Queen. Das mag daran liegen, dass beides ähnlich episch aufgezogen und propagiert wurde. Jedoch fehlen auf diesem Album natürlich die Soundtrack-üblichen Stücke, die nur ruhig nebenher plätschern dürfen, um die Handlung nicht zu stören. Hier geht es schon deutlich mehr zur Sache.
Auffällig sind die typischen Akkordverbindungen, welche auch hier sehr gerne genutzt werden. Da hat sich wohl jemand längere Zeit mit den Vorlieben der Musikhörer und der guten alten Musiktheorie beschäftigt. Durch eben jene Wechsel, Bridges und Interludes ist diese CD für jeden gut hörbar, der auch mal verzerrte Gitarrenklänge in seinen CD-Player lässt. Dies gilt - selten genug - übrigens auch für die Soli. Hier steckt zwar eine Menge Theorie und Spielkönnen hinter, jedoch artet das Ganze zu keinem Zeitpunkt in sinnloses Notenanreihen aus. Über die musikalischen Qualitäten dieses Trios muss also wohl weiter kein Wort verloren werden: Sie haben's einfach drauf.
Unterlegt wird die Musik neben den üblichen Instrumenten zusätzlich mit Akkordeon und Chapman Stick. Die breiten Synth-Flächen tun ihr Übriges. Hier beherrscht man noch die Kunst der Zurückhaltung. Wenn der Gesang gerade nach Platz verlangt, wird dieser bedenkenlos freigeräumt. Das heißt nicht, dass später im Song nicht auch noch ein Keyboardsolo kommen kann. Vielmehr ist diese CD sehr dynamisch. Und zwar nicht dynamisch im verqueren Sinne, wie man es mittlerweile auch benutzt, wenn man Nu Metal-Bands beschreibt, die dann eine Ballade auf ihrem Album unterbringen, nein, hier ist die Rede von echter Dynamik. Hier wird sich zurückgenommen, es wird andächtig leiser gespielt um dann im nächsten Moment das Brian May-Gitarrensolo herauszuhauen. Auch wenn sicher einiges an Technik am Werk war, so wurde doch die Musikalität bewahrt oder eben ein Effekt dermaßen eingesetzt, dass er beabsichtigt hörbar ist.
Legt man die Scheibe in seinen Player ein, so wird man sogleich mit dem empfangen, was einen erwartet: Stadion-Rock. Denn wer so einen Hallraum auf seine Instrumente legt, der kann nichts anderes im Sinn gehabt haben. Und direkt nach dem Introtrack der CD, werden die anderen Faktoren dieser Band deutlich: Ein sehr prägnanter Bass, der es auch in den dichtesten Passagen noch schafft, sich nach vorne zu wühlen und ein energetischer Gesang, der wiederum ein bisschen an schon bekannte Größen erinnert. Und passend zum Thema Stadion wird dann auch gleich ein nettes »Na na na na na« im Refrain präsentiert. Darüber sehe ich jetzt noch mal großzügig hinweg :-)
Im dritten Song des Albums geht es wieder ein wenig ruhiger zur Sache. Hier hört man dann die schon angesprochenen, schönen Breaks. Spannender wird es für mich erst wieder bei Track vier, "Better View". Ein Stück zum Nachdenken, Träumen oder einfach nur Genießen. Hier passt der Gesang wirklich perfekt und ebenso die Instrumentierung. Ähnlich verhält es sich dann auch mit den anderen Liedern der ersten CD, und auf der zweiten geht es fast genau so weiter.
Auf CD zwei wird gefühltermaßen noch ein wenig wilder experimentiert und man muss schon damit leben können, keinen Gesang, dafür aber gleich mehrlagige Synthesizerschichten auf die Ohren zu bekommen. Die Scheibe ist jedoch stilmäßig ähnlich gestrickt wie die erste. Auch hier gibt es mal sanfte Klänge, mal rohere Power aus den Speakern.
Nun schalten wir endlich zu Track sechs der zweiten Scheibe, "Hold That Thought". Denn hier hört man ihn denn nun auch, den berühmten Chapman Stick. Doch erstmal fängt es mit einem nett verrückten Harmonizer-Sound an. Und dann: aha, so bleibt es auch. Wer sich jetzt also unter einem Chapman Stick etwas sonst wie verrückt Klingendes vorgestellt hat, wird enttäuscht. Im Prinzip hört man sehr angenehmes Tapping. Da es in diesem Song keinen Gesang gibt, kann man seine ganze Aufmerksamkeit auf die Inszenierung richten und sich fragen, warum dieses Lied "Hold That Thought" heißt - oder es auch lassen. Ich finde, dass der Titel jedoch wirklich gut passt, was ja bei Instrumentalstücken nicht immer das Leichteste ist, da man hier wirklich das Gefühl hat, dass es manchmal drunter und drüber geht, im anderen Moment jedoch scheinbar ein wenig Ruhe einkehrt. Mit diesen Elementen und Gedanken im Hinterkopf bleibt die Nummer angenehm kurzweilig.
Auch der Rest der zweiten CD bleibt gewohnt experimentell durchmischt. Einiges erinnert an schräge 80er Popsongs mit Sounds im Stile der "Ghostbusters", anderes wiederum eher an Filmmusik. Ich weiß nicht, ob es gerade an diesem Mix liegt, ob es von der Virtuosität der Musiker oder doch eher von etwas ganz anderem kommt: Dieses Album wird nicht so schnell langweilig. Man driftet vielleicht schneller mal zum unaufmerksamen 'Nebenbeihören' ab, jedoch wird mit ein bisschen Aufmerksamkeit auch immer wieder etwas Neues geboten. Für Freunde des Genres also uneingeschränkt empfehlenswert, für Freunde von Experimenten und manchmal seltsamen Sounds ebenso. Den durchschnittlichen Pop-Hörer werden jedoch wohl nur einige bestimmte Tracks ansprechen - und das ist auch gut so.
Tracklist
CD 1:
01:Look Up
02:Sky Is Falling
03:Dream In Red
04:Better View
05:Outside The Painted Walls
06:Revolution Road
07:Forever Night
08:Ptolemy
09:Gypsy (Of A Strange And Distant Time)
10:Savor Every Moment
CD 2:
01:Castles Fall
02:UFO S.H.A.D.O. Theme
03:Enjoy The Weather
04:Pay Your Dues
05:Eden Burns
06:Hold That Thought
07:House Of Cards
08:After The Revolution
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