»Und am achten Tag erschuf Gott die Dialekte...
Alle Völkchen waren glücklich!
Der Berliner krähte: Ick hab 'nen Waaahnsinns Dialekt, wa?
Der Hanseate stakste: Min Dialeckt iss dufte, ne?
Der Kölner sing-sangte: Ey, du Jeck, mit Kölllsch feiert mannn de Kaaarnevalll!
Der Bayer polterte: Jo mei, des iss a Preiß!
Der Sachse nuschelte: Nü freilisch, is Söchsisch klosse!
Nur für den armen Hessen war kein Dialekt übrig.
Da wurde der Hesse traurig...
Da sprach Gott: Reeesch disch ned uff,
dann babbelste hald wie isch, unn ferddisch... «
Es begab sich aber zu der Zeit - man schrieb das Jahr 1978 - dass sechs Freunden im hessischen Rodgau-Dudenhofen ein göttlicher Auftrag erteilt wurde. Und der langbärtige Zausel sprach aus einem brennenden Apfelweinfass: »Ei gude wie? Wollt ihr Mussig, oder was? Dann macht doch einfach selber mal Musik...« Und er drückte den Jungs eine Platte seines eingeborenen Sohnes in die Hand und bedeutete ihnen, diesem nachzufolgen. Und die Halbwüchsigen taten wie ihnen geheißen und folgten ihrem neuen Meister, Billy Gibbons, nach. So oder so ähnlich erzählt es Urvater Boogie Moses im Alten Testament...
Hei, was kam da plötzlich »für'n wüster Krach aus Frankford, Dammstadt, Offebach«. Billy Gibbons und sein Chef-Fischer Dusty Hill hatten ganze Arbeit geleistet - die Rodgau Monotones waren geboren und mauserten sich zur besten ZZ Top-Coverband des Rhein-Main-Gebietes. Noch heute zählen "Tush" und "Gimme All Your Lovin'" zu den Live-Krachern der liebevoll Rodgaus genannten. Sie erspielten sich in Windeseile ein fanatische Anhängerschaft. Eine TREUE Anhängerschaft, denn wer Ende der 70er Jahre die orgiastischen Konzerte miterlebte, der ist heute mit Sicherheit auch noch dabei! Mittlerweile sind es drei Generationen , die die Konzerte der Rodgau Monotones besuchen, denn die Kindeskinder der Gründergeneration sind mittlerweile - zumindest bei Open Airs - im Kinderwagen dabei.
Die Monotones waren, sind und bleiben eine Partyband. Das war Ende der 70er/Anfang der 80er nicht wohl gelitten. Die Jugend, zumindest diejenigen die sich für 'richtige' Musik (also Rock) interessierten, war hochpolitisiert. Die Rodgaus verpackten ihre Statements - anders als ihre Freunde von Flatsch! oder Feinbein - eher subtil. Der Spaß am Musikmachen stand immer im Vordergrund, auch wenn man (natürlich) bei Festivals gegen die Startbahn West, die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf oder 'Rock gegen Rechts' spielte. Der Ort, an dem der kernige Rock der Rodgaus allerdings damals wie heute am besten 'funktioniert', ist das Bierzelt auf dem Dorfplatz. Spätestens nach dem zweiten Song stehen die Leute auf den Bierzeltgarnituren... und dann geht es ab!
"Volle Lotte", das bis auf Platz 16 der Album-Charts kletterte, ist das bis heute erfolgreichste Album der Rodgau Monotones. Der Single-Hit "Die Hesse komme" machte sie durch hohe Chart-Platzierungen (Platz 22 der Media-Control-Charts) deutschlandweit bekannt. Es folgten Einladungen auf die ganz großen Festivals, angefangen auf dem Bieberer Berg zu Offenbach mit Santana, Bob Dylan und Joan Baez sowie vielen weiteren. Die gigantische Erfolgswelle spülte sie bis in die 16. Rockpalastnacht im Oktober 1985.
Aber wie das so mit Wellen ist: Sie ebben leider auch wieder ab. So mussten die Rodgaus, nach letzten bundesweiten Erfolgen mit "Wir sehen uns vor Gericht" und der herrlichen Heiratsschwindler-Ballade "Hallo, ich bin Hermann", wieder kleinere Brötchen backen. In Hessen und Umgebung sind sie allerdings bis in die heutigen Tage eine ganz heiße Nummer, die jeden Saal voll bekommt.
Neun der elf Songs von "Volle Lotte" gehören nach wie vor zum festen Live-Programm der Rodgaus. Der Titelsong, mit dem die Scheibe beginnt, gibt gleich die Richtung vor: ein knackiger Rocker mit der Aufforderung zum Partymachen. Was macht Mann nicht alles, um das Herz einer Frau zu erobern? "Fraach mich net" entlarvt die Zwiespältigkeit der angeblich 'emanzipierten' Frauen. Von wegen "Neue Männer braucht das Land"... [der Leser möge sich bitte den obligatorischen 'Effenberg' denken!]
"Der kleine Pirat" 'textet' sicherlich etwas infantil, aber - sind wir ehrlich - wer hat nicht auch gerne manchmal genau solche Tagträume? Der fröhlich hüpfende Boogie "Viel zu spät" ist eine selbstironische Abrechnung mit der links-alternativen Szene, die sich viel zu selten so herzhaft selbst auf den Arm nahm. "St Tropez am Baggersee" ist - vielleicht mehr noch als "Die Hesse komme" - DER Kracher bei jedem Gig der Rodgaus.
»Wenn die Spanner um den FKK-Strand schleichen
Wie die Pressefotografen um die Superreichen
Dann kriegen wir dieses Jetset-Gefühl...«
Auch schon mal erlebt, oder?
Über "Zirkus Kaputt" legen wir den Mantel des Schweigens, aber eine solche Blödelnummer ist Tradition und auf jedem Album zu finden. "Is mir egal" fegt da schon ganz anders aus den Boxen: ein bluesiger Hardrock-Fetzer mit einer pumpenden Bridge, die sich in einem herrlich eingängigen Refrain entlädt. Noch stärker - mein persönliches Highlight auf "Volle Lotte" - ist der "Bullermann". Knietief im sumpfigsten Southern Rock watend, wird auf des Deutschen liebste Psychose angespielt:
»In manche Discos darf ich nicht, denn ich als Hottentott'
Pass nicht dazu - es sieht mehr so aus wie Fasching bei der HJ.
Mit der Wasserpistole aufs Friedensfest das ist auch tabu
Und selbst wenn ich das trotzdem will, ich komm gar nicht dazu,
Denn einer nimmt sich meiner an. Überall ist Bullermann!
Der ist nur froh wenn er kontrollieren kann.
Er liebt es so wenn er was notieren kann.
Das schärft ihn an! Das ist der Bullermann...«
Den bluesigen Feger "Du und mein Autoradio", mit schönen Bläsersätzen arrangiert, hört man heute live so gut wie gar nicht mehr. Dafür ist der Slow Blues "Normale Härte" zu einem Live-Klassiker geworden, den man nicht mehr missen möchte. Womit wir bei der Übernummer "Die Hesse komme" und damit dem Ende von "Volle Lotte" angelangt wären. Das pfiffige Arrangement dieses Songs erschließt sich am besten, wenn man den Song mit Kopfhörern hört. Hier hat Jürgen Zöller bei seiner ersten Arbeit als Produzent Hochklassiges abgeliefert. Mit Gerd Knebel (Flatsch!) und Susanne Grawe hat man sich stimmgewaltige Unterstützung gesichert. Endlich wusste die ganze Republik - per Rap aufgeklärt - wo Papa den Grappa versteckt:
»He, was machst dann du mit meim Pladdespieler? Kaputt! Drecksack!!!
Haste ma e Mark oder e Kipp, du Depp.
Ah, da muss ich ma gucke, ei dann guck doch in de Tasch.
Ich glaub du bist doch überhaupt net hip, du Depp.
Muss mer des soi? Ei, du Hippie-Arsch!
Hör mer doch uff mit dem bekloppte Rap,
Das ist doch alles nur Nepp is doch billisch und lasch! Was?
Da haste dei Kipp, du Kapp.
Komm mach disch dünne Typ, schwirr ab!
Was hat 'n da de Babba da? Der hat e Flasch Grappa da de Babba!
Wo hat dann der Babba die Flasch? De Babba hat de Grappa in de Tasch!«
Ich hatte schon fast vergessen, wie tief die Musik der Rodgau Monotones im Blues verwurzelt ist. Dies sei an mögliche Nörgler gerichtet, die sich vielleicht insgeheim fragen, warum wir denn so eine 'Blödel-Mucke' hier in diesem virtuellen Qualitätsblatt besprechen. Nein, die Monotones sind als Rock-Band hier in Deutschland eine Klasse für sich. Wenn die in Eurer Nähe spielen sollten - hingeh'n und Party machen!!
Line-up:
Peter 'Osti' Osterwold (Gesang)
Henrik 'Henni' Nachtsheim (Gesang, Saxophon)
Ali Neander (Gitarre)
Raimund 'Ray' Salg (Gitarre)
Joachim 'Joki' Becker (Bass)
Jürgen 'Mob' Böttcher (Schlagzeug)
Gäste:
Christian Schneider (Saxophon)
Jo Reitz (Trompete)
Susanne Grawe (Gesang - #11)
Gerd Knebel (Gesang - #11)
Tracklist |
01:Volle Lotte! (3:45)
02:Frach mich net (wie's mir geht) (3:10)
03:Der kleine Pirat (3:25)
04:Viel zu spät (3:18)
05:St. Tropez am Baggersee (3:14)
06:Zirkus Kaputt (4:10)
07:Is mir egal (3:53)
08:Wenn Bullermann kommt (4:11)
09:Du und mein Autoradio (3:00)
10:Normale Härte (5:10)
11:Die Hesse komme! (5:18)
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Externe Links:
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