Superasi Angry Anderson knüppelt samt seiner Krawalltruppe Rose Tattoo eine "Best of..." Scheibe in den Markt. Vor einiger Zeit erklärte der australische Agressionsbolzen selbst, warum sein Rufname absolut zutreffend ist: Er sei niemals einer Streiterei aus dem Weg gegangen. Im Gegenteil, die von ihm bevorzugten Lösungsstrategien schlossen immer ruppige und handgreifliche Elemente ein. Er hätte damit aber einer Menge Leute buchstäblich vor den Kopf gestoßen. Waren Worte jemals weiser? Allerdings sei er in den letzten Jahren ruhiger geworden.
Anderson tobte sich seit jeher aus. Wie ein Irrer knallt er sich in schöner Regelmäßigkeit und mit wachsender Begeisterung während der Show das Mikro gegen die Stirn. Die Mission ist erst erfolgreich, wenn er sich einen akkuraten Cut in die Birne gestanzt hat, aus dem es dann ergiebig herausblutet. Zum Beweis dafür ist im Booklet ein appetitliches Farbfoto abgedruckt.
Rose Tattoo metzeln ihre Fans seit Beginn ihrer Karriere mit dreckigem, erdigen Power-Rock 'n' Roll nieder. Manchmal klingen sie wie AC/DC auf Speed. Dann wieder schneiden sie gar mit Slidegitarren in den Riffs herum, und der Bass klingt, wie sich der Schädel nach einem Knock-Out gebärdet. Es pulsiert traumatisch zwischen den Ohren. Angry Anderson verfügt über eine Menge Potenzial in seinem Kehlkopf. Er brüllt, er röhrt und manchmal singt er sogar.
20 Killersongs von den ersten 4 Studioalben füllen den Diskus mit 74 Minuten Spielzeit. Der eine oder andere Musikfan hätte sich sicher auch über ein paar der neueren Tracks vom Album "Pain" aus 2002 gefreut. Aber die Auswahl ist dennoch gelungen. Den Anfang macht "Rock 'n' Roll-Outlaw". Viele Musikfans, die sich noch nicht die Rose haben stechen lassen, kennen den Song bestimmt trotzdem und zwar in der Verhunz-Version von Helen Schneider unter dem Titel "Rock 'n' Roll Gypsy". Natürlich ist auch das Slow-Tempo Streetfighting Epos "The Butcher And Fast Eddie" vertreten. "Nice Boy" bringen den ganzen Unterschied zwischen den Young-Brüdern und Angry Anderson auf den Punkt. Wo die AC/DCs auhören, fängt der "Anderthalb-Zöller" erst an. "Nice Boys Don't Play Rock 'n' Roll", heißt es im Text. Verdammt, wenn diese Worte universellen Charakter hätten, wäre uns eine Menge Mist erspart geblieben .
"We Can't Be Beaten" fetzt im Midtempo und unter Verwendung der Slide-Guitar. Angry samt Mannen bringen mit "Southern Stars" ihre Ode an die Südhalbkugel. Die Songauswahl beginnt mit einem "Rock 'n' Roll" im Title und endet natürlich auch so. "The Radio Said Rock 'n' Roll Is Dead" bildet den Abschluss des "Besten von" Rose Tattoo. "Tja, Leute", möchte man sagen, "Totgesagte leben länger!" Das zeigen Typen wie unsere Buschmänner ein ums andere Mal.
Am Sound kann man die Unterschiede zwischen den ursprünglichen Produktionen schon erkennen. An deutlichsten wird das ab "Southern Stars". Die Arrangements sind ein wenig geglättet und Angrys "Vocals" sind sogar etwas mit Halleffekt aufgepeppt. Was aber auch kein Wunder ist, denn von der Ursprungstruppe bei den Aufnahmen ist nur noch Angry Anderson als ein Ur-Rose Tattoo übrig.
Das 12-Seiten Booklet bietet Infos zur Band und ein paar nette Fotos von der Live Performance. Witzig ist das Bandfoto, bei dem die Jungs wohl versuchten "Nice Boys" zu spielen. Andersen gibt sich als Grinsrübe und Slider Pete Wells fährt sich mit einer Hand lächelnd durchs Haar. Solche Fotos gibt es viel zu selten. Alle machen immer einen auf Böse oder Cool. Diese Aufnahme ist deswegen erfrischend anders.
Rock 'n' Roller aller Couleur, Biker, Nihilisten, Australier und alle Musikfans, die auch mal gerne energiegeladene, heiße, treibende und intensive Hard Rock Songs hören, sollten ruhig mal das Bukett dieser Rose erschnuppern. "Best of…"- Scheiben sind grundsätzlich uhrenfrei, aber wenn ich könnte, wären locker 8 von ihnen drinne.
Spielzeit: 74:00, Medium: CD, Repertoire, 2005
1:Rock 'n' Roll Outlaw 2:The Butcher And Fast Eddie 3:One Of The Boys 4:Tramp 5:Nice Boys
6:Remedy 7:Sidewalk Sally 8:Out Of This Place 9:Magnum Maid 10:All The Lessons 11:Assault And Battery 12:Scarred For Life 13:We Can't Be Beaten 14:Dead Set 15:It's Gonna Work Itself Out 16:Branded 17:Southern Stars 18:Dead Or Glory 19:Saturday's Rage 20:The Radio Said Rock 'n' Roll Is Dead
Olli "Wahn" Wirtz, 14.07.2005
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