RPWL / The RPWL Experience
The RPWL Experience Spielzeit: 67:00
Medium: CD
Label: Tempus Fugit/InsideOut, 2008
Stil: Prog Rock


Review vom 01.03.2008


Ingolf Schmock
Ganze zwei Jahre hat sich die Süddeutsche Prog Rock-Formation RPWL Zeit genommen, um nun mit "The RPWL Experience" eine neue Studioproduktion an den Start zu bringen.
Nach einigen solistischen Abschweifungen zwischendurch, wollten Yogi Lang und seine Mannen wieder eine kollektive Arbeit abliefern und gewissermaßen auf ihre bisherigen musikalischen Ergüsse noch eins draufsetzen: »Unser letztes Studioalbum war so bunt, bunter geht's nicht. Das erfüllte uns mit großer Zufriedenheit, so dass die Gefahr bestand, uns nur noch selbst zu kopieren«, sagt Sänger und Keyboarder Yogi Lang, »die Frage war: Bleiben wir auf dieser Insel, lehnen uns zurück und lassen alles so, wie es ist? Oder begeben uns wieder auf eine Reise, auf die Suche nach neuen Horizonten?«
Das Reiseergebnis liegt nun vor und lässt beim ersten Durchlauf musikalisch nicht völlig Neues entdecken, kann aber darüber hinaus mit einer instrumental homogenen Leistung bestechen.
Es ist schon beachtlich, aus welchen Quellen die Freisinger ihre Inspirationen sprudeln lassen, um mit dem Geschick eines Maßschneiders ihre eigene Songkollektion daraus zu kreieren.
Natürlich verleugnen sie dabei auch nicht ihr Vorleben und lassen uns klar bzw. hörbar erkennen, in die Floyd'sche Harmonie und Arrangementlehre eingetaucht zu sein.
Glücklicherweise sind die Herren nicht der Versuchung erlegen, einfach nur das bisherige Erfolgsrezept zu kopieren, sondern sich in den eigenen Grenzen wesentlich freier und selbstbewusster zu bewegen. Trotz einer gefangen nehmenden Einfachheit sowie auch einer musikalisch rockigeren Marschrichtung, ist bei "The RPWL Experience" nicht auf liebevoll verwobene Details verzichtet worden.
Dies bezieht sich dabei nicht nur auf ihre mitreißenden Kompositionen, sondern auch auf die Inhalte, das synchronisierte Zusammenstreben von Noten und aussagekräftigen Worten.
»Wir setzen Musik als zweite Sprache ein«, erklärt Lang. »Durch Musik wird Sprache spürbar vielfältiger, man kann den Worten eine emotionale Tiefe hinzufügen, die sie ohne Musik nicht bekommen würde. Dadurch bleibt Sprache nicht eindimensional, sondern wird sphärisch oder schroff, je nach Zielsetzung.«
Yogi Langs emotionaler Gesangsstil zählte schon immer zum grundierten Bestandteil der Musik von RPWL, welcher an den Tasten für ein sphärisches Fließen zu sorgen vermag, wobei er von Saitenkünstler Karlheinz Wallner sowohl durch dezente, als auch akzentuierte instrumentale Eingriffe unterstützt wird.
Natürlich darf sich der Leadgitarrist in einigen Passagen solistisch behaupten und sein Potenzial ausspielen. Und dass er ein begnadeter Handwerker seines Faches ist, bezeugen seine bisherigen musikalischen Paradebeispiele.
Dem Ganzen wird ein entsprechendes Fundament verliehen - für welches sich Schlagzeuger Manni Müller und Bassist Chris Postl verantwortlich zeigen - auf dem die Harmonien gleiten können.
Die zehn Kompositionen der neuen Platte schrammen oftmals ganz nahe am glatt gebügelten Mainstream vorbei, besitzen aber noch genug Innovation bzw. eigenes Stigma, um den Gegenpol zu erschaffen.
Sollte man doch eine Schublade für den Vortrag dieser Formation erfinden, so könnte man es vielleicht mit liedhaftem, symphonischen Rock abstempeln.
Nimmt man zunächst den knapp zehn minütigen Opener "Silenced", so eröffnet sich dem Hörer schon das erste musikalische Paradoxon. Auf einer Seite regieren die sägenden bzw. verstörten Riffs des Arrangements, auf der anderen Seite lassen sich perlende Melodien auf diesen Reigen ein. Klagend und sich im Kreise drehend, scheint es, dass die Musik, welche konform zum anprangernden Text über Krieg und hungernde Kinder geht, noch bis zur Unerträglichkeit gesteigert wird.
Mit "Breath In, Breath Out" liefert man einen kurzen prägnanten Pop-Song mit Radio-Charakter hinterher. Sein schlichtes Arrangement versucht sich als Ohrwurm an die Sinne anzudocken.
"Where Can I Go" unterliegt einer gewissen instrumentalen Routine und könnte ebenso auch als eine Britpop-Komposition der Brüder Gallagher (Oasis) durchgehen, wobei der Grundduktus ziemlich aggressiv daherkommt.
Epische Größe erreichen die Protagonisten mit ihrer ureigenen Version der Dylan-Antikriegs-Komposition "Masters Of War" und vermögen es mit sehr viel interpretatorischem Know-how, eine bedrückende und sogleich auch fesselnde Stimmung heraufzubeschwören.
Überzeugend und unmittelbar klingt jedes einzelne Instrument mit einer entfesselnden Motorik, die Radikalität der Musik scheint der heutigen Zeit zu entspringen, in der die Frage nach Menschlichkeit und Unmenschlichkeit immer noch nicht gelöst ist. Fast zu selbstverständlich lässt dabei Herr Wallner ein laszives Gilmour'sches Gitarrensoli traumwandlerisch aus den Ärmeln gleiten, und gebietet dem Songs dadurch etwas mehr geschmackvolle Momente.
Es ist einfach großartig und zynisch zugleich, wenn sich die Beteiligten in "This Is Not A Prog Song" voller Selbstironie mit den schlechten Pressekritiken (oder Rezensionen) auseinandersetzen, und das mit viel Ecken und Kanten im lärmenden Finale versinken lassen.
Ein wenig unaufdringlich schwebt uns "Watch Myself" entgegen, das mit psychedelischen Mellotron-Partituren und pastoralen Klangnuancen, sowie einer äußerst effektvollen Dynamik, den Konsumenten eine unglaubliche Leichtigkeit suggeriert.
"Stranger" bietet mit heftigen Riffs über surrealen Samples einen echten Breitwandsound, der mit seinem instrumentalen Synthesizerteilen Assoziationen zu Manfred Mann's Earthband erwecken vermag, und selbst mit den eingebauten Floyd'schen Orgel-Harmonien die musikalischen Geister der Siebziger anruft. Das Gleichgewicht zwischen Aggressivität und grandiosen, wohligen Melodien wird dabei behutsam gehalten und lässt diese Komposition zu einer Erlebnisreise gedeihen.
Mit dem nervösen Alternative-Rocker "Choose What You Want To Look At" entwickeln die Musikanten noch einmal ein brachiales Soundgewitter, bevor sie mit der teils Folkigen, teils epischen Akustikballade "Turn Back The Clock" nebst verzaubernden Synthiesolo, ein berührendes, aber auch ein prächtiges Ende setzen.
Mit Sicherheit haben RPWL mit dieser Platte wieder ein Meisterstück abgeliefert, und werden so manchem geneigten Konsumenten mit ihren klassischen Rockarrangements süchtig machen, auch wenn sie wieder häufiger musikalisch über des Nachbars Zaun geschielt haben.
Etwas weniger Härte und Brachialität hätte dem Gesamtkonzept vielleicht besser zu Gesicht gestanden, man muss den Beteiligten dabei aber auch einigen Mut einräumen. Schließlich leben wir in harten Zeiten, was man musikalisch im progressiven Bereich durchaus zum Ausdruck bringen sollte.
Für den Sound und die Produktion gibt es wieder das Gütesiege l der Extraklasse, da keinerlei Qualitätsmängel feststellbar sind.
Der Kundenkreis der Freisinger dürfte mit dieser neuen Veröffentlichung wohl eine Erweiterung erfahren. Für Rock- und Neo Prog-Fans kann ich somit ruhigen Gewissens eine Kaufempfehlung aussprechen.
"The RPWL Experience" ist auch als Special Edition im Schuber und mit zwei Bonus-Tracks erhältlich.
Tracklist
01:Silenced
02:Breath In,Breath Out
03:Where Can I Go
04:Masters Of War
05:This Is Not A Prog Song
06.Watch Myself
07.Stranger
08:River
09:Choose What You Want To Look At
10:Turn Back The Clock
Externe Links: