Running Wild / Black Hand Inn
Black Hand Inn Spielzeit: 65:43
Medium: CD
Label: Noise Records, 1994
Stil: Speed/Heavy Metal


Review vom 24.12.2010

    
Marius Gindra
Mitte der 90er war klassischer, traditioneller Metal verrufen: Der allgemeine Trend neigte zu bekifftem und Heroin-geschwängertem Jammerlappen-Grunge und Kopfsocken bzw. Kartoffelsäcke tragenden Musikanten, die handgemachten Rock/Metal mit stotterndem Gehampel, auch Hip Hop genannt, vergifteten. Alte Bands wechselten ihre Sänger (siehe Iron Maiden, Judas Priest usw.), biederten sich oftmals alles andere als erfolgreich der damaligen Zeit an (siehe zum Beispiel Kreator) oder lösten sich gleich ganz auf (die meisten eher im Underground verwurzelten Combos). Kuttenträger galten als Ewiggestrige und auch Medien wie Vinyl wurden nur noch müde belächelt.
Inmitten dieser Zeit gab es aber natürlich auch weiterhin einige Bands, die haushoch (und nicht gerade ohne Erfolg) auf sämtliche Trends pfiffen. Darunter befanden sich oftmals deutsche Metaller wie Grave Digger, Sodom, Accept, U.D.O. oder eben auch die im Auge des Verfassers beste Metal-Band aller Zeiten: Running Wild!
Seit mehreren Jahren erlebten die Hamburger zu dieser Zeit einen großen Erfolg: Platten wie "Port Royal" (1988), "Death Or Glory" (1989) oder "Pile Of Skulls" (1992) verkauften sich national und auch international in beachtlicher Anzahl, die daraufhin folgenden Tourneen waren ebenfalls sehr gut besucht. Running Wild wuchsen zu einer der erfolgreichsten deutschen Heavy Metal-Bands heran. Als dann ab ca. 1992/93 das Interesse an 'richtigem' Metal nachließ, standen natürlich auch die Hanseaten vor dem schweren Problem: sich der Zeit anbiedern oder die gewohnte Schiene weiterfahren? Glücklicherweise entschied sich der Trupp um den als leicht egozentrisch bekannten Mastermind Rolf 'Rock'n'Rolf' Kasparek für Letzteres und so kam im Jahre 1994 das von der Fanbasis bis heute als eines der besten Alben der Bandgeschichte gefeierte "Black Hand Inn" auf den Markt. Komischerweise war es dennoch allgemein gesehen ein eher schlecht verkauftes Album. Die Zeichen der Zeit eben...
Schon das ziemlich düstere Intro "The Curse", das mit einem Spoken-Word-Part beginnt, um daraufhin mit den typischen Trademarks nach und nach Spannung aufzubauen (majestätische, doppelläufige Gitarrenleads, Galopp-Drumming), geht nach drei Minuten über in den Titeltrack. Und dieser macht bereits zu Beginn klar, dass man wirklich kein bisschen an Qualität einbüßte. Die Produktion, vollendet von Rolf und Charlie Bauerfeind im Horus Sound-Studio in Hannover, erwies sich ebenfalls als perfekt: Die in arschtightem Galopp gezockten Drums von Schlagzeug-Gott Jörg Michael haben einen derartig fetten, bombastischen Punch, man bekommt das Gefühl, von der Gänsehaut erregenden, überirdischen Gitarrenwand erdrückt zu werden und über allem thront dazu Rolfs rauhe und dennoch melodische Stimme. Und so geht das die gesamten 65 Minuten: Kein einziger Ton, der wirkt, als würde er dort nicht hinpassen!
Egal, ob hier von den speedigen "Mr. Deadhead" und "The Phantom Of Black Hand Hill", dem groovigen "Soulless" oder den beiden Stampfern "Freewind Rider" und "Fight The Fire Of Hate", um nur einen Auszug zu nennen, die Rede ist: ALLES auf diesem Silberling ist ein einziger vertonter Orgasmus!
Ganz besonders hervorheben sollte man jedoch den Rausschmeißer "Genesis (The Making And The Fall Of Man)": Ein über 15 Minuten (!) langes Epos, das sämtliche Prog Rock-Jamsessions haushoch in den Schatten stellt. Auch dieser Song beginnt mit einem 1 ½-minütigen Spoken-Word-Part, nach und nach jedoch folgt erst die bereits zuvor erwähnte Gitarrenwand, etwas später die Drums und erst nach mehr als drei Minuten beginnt der Gesang. Das Songwriting ist überdimensional: Solche Riffs und Songstrukturen können einfach nur von einem völligen Genie geschrieben werden. Diese Harmonien, diese Zusammenwirkung die einzelnen Komponenten, dazu der göttliche, immer wiederkehrende Refrain: Vergesst jede Droge, ob legal oder illegal! Dieses Lied macht einfach nur noch süchtig und gehört mit zum Besten, was jemals im Heavy Metal geschrieben wurde!
Für mich persönlich ist "Black Hand Inn" für immer und ewig das beste Album der eigentlich armseligen 90er und generell einfach nur gigantisch! Wahrer Heavy Metal war nun einmal schon immer der sprichwörtliche Fels in der Brandung und wird es immer bleiben, egal welche sinnlose Trends die Musiklandschaft überfluten werden...
I SOLD MY SOUL TO Running Wild!
Line-up:
Rolf 'Rock'n'Rolf' Kasparek (vocals, guitar)
Thilo Hermann (guitar)
Thomas Smuszinski (bass)
Jörg Michael (drums)
Tracklist
01:The Curse (Intro)
02:Black Hand Inn
03:Mr. Deadhead
04:Soulless
05:The Privateer
06:Fight The Fire Of Hate
07:The Phantom Of Black Hand Hill
08:Freewind Rider
09:Powder & Iron
10:Dragonmen
11:Genesis (The Making And The Fall Of Man)
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