Auch im Pop-Business heißt es manchmal: Abwarten und Tee trinken! Und so kam der Durchbruch für die junge Londoner Songschreiberin und Sängerin Charlene Soraia auch gleich durch zwei Hintertürchen: Zum einen coverte sie in ihrem charakteristischen, auf zumeist akustischen Instrumenten aufbauenden Sound, eine bereits zuvor relativ erfolgreiche Rocknummer. "Wherever You Will Go" hieß der gefällige Hit der US-Rocker von The Calling. Zudem erhielt dieser Track dann noch verschärfte Medienpräsenz als Teil der TV-Werbekampagne einer britischen Teefirma.
Stimme und Arrangement hatten wohl einen Nerv im Vereinigten Königreich getroffen, denn die veröffentlichte Single kletterte alsbald auf Platz drei der englischen Charts. Und, wie das nun mal so läuft, die Nachfrage nach einem Album von Charlene Soraia wurde laut und lauter. Die junge Chanteuse ließ sich nicht lange bitten - trotz ihrer gerade mal 22 Lenze hat sie schon einige Jahre Bühnenerfahrung auf ihrem künstlerischen Konto und auch die eine oder andere EP war zuvor erschienen. So nahm Charlene einige Songs daraus neu auf, ergänzte sie durch Eigenkompositionen neueren Datums und der mediale Märchenprinz Peacefrog ließ sich nicht zweimal küssen bzw. fragen, sondern veröffentlichte das Werk postwendend, bereits einen Monat nach der Single.
Zu gerne würde man ja Mäuschen spielen, wenn Otto Normalhörer die Scheibe in den Player schiebt und ein ebenso gefälliges Popstückchen wie "Wherever You Will Go" erwartet. Der Überraschungseffekt dürfte enorm sein: Zwar beherrscht Frau Soraia die Kunst angenehmen Wohlklangs und das Produzieren heimeliger Harmonien perfekt - doch bleibt sie dabei nicht stehen. "Moonchild" ist weit mehr als ein Popalbum eines neuen Sternchens am Mainstream-Firmament. Der Silberling ist, künstlerisch betrachtet, eher ein Goldstückchen von ganz besonderer Kraft, Atmosphäre und Intimität.
Charlene Soraia verpackt ihre höchst persönlichen Stories und Betrachtungen über das Leben in spröde, anspruchsvolle Klanggebilde mit ungewöhnlichen Harmonien. Und dabei geht sie noch einen Schritt weiter als beispielsweise Joni Mitchell in ihren jazzigsten Tagen. Denn auch Jazz ist nur eine der vielen stilistischen Facetten, die "Moonchild" präsentiert. Elemente moderner Klassik, von Avantgarde bis Minimal Music sind ebenso hörbar wie eben auch Folk, Pop und weitere Überraschungen aus der musikalischen Wundertüte.
In ihren Lyrics erweist sich Charlene Soraia als unfassbar reife, reflektierte Wortkünstlerin. Wüsste man nicht, dass diese Zeilen einer jungen Frau aus der Feder geflossen sind, man würde meinen, eine Nachwuchs-Diseuse vertonte die Texte einer wesentlich älteren Frau. Dabei wird die Balance zwischen Emotion und Intellekt so locker gehalten, dass die Produktion zu jeder Minute überzeugend frisch klingt.
Wenn die Sängerin sinniert, wie es wäre, mit einem Mann ein Kind zu haben, der die eigene Frau misshandelt, und bei Gedanken über ein bipolares Leben kann man nur hoffen, dass das lyrische Ich und die tatsächliche Charlene Soraia nicht zu viele Berührungspunkte haben.
Neben der vielfältigen und klaren Stimme Soraias stehen vor allem ihre akustische Gitarre und viele weitere Instrumente aus der Welt von Folk, Klassik und Jazz im Mittelpunkt der Arrangements: Da schwebt mal ein Cello herein, ein Vibraphon setzt Akzente und auch eine Bläsersektion fügt sich zeitweise dezent in das fragile Klangbild ein.
Über ihre musikalischen Hintergründe sagt die junge Londonerin: »Ich bin mit Bob Dylan groß geworden - aber irgendwie blieb er mir immer fremd«. Erst als sie bewusst David Bowie hörte, machte es »Zoom« und sie wusste, was sie selbst künstlerisch machen wollte. Aber die Affinität zu Bowie ist nur noch in Ansätzen zu hören - es war eher ein Startschuss für einen hoffentlich noch lange andauernden, musikalischen Marathon. "Moonchild" atmet zeitweilig eher den Hauch der Frühwerke von Robert Fripp. Gerade zu Zeiten, da Casting-Shows mit immer gleichen Plastik-Kandidaten und Einheitssongs aus der Retorte zu punkten versuchen, ist ein solches Werk wie Charlene Soraias Debüt eine wahre Perle. Sicher: kein Album, für das man Liebe auf den ersten Lauscher empfindet - aber eines, dessen eigentliche Schönheit mit jedem weiteren Hören mehr erblüht.
Line-up:
Charlene Soraia (Gesang, Gitarre)
(keine weiteren Angaben)
Tracklist |
01:When We Were Five
02:Daffodils
03:Lightyears
04:Rowing
05:Meadow Child
06:'Twas Lovely
07:Bipolar
08:Postcards From iO
09:Bike
10:Midsummer Moon In June
11:Wishing (You) Well
12:Almost Stole A Book
13:Wherever You Will Go
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