Chris Spedding / Click Clack
Click Clack
Kennt ihr das Phantom?
Nein, natürlich nicht Phantomas.
Auch nicht Marek Mintal, der unsichtbare Torschützenkönig der letzten Fußballbundesligasaison.
Ich meine in diesem Falle jemanden namens Chris Spedding.
Wie ich darauf komme?
Ganz einfach, dieses Phantom der Musikszene der letzten knapp 40 Jahre hat aktuell ein neues Album auf den Markt gebracht und wieder bekommt es keiner mit.
Auszug aus der 'Amazon'-Statistik vom 03.09.2005: 'Amazon.de'-Verkaufsrang 9.272. Also nimmt sich jetzt die RockTimes der Sache an, denn wer so lange im Geschäft ist, muss ein Guter sein!
Als ich vor kurzem einen Kumpel anrief und dieser mich fragte, was ich denn gerade im Hintergrund für Musik hören würde, sagte ich ihm: Chris Spedding.
'Mmh, ja, warte mal, also den kenne ich natürlich. Aber der lief bei mir immer unter der Kategorie: Hat man irgendwie schon was von gehört, aber keiner weiß genau was.'
Da konnte ich meinem Kumpel nur beipflichten, denn genauso erging es mir bis heute auch.
Und nun liegt mir also das neueste Soloalbum dieses Künstlers vor, den alle irgendwie kennen, aber eigentlich doch nicht, obwohl er an über 200(!) Plattenproduktionen für Gott und die Welt als Multiinstrumentalist, Produzent und/oder Songwriter beteiligt war und bis dato auf ein gutes Dutzend Soloscheiben verweisen kann.
"Click Clack" heißt das Werk, und es wird, nach meiner vorsichtigen Prognose, am Phantomstatus nicht viel ändern, obwohl es sich unbestreitbar um geschmackvolle, gepflegte, gediegene, kompetente und solide Musik handelt.
Aber diese Attribute verdeutlichen vielleicht schon das Dilemma. Hier passiert einfach nix Spektakuläres und schon läuft das gute Stück Gefahr, nach dem ersten Hören und einem achselzuckenden 'na ja, nicht schlecht, aber auch nicht der Bringer', wieder ad acta gelegt zu werden. Und das wird dem Werk nicht gerecht.
Obwohl, bei meinem ersten Hördurchgang bin ich weggenickt.
Es musste dann doch wieder die Kasperanlage im Wohnzimmer herhalten, die selbst aus komprimierten CD-Informationsdaten richtige Musik formatfüllend in die kleine Bude zimmert.
Und prompt groovt lässig und entspannt ein geradezu hypnotischer Bass, kontrastiert durch ein feines Saxophon. Mir kommen Roxy Music, J.J. Cale oder Mark Knopfler in den Sinn, es fließt etwas melancholisch dahin und trägt den konzentrierten Hörer davon ("Hilife").
Bei "Cure" tauchen wieder Herr Knopfler und J.J. Cale im Geiste auf, diesmal tatkräftig unterstützt von Tony Joe White.
Dann folgt "You Don't Own Me (You Can't Buy Me)", oha, mit sonorer Nichtstimme werden die nicht undramatischen Zeilen vorgetragen, garniert mit einer memorablen Melodieführung und einer ebensolchen Gitarre, die zugleich klagende Untertöne hervorzaubert. Darüber hinaus setzt Gastsängerin Sarah Brown, wie bei einigen anderen Stücken auch, ihre Stimme als zusätzliches Instrument ein, was mal, wie in diesem Fall, dramatische Züge annehmen kann, mal wie im folgenden "Why Are People Like That" (gute Frage, gerade in heutigen Zeiten!) zu einer gospeligen Grundstimmung führt. Jetzt wird's, ich mag's in Anbetracht der Tagesaktualität (Hurricane-Katastrophe im Südosten der USA) gar nicht schreiben, 'sumpfig', Louisiana, New Orleans kommen mir, hervorgerufen durch die musikalische Grundstimmung, in den Sinn, Litte Feat, Ry Cooder, Tony Joe White ziehen an meinem geistigen Auge vorbei und irgendwo ertönt eine herzzerreißende Slide-Gitarre. Aber vielleicht bin ich auch nur von den derzeitigen Fernsehbildern geschockt.
Anschließend erklingt ausgerechnet so etwas wie eine 'Sumpfschlagerballade', die auch gut zu Tom Waits gepasst hätte. "Please Don't (Go Away)", wieder irgendwie herzzerreißend, die Slide wimmert und Chris Spedding trägt Zeilen wie
"I had missed you like the flower without rain.
I had missed you like the morphine for my pain"
vor.
Glücklicherweise meine ich zwischendurch ein Augenzwinkern zu vernehmen. Und prompt gibt's mit "Nobody" Stones-Beat mit gehörigem Dire Straits - Einschlag auf die Ohren. Nur damit wir uns nicht missverstehen, natürlich alles im gemäßigten Tempo, harte Töne bleiben bei dieser Produktion außen vor. Aber die Dire Straits standen ja schließlich auch nie für harte Töne!
Nun geht's 'two steps forward and one step back' ("Hear Your Daddy"), wobei der alte Chris Spedding Kumpel Bryan Ferry die Harmonika bläst und eine gewisse John Hiatt - Stimmung aufkommt.
Nach einem jazzigen Instrumentalintermezzo ("Ramblin' ") taucht auch, ich bin schon fast geneigt zu sagen, endlich, Bob Dylan am Horizont auf, die Violine sägt an meinen Nerven und das Ganze kippt in eine Art Countryschmonzette ("How To Get Rid Of The Blues").
"No Other Baby" dümpelt dann doch etwas belanglos dahin, für einen Tom Petty - Tune reicht es nicht ganz, dafür rollt, pfeift und zischt der (Harp-)Train auf dem Titelstück - bluesige Untertöne in der Tradition von Captain Beefhart werden wach. Aber auch Tom Waits kommt mir wieder in den Sinn.
Dann gibt's noch einen unaufgeregten instrumentalen Rausschmeißer im 50ies - Style und schwups, schon ist das Plättchen beendet.
Ich werd' euch was verraten, ich hab' einfach noch mal auf Repeat gedrückt, die Melodien und Rhythmen schmeicheln sich so nach und nach in die Gehörgänge, es muss ja schließlich nicht immer krachen, oder?
Das tut's leider auf dieser Welt schon mehr als genug.
Und spätestens nach dem zehnten Hördurchgang zücke ich locker 6 RockTimes Uhren, wobei es für die formidable klangliche Produktion noch eine halbe Uhr extra gibt. Wir sind und bleiben innovativ!
Aber ob das Chris Spedding aus seiner Phantomrolle heraushilft?
Ach was, schaut doch mal auf's Cover! Der Mann möchte ein Phantom bleiben, möglichst unerkannt, aber stetig gute Arbeit abliefernd. Warum nicht? Und demnächst auf bundesdeutschen Bühnen zu bewundern (bitte unsere Ankündigungen unter 'Tourtermine' beachten).


Spielzeit: 44:37, Medium: CD, SPV, 2005
1:Hilife 2:Cure 3:You Don't Own Me 4:Why Are People Like That 5:Please Don't 6:Nobody 7:Hear Your Daddy 8:Ramblin' 9:How To Get Rid Of The Blues 10:No Other Baby 11:Click Clack 12:Last Date
Olaf "Olli" Oetken, 03.09.2005