Daniel Schläppi / Voices Live
Voices Live Spielzeit: 62:22
Medium: CD
Label: Catwalk, 2009
Stil: Jazz

Review vom 09.03.2009


Wolfgang Giese
Schläppi ist ein schweizer Musiker, er komponiert und spielt Bass und das in dieser Formation, Voices, bereits seit 2002.
In jenem Jahr gab es die erste CD-Veröffentlichung dieser vier Jazzmusiker, aus denen Voices auch heute noch besteht. In eher ungewöhnlicher Besetzung mit dem üblichen Rhythmusgerüst aus Bass und Schlagzeug, gesellen sich hier gleich zwei Bläser hinzu. Also mit Tenorsax, Sopransax und Bassklarinette reichlich Gebläse - und kein Piano!
Im Laufe der Jahre ist das Zusammenspiel der vier Musiker gereift und durch zahlreiche Liveauftritte hat die Band einen kreativen Höhepunkt vielleicht erreicht. Aber vielleicht ist ja noch mehr drin? Jedenfalls zeigen diese Aufnahmen vom 12.Mai 2007 anlässlich des Jazzfestivals Schaffhausen, dass sich die Truppe gar meisterlich entwickelt hat.
Die beiden Bläser, Jürg Bucher und Domenic Landolf sind sicher die 'Stars' dieses Ensembles, sind sie es doch, die im Vordergrund massiv agieren, und das mit einer extrem zupackenden Art. Doch was wären die Beiden ohne die kongeniale Begleitung dieses eingespielten Rhythmusteams, Schläppi und Drummer Dominic Egli?
Mit perfektem Timing und sich immer wieder aufbauenden Spannungsbögen verstehen sie es, die hohe Dynamik des Vortrages stets am Kochen zu halten. Das ist ein Quartett, das ein besonderes Gefühl verströmt. So ist es eine Wohltat und Genuss, wie sich die beiden Bläser ineinander verschachteln, sich ergänzen, Melodien präsentieren - ein Stil, der mich an Ornette Coleman erinnert, und das sofort beim ersten Titel, "Graupenschauer", bei dem der Drummer sich bereits bestens und brillant einführt. Ein Super-Start!!!!
Die beiden Saxofonisten spielen nicht gegeneinander, nein, sie sind Teil eines Ganzen und die Kontraste der unterschiedlichen Spielweisen sind es, die dieses Konzept auf sehr interessante Weise ausfüllen. So entsteht ein aufregender Sound, wenn Bucher (man hört ihn auf dem linken Kanal), der viel harmonischer im Klang zu agieren scheint, ruhiger und weniger aufgeregt diesen Gegenpart zu Landolf (entsprechend auf dem rechten Kanal), der einen mehr druckvoll und eruptiven Stil besitzt, bildet.
Dazu kommt der treibende Beat des Drummers und die verbindende Dichte des Bassisten. Das alles ergibt eine berauschend-betörende Mischung, die dem Jazz eine ungeheure Frische zuteil werden lässt, denn das klingt wirklich frisch und wiederholt nicht irgendwelche eingefahrenen Strukturen.
Es werden immer wieder Freiräume geschaffen, um Platz für spontane Ideen zu schaffen, wovon es reichlich gibt. Wunderbar, wenn das Bass-Solo des zweiten Titels unvermittelt in eine swingende Atmosphäre des dritten Stückes übergreift. Dann schlängelt sich das Thema über dem federnden Schlagzeug mit einer vibrierenden Unterlage dahin: Eine verdammt interessante und spannende Nummer. Man wartet ständig auf etwas Neues, und diese Erwartungen werden schließlich auch erfüllt.
Nicht nur hier bieten die Bläser den Rhythmikern Paroli; und umgekehrt, denn Bass und Schlagzeug sind hier letztlich gleichberechtigte Partner.
Spielfreude ist das Wort, das einem spontan einfällt, weil es auffällt, dass die Musiker hier gelassen und voller unbekümmerter Energie Einsatz zeigen. Die Musik fließt und treibt vor sich hin (z. B. "Play Of Colours") und Titel wie der "Far Out Blues" bieten dann auch noch ein gewisses 'erdiges Element'.
Pianolose Trios gab es ja schon im Jazz, ein historischer Vergleich zu dieser Formation lässt sich jedoch schwerlich finden; Elvin Jones experimentierte in den 70er Jahren mit diesem Format, war aber ein wuchtigerer und energiereicherer Drummer als Egli, der etwas subtiler und verspielter wirkt.
So braucht Schläppi in diesem Format keine Konkurrenz zu fürchten, aber davor muss er eh keine Angst haben, hat er mit seinen Kompositionen doch elf meisterhafte Stücke geschaffen, die sich in internationalem Vergleich hören lassen können und dem europäischen Jazz eine neue Wertigkeit und Wichtigkeit verleihen sowie ihm außerdem eine neue Schattierung hinzufügen.
Voices zählen insofern für mich zu den Großen des europäischen Jazz, 'Chapeau, Monsieurs'!
Hier passiert etwas Besonderes, denn es werden keine eingefahrenen Wege benutzt. Man baut auf der Tradition auf und nimmt Zitate aus der Geschichte mit, um etwas spontan Neues zu schaffen - für den Augenblick und letztlich dadurch, dass dieses mitreißende Konzert mitgeschnitten wurde, auch für die Ewigkeit.
Line-up:
Daniel Schläppi (bass)
Jürg Bucher (tenorsax, sopranosax, bass clarinet)
Dominic Egli (drums)
Domenic Landolf (tenorsax, sopranosax, bass clarinet)
Tracklist
01:Graupenschauer
02:Quiet Please
03:Voices
04:Far Out Blues
05:Call Me Bop
06:Grow Up
07:At First Sight
08:Play Of Colours
09:Trial And Error
10:Nine
11:Catwalk
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