Pioniere sind zumeist Reisende, Suchende nach noch verborgenen Orten, Entdecker ungeahnter Neuerungen und Wegbereiter künftiger Entwicklungen - so betrachtet, ist Eberhard Schoener mit Sicherheit als ein Pionier elektronischer Musik zu sehen. In einer Scheune eines kleinen bayerischen Dorfes experimentierte er auf der Schwelle der 70er Jahre als einer der ersten deutschen Musiker mit dem damals noch unergründlichen Wunderwerk namens 'Moog Synthesizer' herum - witzigerweise zur gleichen Zeit am selben Ort, nur in einer anderen Scheune, versuchte Florian Fricke von Popol Vuh ebenso sein Glück mit der klanglichen Rätselmaschine.
Letzterer gewann den Wettlauf um das erste Synthesizeralbum aus deutschen Landen: "Affenstunde" von Popol Vuh gilt bis heute als das Urgestein musikalischer Elektronik. Allerdings wandte sich Fricke bald eher akustischen Instrumenten und erdigen Klangstrukturen zu, während Schoener den Synthesizer stets als integralen Bestandteil seiner Musik betrachtete.
Allerdings reizte er rein synthetische Stilmittel ebenfalls bald aus und strebte fortan nach noch ambitionierteren Zielen als einer reinen Elektronik-Musik.
Der ausgebildete Violinist und Dirigent avancierte schließlich zum Leiter der Münchener Kammeroper und sein weiteres mediales Schaffen stand immer im Zeichen der Suche nach einem Gesamtkunstwerk, das nicht nur einen Sinn ansprechen sollte.
Er lotete stets neue Techniken aus, befasste sich mit nahezu allen Musikstilen von Rock über Jazz bis Ethno, ohne dabei die Klassik aus den Augen zu verlieren. Er arbeitete mit Jon Lord an dessen Opus "Windows", orchestrierte und dirigierte die symphonischen und vokalen Parts von Mike Oldfields Filmsoundtrack zum Kriegsdrama "The Killing Fields", entdeckte balinesische Gamelanmusik für sich. Daraus resultierte das Album "Bali Agung", benannt nach dem Fürsten Agung Raka, dessen Hofensemble für das authentische Bali-Feeling sorgte.
Noch lange, bevor ein gewisser Herr Cretu seine Sandra ins Kloster steckte, um mit Enigma gregorianische Gesänge trendy aufzumischen, hatte sich Schoener bereits ernsthafter um eine Fusion dieser kultischen Musik Europas mit modernen Sounds bemüht, wie auf der Scheibe "Trance-Formation" eindrucksvoll zu hören ist.
Unvergessen auch die "Klassik-Rock-Nächte", in denen er Stars aus den Bereichen Rock, Pop, Jazz, Folk, Worldmusic, Klassik zusammenbrachte und aufregende Kollaborationen erschuf - dabei konnte er Gastauftritte solch unterschiedlicher Künstler wie Ultravox, Zara-Thustra, Jon Anderson, Dario Domingues, Trio, Nina Hagen, John Miles, Gary Brooker und vielen mehr organisieren.
Noch früher hatte er Lasershows als künstlerischen Bestandteil von Musikshows etabliert - die Tour hieß "Laser In Concert", das TV-Special "Video Magic".
Das nun von dem Label MIG wiederveröffentlichte Album "Flashback" ist quasi eine Art Quintessenz aus dieser aufregenden künstlerischen Phase - für Schoener selbst ist die Scheibe der dritte Teil einer Trilogie, dessen Vorgänger "Bali Agung" und "Trance-Formation" waren.
»Das Ziel aller meiner Reisen ist immer die Rückkehr. Auch das Album FLASHBACK ist eine Rückkehr. Eine Trilogie« so Eberhard Schoener. Dabei teilt sich das Werk selbst in zwei Teile: "From The New World" beschreibt eine Reise in die USA, "From The Old World" widmet sich einem vertrauten deutschen Fluss und beschreibt dessen Lauf von der Mündung quer durchs Land - Teile dieser Kompositionen wurden auch als Soundtrack für den Film "Rheingold" verwendet.
Hochinteressant ist auch das Line-up dieser Produktion, denn neben den deutschen Jazz- und Rock-Cracks Olaf Kübler und Hansi Stroer hatte Schoener drei bis dato recht unbekannte britische Musiker für seine Liveshows und Plattenproduktionen engagiert: Gordon Matthew Sumner, besser bekannt als Sting, Andy Summers und Stewart Copeland. Diese drei formierten damals bereits als The Police, ihr Durchbruch als angesagte, internationale Band sollte aber noch auf sich warten lassen. So nahm man ein festes, bezahltes Dauerengagement gerne an. Die Zusammenarbeit mit dem deutschen Multimediamusiker sollte sich für die Gruppe aber dauerhaft bezahlt machen - denn erst Eberhard Schoener erkannte das Potenzial, das in Stings Stimme schlummerte - und er überredete ihn erst, seinen charakteristischen Gesang einzusetzen - wer die frühen Singles der Police, z.B. aus dem Filmsoundtrack "Brimstone And Treacle" kennt, weiß, dass Herr Sumner ursprünglich ganz anders intonierte. Schoener erkannte einen faszinierenden, wenn auch unausgebildeten, Tenor in Stings Vocals. Und diesen bringt er auf "Flashback" auch sehr beeindruckend zu Gehör. Anspieltipp sei hier "Only The Wind".
Da in späteren Jahren das Management von The Police das Mitwirken an progressiv-experimentellen Musikprojekten eher als karrierehinderlich befand, fehlt diese Episode aus dem Schaffen von Sting und Co. in fast allen offiziellen Band-Biographien. Und damit war das Mitwirken der britischen Jungrocker damals undercover, ein geheimer Polizeieinsatz. Doch gerade diese hidden Band verlieh dem vorliegenden Album einen ganz eigenen Antrieb. Waren "Bali Agung" und "Trance-Formation" streckenweise noch stark sphärisch-meditativen Klängen verhaftet, verleihen Stewart Copelands Drums vielen Passagen von "Flashback" treibenden Groove. In "Rhinebow" schmachtet Sting noch schöner als später bei "Roxanne" und Andy Summers' Gitarrenarbeit ist solistisch brillant und zeigt einen einfühlsamen Musiker, dessen Ausdrucksmöglichkeiten noch weit außerhalb derer von The Police liegen.
Aber auch ihre deutschen Kollegen Olaf Kübler und Hansi Stroer zeigen, dass auch sie zur ersten Sahne professioneller Musiker gehören.
Elektronik und Orchesterklänge sind integraler Bestandteil der Kompositionen, aber, stärker als bei den ersten Teilen der Trilogie, gleichberechtigt neben dem Rockinstrumentarium.
Insgesamt also ist "Flashback" ein sehr homogenes Album, dem man gerne und immer wieder lauscht - und jedes mal wieder wird man etwas Neues in den faszinierenden Kompositionen und Arrangements von Eberhard Schoener entdecken.
Line-up:
Eberhard Schoener (Moog Oberheim, mellotron, piano)
Sting (bass guitar, vocals)
Andy Summers (guitar)
Hansi Ströer (guitar, E-piano)
Olaf Kübler (tenor-sax, alt-sax)
Stewart Copeland (drums, percussion)
Orchestra Of The Munich Chamber-Opera
Conductor: Eberhard Schoener
Tracklist |
From The New World
01:Trans-AM (3:22)
02:Why Don't You Answer? (4:30)
03:Only The Wind (4:05)
04:Powerslide (1:32)
05:Flashback (3:04)
06:Epilogue (2:40)
From The Old World
07:Rhine-Bow (8:04)
08:Loreley (5:04)
09:Magma (8:53)
10:Bonustrack:
Why Don't You Answer [Lukas T. Velvet Remix] (4:27)
(all tracks composed by Eberhard Schoener, re-mastering: Lukas Taido Velvet)
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