Harry Schwarz / Via Draconis
Via Draconis Spielzeit: 49:29
Medium: CD
Label: Cherry Tea Records, 2008
Stil: Mittelalter Rock

Review vom 16.03.2009


Sabine Feickert
Mittelalter am Rande des Wahnsinns!

So lautet der Untertitel zum Musiker Harry Schwarz. Ich muss zugeben, dieses Album hat mich eine ganze Weile beschäftigt. Obwohl ich schon beim allerersten Reinhören absolut fasziniert war, musste ich es doch etliche Male intensiv anhören und zwischendurch immer wieder nachklingen lassen, bis ich mich im Stande fühlte, etwas darüber zu schreiben, das der Musik hoffentlich halbwegs gerecht wird.
Flüchtig gehört ist es rockig, teils leicht heavy angehaucht, mit einer guten Prise schwungvollem Mittelalter Rock. Und obgleich die Themen in diesem Genre ja durchaus häufig düster sind, wirken die Liedtitel schon recht ungewöhnlich - "Schmerz" und "Aus dem Kerker" weichen doch ein Stück vom Üblichen ab.
Ungewöhnlich, aber sehr stimmig ist auch der Aufbau des Albums. Die beiden ersten Nummern sind eher konventionell rockig gehalten. Die Dudelsäcke sind mehr die musikalische Entsprechung der dargebotenen seelischen Qualen, denn mittelalterliche oder folkige Elemente. Zusammen mit den sägenden Gitarren und der hier knarzig-quäkenden Stimme untermalen sie die Ausgangsstimmung, das Gefangensein im Kerker der schwarzen Gedanken. Sollten noch Zweifel bestehen, ob es sich bei diesem Kerker nicht vielleicht doch um ein tatsächliches Gebäude handelt, werden diese spätestens mit "Schmerz" ausgeräumt. Die Nummer beschreibt sehr anschaulich selbstverletzendes Verhalten (Ritzen und Schneiden), wie es im Rahmen von Borderlineerkrankungen auftritt, in klaren und drastischen Worten:
»Und nun tropft mein Blut herab, durch den Schnitt in meiner Haut,
Tränen fallen auf die Klinge, Schmerz der mir den Atem raubt.
Narben zieren meinen Körper, nahm das Messer oft zur Hand,
doch der Schmerz in meiner Seele, wurde nie verbannt.«
Recht überraschend folgt dann nach einem Dudelsack-Intro ein kompletter Szenenwechsel in eine mittelalterliche Schänke, in der sich eine "Söldner"-Truppe gerade lautstark und feuchtfröhlich über die vergangene Schlacht unterhält und den Übergang in die 'echte' Mittelalterpassage einleitet.
Mit "Via Draconis" zeigt Harry, dass er Mittelalterrock vom Allerfeinsten darbieten kann und in diesem Sektor aus vielen Quellen schöpft, daraus jedoch seinen ganz eigenen Trank bereitet. Da grüßen die mähenden Templerschafe in Richtung Rabenschrey und der Hopsfaktor ist in "Der Lauf" mindestens so groß wie bei Schandmaul oder Saltatio Mortis. Das mittelalterliche Ambiente zieht sich durch die nächsten Lieder, im gelungenen Wechsel von balladesk-ruhigen und richtig fetzigen Songs. Ein vielfätiges Spektrum der damaligen und der zeitlosen Themen wird dargeboten. "Geächtet" zeigt die Verzweiflung und Einsamkeit eines als vogelfrei Verurteilten und Geächteten. Es gibt damit einen völlig anderen Aspekt wider als dies bei den Schandmäulern in ihrem Hit "Vogelfrei" mit dem darin verarbeiteten wilden und ausgelassenen Dasein der Fall ist.
Die verlorene Liebe in "Frei" wird melancholisch betrauert und losgelassen.
Einen furiosen Abschluss erreicht der altertümliche Part mit der Mitgröhlnummer "Sünde", die Stillhalten unmöglich macht.
Doch damit ist das Album keineswegs zu Ende. Harry schafft es mit "Mein Herz schlägt schnell", den Bogen zu den ersten beiden Liedern wieder zu spannen und die stärker rockigen Elemente durch leichte Heavy-Anklänge zu bereichern. Mit reichlich Gitarren und Drums wird der geneigte Hörer wieder in die Jetzt-Zeit zurückgeholt und erfährt in "Deinen Weg" von der geläuterten, jetzt deutlich positiveren Grundstimmung.
Was, vom Liedmaterial her, vielleicht andernorts ein Bild von Unentschiedenheit und Unentschlossenheit abgegeben hätte, arrangiert Schwarz stimmig und rund.
Als i-Tüpfelchen fügt sich der Bonus-Track "Alle Vögel sind schon da" ein. Entstanden ist es für ein Wohltätigkeitsprojekt von Radio Neue Welle zugunsten krebskranker Kinder. Es ist eine gigantische, anarchische und echt fetzige Pogoversion des Kinderlied-Klassikers, jenseits allen süßlichen 'Kinderlalala', bei der so richtig die Post abgeht.
Line-up:
Harry Schwarz (Gesang, Gitarren, Bässe, Schlagzeug, Keyboards, Schalmeien, Dudelsäcke)
Chris Sparfeldt (Dudelsack)
MJ Gumpert (Drehleier)
Mittelalterverein Via Draconis (Chor)
Tracklist
01:Aus dem Kerker
02:Schmerz
03:Die Söldner
04:Via Draconis
05:Der Lauf
06:Geächtet
07:Das Spiel
08:Frei
09:Sünde
10:Mein Herz schlägt schnell
11:Deinen Weg
12:Alle Vögel sind schon da
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