Vermutlich wird unsere Metal-Fraktion erleichtert aufgeatmet und sich den Schweiß von der Stirn geputzt haben, als ich mich zur Bearbeitung von Jeff Scott Sotos Balladen-Sampler angeboten habe. Wenn man das Gesamtergebnis im Nachhinein betrachtet, hätte der Silberling für die auch höchstwahrscheinlich nur als palettenartiges, modisches Accessoire an der schwarzen Lederkutte zu gefallen gewusst. Und die anschließende laute Speed Metal-Dröhnung zur regenerativen Frustbewältigung hätte sicherlich dann wieder mal nur zum Krieg mit der umliegenden Nachbarschaft geführt.
Nun gut, da meine Person langsamere Töne ganz gerne hört, und ich Soto nur von seinen guten Gesangsleistungen auf Axel Rudi Pell-Alben kenne, konnte ich, was ihn angeht, recht unvoreingenommen an die Sache rangehen. Ob er jetzt 'Die Stimme des Melodic Rocks' repräsentiert, wie die Plattenfirma ihn anpreist, lasse ich mal dahingestellt, da haben andere Namen wie Steve Overland, Johnny Gioeli oder Göran Edman & Co. sicher auch noch ein Wörtchen mitzusingen. Zweifellos aber würde ich ihn, was auch diese Balladenansammlung eindeutig beweist, mit zur Top-Riege der Gesangskönner in dieser Sparte zählen.
Die CD ist, was die Spielzeit (über 70 Minuten) und Trackzahl (13 + 3 Bonustracks) angeht, recht großzügig bestückt. Hier liegt allerdings auch schon ein Problem des Werkes: So viele langsame Töne am laufenden Band, und darunter sind wirklich ein paar an der Grenze liegende Schmachtfetzen, stellen selbst einen Balladenfreund wie mich nach einer gewissen Zeit auf eine harte Probe. Zumindest nach jedem dritten, vierten Stück, hätte hier was Rockiges für mehr Unterhaltungswert und Abwechslung gesorgt. Im Falle Soto wäre aus meiner Sicht eine richtige 'Best Of' daher sicher die bessere Alternative gewesen. Die Songs sind perfekt und allesamt supermelodisch eingespielt worden, und natürlich wunderbar für sein Stimmorgan kompatibel.
Das Strickmuster ähnelt sich bis zu den Bonustracks jedoch recht häufig: Meist gibt es ein Akustikgitarren- oder Piano-Intro, mit einsetzendem Gesang kommen ein paar dezente Synthies, manchmal Streicher, viele kleine E-Fills und meist ein Melodic Rock-typisches, filigranes E-Solo vom hier überragenden JSS-Weggefährten Howie Simon dazu. Je nach Bedarf sind die Refrains mal weniger, mal mehr bombastisch emotional in Szene gesetzt, wobei oftmals Harmoniegesänge (zum Teil mit Hang zum Kitsch) eingefügt werden.
Die drei neuen Zugabestücke verlassen dann fast schon den balladesken Bereich, und wechseln ein wenig vom Melodic Rock zu eher pop-orientierten Liedern mit leichtem Westcoast-Flair, aber in insgesamt auch relativ seichter Form dargeboten. Lediglich "Last Mistake" mit seinem sommerlich locker beschwingtem Akustikgitarrenrhythmus und dem schönen E-Solo, im Stile einer Band wie Venice, weiß hier zu gefallen, die beiden anderen Schmachtfetzen hätten auch ohne weiteres für ein Harpo-Comeback aufgegriffen werden können. Spätestens hier wären bei meinen anfangs erwähnten Kollegen die Sicherungen wohl endgültig durchgebrannt.
Wem kann man "Essential Ballads" nun empfehlen? In erster Linie Leuten, die gerne ruhige Musik von einem Klasse-Sänger und guten Musikern hören und keine großartigen Ecken und Kanten benötigen. Dem Aufreißertyp, der beim abendlichen Date in der Wohnung mit Kerzenlicht und Schmusemusiktaktik zum Erfolg gelangen will. Zuletzt dem Jeff Scott Soto-Sammler und Melodic Rock-Hardliner, der einfach alles aus dem Genre im Regal stehen haben muss. Meine Wenigkeit kann sich vorstellen, das Teil im Sommer im Garten nach dem Gang in den Pool, und dem einen oder anderen kühlen Longdrink als Hintergrundmusik zum mittäglichen Relaxen auf der Liege unter dem schattigen Sonnenschirm zu benutzen. Krawall liebende Metaller sollten allerdings lieber von vornherein ein großen Bogen um die Scheibe machen.
Spielzeit: 71:24, Medium: CD, Frontiers Records, 2006
1:If This Is The End 2:As I Do 2 U 3:Holding On 4:Send Her My Love
5:Lonely Shade Of Blue 6:This Ain't The Love 7:Don't Wanna Say Goodbye 8:4U
9:Still be Loving U 10:Till The End Of Time 11:Sacred Eyes 12:By Your Side
13:Beginning 2 End - Bonus Tracks 14:Through It All 15:Last Mistake 16:Another Try
Daniel Daus, 15.05.2006
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